Kannte Djindjic seinen Mörder?

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Dem ermordeten serbischen Ministerpräsidenten wird nachgesagt, im Jahr 2000 ein Zweckbündnis mit der Mafia eingegangen zu sein.

Der serbische Premier Zoran Djindji´c wurde am helllichten Tag vor seinem Amtssitz in Belgrad ermordet. Normalerweise werden Regierungsgebäude strengstens abgesichert und bewacht. Die Schlampigkeit der Polizei überrascht umso mehr, als es schon vor Wochen rumorte, ein Anschlag auf den 51-jährigen Serbenpremier könnte unmittelbar bevorstehen. Die Polizei beschuldigt nun Miodrag Lukovi´c ,,Legija", den Chef des Mafia-Clans von Zemun, Djindji´c ermordet zu haben.

Miodrag Ulemek, wie Miodrag Lukovi´c früher hieß, ein Absolvent der Musikschule in Neu-Belgrad und angeblicher Ex-Fremdenlegionär, wird jetzt gejagt. Doch die Wahrscheinlichkeit, dass er gefasst wird, ist gering. Im Nachkriegsserbien gibt es zwischen Mafia und der Polizei keine klare Grenze.

Andererseits, enthüllte der Mordanschlag einen bisher wenig bekannten Aspekt: Djindji´c soll seinen mutmaßlichen Attentäter, Miodrag Lukovi´c gekannt haben. Als Slobodan Milosevi´c am 5.Oktober 2000 die Parlamentswahlen verlor, soll er den Mafiaboss Legija, der damals gleichzeitig auch die serbische Sonderpolizei, die "Roten Berets" befehligt hatte, mit der Ermordung von Djindji´c und anderen Spitzenleuten des Oppositionsbündnisses DOS beauftragt haben. Doch Legija lehnte ab und wechselte die Seite. Seine Leute hatten das Regierungsviertel abgesichert und der Wahlsieger Djindji´c konnte damals praktisch mit Hilfe von bewaffneten Mafiamitgliedern, die gleichzeitig auch Angehörige der "Roten Berets" waren, ins Parlament einziehen. Ohne ihre Hilfe hätte er damals gegen Milosevi´c keine Chance gehabt. Im Gegenzug hat der neue Premier Legija dessen "Rote Berets" Gräueltaten in den Balkankriegen begangen hatten, zumindest geduldet. Wurde Djindji´c nun zum Opfer des Tigers, den er ritt?

Gut unterrichtete Kreise berichten, Djindji´c und Legija sollen sich etliche Male getroffen haben. Djindji´c Stellvertreter Cedomir Jovanovi´c, der übrigens Milosevi´c in seiner Villa auf Dedinje zur endgültigen Aufgabe überredet hatte, soll regelmäßig mit Legija auf die Jagd gegangen sein. Djindji´c war anfangs nur zögerlich gegen die Mafia-Clans vorgegangen, weil er sich den Großteil des von der Mafia durchsetzten serbischen Establishments nicht zum Feind machen wollte. Er schloss nicht nur Kompromisse mit ihnen, sondern benötigte, zumindest am Anfang, auch die Unterstützung der Bandenchefs. Aber er hat dabei niemals sein Ziel, das Land von der Mafia zu säubern und Serbien an Europa heranzuführen, aus den Augen verloren.

So war Legija auch in der Djindji´c-Ära weiterhin Chef der Spezialpolizei geblieben, bis er in Kula im betrunkenen Zustand, eine Diskothek angezündet hat. Dann musste ihn die Regierung feuern.

Als das Haager Tribunal vor kurzem die Auslieferung von Legija und einigen anderen "Roten Berets" verlangte, fühlte sich der europaorientierte Reformer Djindji´c verpflichtet, dem Antrag Folge zu leisten. Doch anstatt sofort zu handeln, zögerte er. Das wurde ihm zum Verhängnis. Angeblich wollte er die Konstituierung des neuen Staates Serbien-Montenegro abwarten und dann mit Hilfe eines neuen, ihm ergebenen Verteidigungsministers und mit Hilfe der Armee, zum großen Schlag gegen die Mafia ausholen.

Jetzt ist der große Reformer tot, der Staat bewegt sich am Rande des Chaos. Aber das Schlimmste ist, dass die Bandenchefs weiter großen Einfluss im Polizeiapparat haben. Alexander Orssich/Zagreb

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