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Slowenien gegen Belgrad

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Marschall Tito stattete Slowenien anläßlich der Agramer Herbstmesse einen kurzen Besuch ab, wobei auffiel, daß ihm ein recht kühler Empfang zuteil wurde. Sloweniens Ministerpräsident Stane Kavčic konnte den Marschall „krankheitshalber” nicht nach Brdo begleiten, wo sich Tito bei seinen Besuchen in Slowenien aufzuhalten pflegt. Marschall Tito war zusammen mit dem ZK-Mitglied Popit gekommen, einem Slowenen, dem man eine steile Parteikarriere voraussagt. Sloweniens Ministerpräsident scheint Tito eine allzu eigenwillige Politik zu betreiben, was Tito während der letzten Tagung des Exekutivbüros der KP Jugoslawiens bereits zu der Frage veranlaßt haben soll, was Slowenien eigentlich wünsche, einen Anschluß an Österreich oder gar an Italien?

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Marschall Tito stattete Slowenien anläßlich der Agramer Herbstmesse einen kurzen Besuch ab, wobei auffiel, daß ihm ein recht kühler Empfang zuteil wurde. Sloweniens Ministerpräsident Stane Kavčic konnte den Marschall „krankheitshalber” nicht nach Brdo begleiten, wo sich Tito bei seinen Besuchen in Slowenien aufzuhalten pflegt. Marschall Tito war zusammen mit dem ZK-Mitglied Popit gekommen, einem Slowenen, dem man eine steile Parteikarriere voraussagt. Sloweniens Ministerpräsident scheint Tito eine allzu eigenwillige Politik zu betreiben, was Tito während der letzten Tagung des Exekutivbüros der KP Jugoslawiens bereits zu der Frage veranlaßt haben soll, was Slowenien eigentlich wünsche, einen Anschluß an Österreich oder gar an Italien?

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Das politische Leben in Slowenien ist augenblicklich von dem Bemühen gekennzeichnet, in den lokalen KP- Organisationen die Funktionäre über die Konsequenzen zu informieren, die sich für die KP Sloweniens dadurch ergeben werden, daß sie die slowenische Regierung im Straßenbaukonflikt Laibach-Belgrad unterstützte, während die oberste KP- Spitze Jugoslawiens auf Brioni die Haltung Sloweniens scharf verurteilte.

Zum Konflikt zwischen Slowenien -und Belgrad ist es gekommen, nachdem die Bundesregierung die Entscheidung getroffen hatte, die geplante Autobahn durch Slowenien nicht in das jugoslawische Straßenbauprogramm einzubeziehen. Der DolL rkredit der Weltbank von 30 Millionen sollte anders aufgeteilt werden. Auf Grund dieser Entscheidung in Belgrad haben sich die Spannungen zwischen Slowenien und der jugoslawischen Zentralregierung so verschärft, daß der j ugoslawische Ministerpräsident Mitja Ribičič gezwungen war, seinen Urlaub zu unterbrechen. Die Enttäuschung über die Entscheidung in Belgrad war in Slowenien auch deshalb so groß, weil die Bundesregierung unter dem OflįJj dės tafRK fa-j gierungschefs, des Kroaten Spiljak, am 27. Dezember 1968 beschlossen hat, auch die beiden Teilstücke der Autobahn Spielfeld—Gorizia (Hoče— Levee und Postojna—Razdrto) in das Straßenbauprogramm aufzunehmen. Man war auf Grund dieses Beschlusses in Slowenien überzeugt, daß die Realisierung des geplanten Projektes nicht gefährdet sei. Dies um so mehr, als Ministerpräsident Spiljak nach dem IX. Kongreß der Kommunistischen Partei Jugoslawiens durch den Slowenen Mitja Ribičič abgelöst wurde.

Politik der Nadelstiche

Die wirtschaftliche Zurücksetzung Sloweniens gegenüber Belgrad ist groß. Der slowenische Flughafen Brnik bei Laibach wird von der jugoslawischen Fluggesellschaft JAT in Belgrad nicht nur boykottiert, sondern man hat es bisher auch verstanden, bei der Bundesregierung zu verhindern, daß das slowenische Flugunternehmen „Adria-Aviopro- met” eigene Flugstrecken eröffnete. Gerade in den letzten Tagen ist dieser Konflikt neu entbrannt. Es ist bekannt, mit welchen Schwierigkeiten die Allgemeine Schiffahrt in Piran zu kämpfen hat.

Slowenien konnte in diesem Konflikt darauf hinweisen, daß im Vorjahr 96,5 Prozent der nach Jugoslawien eingereisten 12,41 Millionen Touristenfahrzeuge Sloweniens Grenzübergänge passierten. Aber auch der slowenische Motorisierungsstand selbst ist ein Argument für bevorzugten Bau von Straßen und vor allem Autobahnen. Während in ganz Jugoslawien erst ein Pkw auf 72 Personen kommt, besitzt in Slowenien bereits jeder 18. Einwohner einen eigenen Wagen.

Angst vor dem „Reichen Norden”?

In den schwächer entwickelten Teilrepubliken, deren Straßenbauten nun die Mittel der Weltbankanleihe zugute kommen sollen, kam es zu heftigen Reaktionen gegenüber Slowenien. Obwohl Ministerpräsident Ribičič in einer Rundfunk- und Fernsehansprache den Beschluß der Bundesregierung für einstimmig und endgültig erklärte, befürchtete man in Serbien und Mazedonien, die massiven Proteste aus dem Norden könnten vielleicht doch noch eine Umorientierung herbeiführen.

Das Exekutivkomitee der KP Jugoslawiens trat tatsächlich auf der Insel Brioni unter dem Vorsitz von Marschall Tito zusammen und rief die slowenischen Genossen zur Ordnung. Es wurden ihnen als Trost versprochen, ihre Sträßenbau- wünsche würden im Rahmen der nächsten Weltbankanleihe, also voraussichtlich 1971, berücksichtigt. Die Auseinandersetzung hat den tra- iditionSiS’aa.iRiß zwischen’ dem. jugoslawischen .Norden ipd,;dem„ &len wieder einmal- deutlich sichtbar gemacht. Das Wirtschaftsgefälle zwischen Slowenien und Mazedonien ist heute nur noch mit dem etwa zwischen Norditalien und Sizilien zu vergleichen, was nicht gerade zur Verminderung der Spannungen beiträgt. Sie durch Parteibeschlüsse hin- wegzudr’ -etieren, hat sich wieder einmal als ein zweifelhaftes Unterfangen erwiesen.

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