Nachschub für Den Haag verlangt

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Am Ostersonntag läuft das Ultimatum an Jugoslawien ab, zahlreiche Ex-Politiker an das Gericht in Den Haag auszuliefern.

Bis Juni haben die Parlamente von Montenegro, Serbien und Jugoslawien Zeit, den kürzlich geschlossenen Vertrag zu ratifizieren, dem zufolge aus der Bundesrepublik Jugoslawien ein Zusammenschluss der nahezu unabhängigen Staaten Serbien und Montenegro werden soll. Nur mehr wenige Tage läuft hingegen ein anderes Ultimatum an die Bundesrepublik Jugoslawien. Der kommende Sonntag, 31. März, ist hierfür das entscheidend Datum. Ein Lostag, wie man gewöhnlich sagt. Dass es der Ostersonntag ist, hat weder mit dem christlichen Glauben noch mit der Orthodoxie etwas zu tun.

Bis zu diesem Stichtag sollen die Regierungen in Belgrad, die jugoslawische wie die serbische, die vom Kriegsverbrechertribunal in Den Haag gesuchten Politiker und Militärs ausliefern, die der Gerichtshof der Kriegsverbrechen und der Verbrechen gegen die Menschlichkeit beschuldigt. Oder es sollen die beiden Regierungen zumindest formell erklären, dass sie zur Zusammenarbeit mit dem Gerichtshof bereit sind. Sonst beabsichtigt Washington, Kongress und Administration, die finanziellen Hilfen für den Wiederaufbau in Serbien und Montenegro auszusetzen und in den internationalen Finanzgremien gegen die Zuteilung weiterer Mittel für diese Zwecke zu stimmen. Das würde unter anderem die Überweisung von bereits bewilligten 40 Millionen Dollar amerikanischer Hilfe und die stufenweise Realisierung des neuen Abkommens zwischen der Bundesrepublik Jugoslawien und dem Internationalen Währungsfond in Höhe von 800 Millionen Dollar blockieren.

Bis fünf Tage vor dem ominösen Datum hat Belgrad weder einen der vom Gerichtshof in Den Haag hochrangigen Beschuldigten ausgeliefert, noch haben die jeweiligen Parlamente Gesetze oder Erklärungen über eine Zusammenarbeit mit dem Haager Gerichtshof verabschiedet. Der Präsident der Bundesrepublik Jugoslawien Vojislav KoÇstunica macht jedoch die Auslieferung der Gesuchten von einem solchen Gesetz abhängig. Gleichzeitig weiß er aber, dass sein Parlament einem Gesetz, das eine Auslieferung möglich machen würde, niemals zustimmen werde.

Djindji´c ohne Skrupel

Den serbischen Regierungschef Zoran Djindji´c, der entgegen dem Willen KoÇstunicas im vergangenen Sommer den früheren Präsidenten Slobodan MiloÇsevi´c - ohne das Parlament zu fragen - an Den Haag ausgeliefert hat, plagen da geringere Skrupel. Zwar kann auch er bei der gegenwärtigen politischen Krise in Serbien ein solches Gesetz in seinem Parlament nicht verabschieden lassen, er wäre aber offensichtlich noch einmal bereit, auf Basis der Anerkennung des Statuts des Haager Gerichtshofes eine Auslieferung in die Wege zu leiten. Djindji´c müsste allerdings sehr vorsichtig vorgehen, denn einige der Gesuchten genießen den Schutz wichtiger Belgrader Instanzen. Belgrads Schwierigkeiten haben sich auch dadurch erhöht, dass Chefanklägerin Carla del Ponte bei ihrem Besuch Mitte März in Washington die uneingeschränkte Unterstützung seitens der amerikanischen Regierung erhielt.

Aber wer soll denn aus der Bundesrepublik Jugoslawien und Serbien eigentlich nach Den Haag ausgeliefert werden? Zunächst einmal die wegen der serbischen Kriegsführung in Bosnien-Herzegowina gesuchten KaradÇzi´c und Mladi´c, also Präsident und militärischer Befehlshaber der Republika Srpska in den Jahren des Krieges. KaradÇzi´c versteckt sich in dem unwegsamen Grenzgebiet zwischen Ost-Bosnien und Montenegro, wo alle Versuche des internationalen Sfor-Militärs, ihn zu verhaften, bisher gescheitert sind. Carla del Ponte hat denn auch gemeint, die internationalen Gemeinschaften sollten ein Polizei-Sonderkommando mit erfahrenen Zivilfahndern bilden, um KaradÇzi´c endlich zu schnappen. Die Haager Chefanklägerin erklärte außerdem, General Mladi´c befinde sich in Serbien und werde dort vom Militär geschützt. Sie scheint dafür stichhaltige Beweise zu haben, und KoÇstunica und Djindji´c werden nicht mehr lange behaupten können, sie wüssten nicht, wo sich Mladi´c aufhalte.

Ungeliebte Republik

Auf der Liste der serbischen Politiker und Militärs, deren Auslieferung Den Haag verlangt, stehen aber noch weitere ehemals prominente Persönlichkeiten: der frühere jugoslawische stellvertretende Ministerpräsident Nikola Sajnovi´c und sein Kollege, der Ex-Innenminister Vlajko Stojilkovi´c - beides politische Handlanger MiloÇsevi´cs während der Kriege. Ferner der ehemalige Generalstabschef General Dragoljub Ojdani´c. Schliesslich die "Vukovar-Trojka", drei hohe Militärs, die für die Massaker an Zivilisten in der kroatischen Stadt Vukovar verantwortlich gemacht werden.

Gewiss, die Bundesrepublik Jugoslawien ist nur mehr ein Staat auf Abruf. Aber noch existiert die ungeliebte Bundesrepublik und es existieren ihre politischen Führungen. Und diese müssen bis zum Ostersonntag Farbe bekennen: Ob sie mit der internationalen Gemeinschaft zusammen arbeiten oder in politischer und wirtschaftlicher Isolation verharren wollen?

Der Autor ist freier Publizist und Balkan-Experte.

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