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Schwere Geburt des „neuen Jugoslawien"

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Ein Ende blutiger Konflikte im zerfallenen Jugoslawien ist nicht abzusehen. In Bosnien-Herzegowina votierte die moslemische und kroatische Bevölkerung gegen den massiven Widerstand der serbischen Ein-Drittel Bevölkerung für die Unabhängigkeit. Serben-Führer Slobodan Milosevic zeichnet inzwischen die Grenzen des neuen Rest-Jugoslawien.

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Ein Ende blutiger Konflikte im zerfallenen Jugoslawien ist nicht abzusehen. In Bosnien-Herzegowina votierte die moslemische und kroatische Bevölkerung gegen den massiven Widerstand der serbischen Ein-Drittel Bevölkerung für die Unabhängigkeit. Serben-Führer Slobodan Milosevic zeichnet inzwischen die Grenzen des neuen Rest-Jugoslawien.

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Im „Jugoslawien"-Konflikt wird man sich neue Namen merken müssen: sie stehen gleichzeitig für die zunehmende politische Verwirrung, die mit einem Machtverlust des Serbenführers Slobodan Milosevic einhergeht. In der selbsternannten serbischen Republik Krajina, auf kroatischem Gebiet, wurde der radikale „Präsident" Milan Babic durch den Führer der ostslawonischen Serben Goran Hadzic ersetzt. Gleichzeitig wurde auch eine neue Regierung in der Region Krajina gebildet, die von Babic jedoch abgelehnt wird.

Im Post-Referendum Bosnien-Herzegowina gewinnt im serbischen Teil - die frühere jugoslawische Teilrepublik ist allerdings ethnisch gemischt wie das Fell eines Leoparden - Radovan Karadzic mit seinem von Gewalt bestimmten Radikalismus die Oberhand. Er drohte noch vor dem Referendum bei einem Treffen mit Vertretern des kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman in Graz, das Land anzünden zu wollen. Bosniens Präsident Izetbegovic entsprach jedoch dem Wunsch des Westens und ließ sich trotz Terrordrohung von der Durchführung des Referendums, an dem sich rund 57 Prozent der 3,1 Millionen Stimmberechtigten beteiligten, nicht abhalten. Ob allerdings der vom bosnischen Außenminister Silajdiz als Sieg für die Unabhängigkeit verkündete Wahlausgang nicht doch ein Pyrrhus-Sieg ist, wird sich erst herausstellen. Bosniens Hauptstadt Sarajewo gleicht einem Pulverfaß. Radikale Serben haben Straßen-Barrikaden errichtet, bei Schießereien gab es bereits Todesopfer.

Serbiens Präsident Milosevic zeichnet unterdessen Pläne für ein neues Rest-Jugoslawien unter Einschluß Montenegros, das sich bei einem Referendum am Sonntag für dieses „neue Jugoslawien" entschieden hatte; zwei Drittel stimmten für einen neuen Staat mit Serbien, die Wahlbeteiligung lag bei etwa 65 Prozent.

Am Montag berieten serbische Spitzenpolitiker aus allen Teilen des zerbrochenen Jugoslawien in Belgrad über Milosevic Vorstellungen vom neuen Staat. Anders als für Bosnien-Herzegowina kann sich Milosevic für Serbien keine Regionalisierung oder Kantonisierung vorstellen. Der Präsident Serbiens will zwar den Minderheiten - Albanern im Kosovo, Magyaren in der Vojvodina - Rechte gewähren, Autonomie lehnte er jedoch strikt ab. Von Beobachtern wird jetzt dringend die Entsendung von UNO-Truppen nach Bosnien-Herzegowina gefordert, um einer drohenden Gewalt-Eruption vorzubeugen. Manche setzen auch auf eine rasche völkerrechtliche Anerkennung dieser Republik. Viele glauben aber, der rechte Zeitpunkt dafür sei von der Staatengemeinschaft wie im Falle Kroatiens schon längst versäumt worden.

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