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Die Zeit arbeitet für Moskau

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Anfang Juni endete die wichtigste japanisch-amerikanische Jahreskonferenz in der Erkenntnis, daß die beiden Bündnispartner verschiedene Ansichten über die Chinapolitik und über den Chinahandel haben und die Situation in Vietnam nicht in vollständigen identischen Bildern sehen. Diese Erkenntnis schmeichelte dem japanischen Selbstbewußtsein. Sie haben die Niederlage und die Nachkriegszeit noch zu sehr in den Knochen, um nicht zu genießen, daß sie den Siegern von vorgestern, der Besatzungsmacht von gestern und dem Bündnispartner von heute am Verhandlungstisch als gleichberechtigte opponieren können. Doch die Folgen der Meinungsverschiedenheit sind schwierig auszutragen, denn die

Opposition der Japaner gegen die amerikanischen Beschränkungen aller Beziehungen mit Peking zwingt sie, selbständiger zu handeln, ohne das schützende Dach des amerikanisch-japanischen Bündnisses zu gefährden. Die erste Belastungsprobe war der Besuch Gromykos in Tokio Ende Juli.

Man hatte diesen Besuch noch vor geraumer Zeit mit einigen Hoffnungen erwartet, da man wirtschaftlich auf die Möglichkeit einer stärkeren Beteiligung am Aufbau Sibiriens rechnete und politisch eine Tuchfühlung mit der UdSSR suchte. Schon vor Ankunft des sowjetischen Gastes fiel aber das politische Barometer. Und die ersten Gespräche mit Gromyko ergaben, daß das Ergebnis des Besuches nicht einmal den sehr reduzierten Erwartungen entsprechen werde. Daß die Sowjets von der Rückgabe der Kurilen nichts hören wollten, war vorauszusehen gewesen; territoriale Zugeständnisse an Japan könnten auf dem asiatischen Kontinent eine Lawine von Forderungen auslösen.

Das Interesse für diese Rohre wird in Tokio als Antwort auf die Frage genommen, warum Gromyko eigentlich nach Tokio kam. Der antisowjetische Zungenschlag der Sowjets war nicht nur bei den Handelsgesprächen zu erkennen, sondern in jeder Unterhaltung. Hatte das amerikanisch-japanische Bündnis bisher den sowjetischen Wunsch nach engen Beziehungen mit Japan kaum beeinflußt, so erschien es aber beim Besuch Gromykos plötzlich als ein entscheidendes Hindernis. Nach wie vor schienen die Sowjets größten Wert auf eine Freundschaft mit Japan zu legen, als eine Art Traverse über Rotchina; beim Besuch Gromykos zeigte es sich aber, daß eine Lockerung der japanisch-amerikanischen Verzahnung die notwendige Voraussetzung wäre. Natürlich fragte man sich in Tokio, was die Veränderung der sowjetischen Haltung verursacht haben könnte. Man fand in den letzten Tagen des Aufenthaltes Gromykos, als die sowjetischen Gäste direkter und klarer wurden, die Antwort: Vietnam.

Ein Fehler der Sowjets

Sprachen die Sowjets in Tokio über Vietnam, so war deutlich die Erkenntnis herauszulesen, daß Moskau in der Vergangenheit Fehler gemacht habe und noch deutlicher die Sicherheit, die Fehler in Zukunft überwinden zu können. Als Fehler sehen die Sowjets, daß sie sich in der Vergangenheit mit einer Art Status quo der politischen Einflußgeographie Asiens zufriedengegeben hatten. Die Einflußbereiche Pekings und Washingtons waren ihnen eine Zeitlang als politische Tatsachen erschienen, die radikal und in absehbarer Zeit kaum zu verändern waren. Die Folge war, daß der Vietnamkrieg die Sowjetunion in Gefahr brachte, mehr oder weniger willenlos in den Sog der Ereignisse gezogen zu werden. Nun scheint Moskau aber entschlossen zu sein, diese Situation gründlich zu verändern und bei den Wurzeln anzupacken.

Vietnam war den Sowjets ein Alarmzeichen .gewesen, und Vietnam ist auch der entscheidende Einsatzpunkt der sowjetischen Energienentfaltung in Asien. Aus den Gesprächen mit sowjetischen Diplomaten und Journalisten in Tokio war zu erkennen, daß sie erwarten, Vietnam werde die Wende der Einflußgeographie in Asien herbeiführen und letzten Endes die Schlüsselpositionen der asiatischen Politik in die Hände der sowjetischen Kommunisten legen ; Gewichtsverlagerungen in Hanoi sind, nach sowjetischen Erwartungen, das beschleunigende Moment dieses Prozesses.

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