Serbien: Ein Prozess beginnt

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Um Mafiabossen habhaft zu werden, geht man genauso vor. Nicht die schweren Delikte bringen die schweren Jungs vor den Richter. Meistens sind es Lappalien, die der Justiz den ersten Zugriff auf den Paten ermöglichen. Aber ist er erst einmal geschnappt, dann kann auch an die Anklage für alle anderen Scheußlichkeiten gedacht werden.

Slobodan Milosevic' auf einen Mafiaboss zu reduzieren, wird der Rolle, die der frühere jugoslawische Präsident 15 Jahre lang auf dem Balkan gespielt hat, zweifellos nicht gerecht. Trotzdem, der eine Vergleich sei gestattet: Auch diesen Paten des nationalen Wahnsinns in Serbien, diesen Kriegsherrn und maßgeblich Mitverantwortlichen für Dreihunderttausend Tote und Millionen Flüchtlinge auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens liefert der läppische Vorwurf der Korruption und des Amtsmissbrauchs der Justiz aus.

In dieser Anklage eine Verhöhnung der Opfer des Despoten zu sehen, wäre jedoch ein vorschneller Schluss und würde der komplizierten Causa Milosevic' nicht gerecht.

Denn national ist die Verhaftung Milosevic's mit einem anschließenden Prozess in der Heimat der kleins-te gemeinsame Nenner, auf den sich die Belgrader Führung momentan einigen konnte. Wobei die Kluft zwischen Präsident Vojislav Kostunica, der Milosevic's Auslieferung ablehnt und diese Forderungen als Angriff auf die Rechtssouveränität Jugoslawiens wertet, und dem serbischen Premier Zoran Djindji'c, der den ungeliebten Ex-Diktator nur zu gerne gegen die finanziellen Wohltaten des Westens eintauschen würde, auch die Meinungsunterschiede in der Bevölkerung symbolisiert.

Gespalten sind die Serben in jene, die völlig zurecht nur in einer Auslieferung der Hauptverantwortlichen für dieses Katastrophenjahrzehnt auf dem Balkan die Chance für einen post-nationalistischen Neubeginn sehen und jene, bei denen die nationalistische Propaganda des Regimes noch nachwirkt und die sich nach wie vor als die eigentlichen Opfer des Westens und der Nato sehen. Einig scheinen beide Gruppen sich aber darin zu sein, noch nicht wahrhaben zu wollen, dass mit Milosevic' auch sie vor dem Richter stehen. Dabei wäre dieser Prozess der wichtigste. Und ganz sicher muss er im Land selbst passieren und kann nicht nach Den Haag ausgelagert werden.

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