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Krieg der Ideologien

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Folgt dem Scheitern der EG-Mission in Jugoslawien der „totale Krieg" am Balkan, wie Kroatiens Präsident Franjo Tudjman warnte? Kroatien hofft jetzt auf internationale Anerkennung. Deutschland will diese Frage beim EG-Außenministertreffen in Den Haag prüfen lassen.

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Folgt dem Scheitern der EG-Mission in Jugoslawien der „totale Krieg" am Balkan, wie Kroatiens Präsident Franjo Tudjman warnte? Kroatien hofft jetzt auf internationale Anerkennung. Deutschland will diese Frage beim EG-Außenministertreffen in Den Haag prüfen lassen.

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Von etwa dreißigtausend kroatischen Flüchtlingen berichtete der kroatische Franziskanerprovinzial, Pater Mirko Matausic, der FURCHE, für die die Kirche in Kroatien momentan nur wenig unternehme. Auf lokaler Ebene, so Matausic, geschehe hingegen sehr viel, desgleichen habe sich die Caritas des inneren Flüchtlingsproblems angenommen. Rechne man die Zahl der serbischen Flüchtlinge in Richtung Süden hinzu, dann habe man schon die Marke von insgesamt 50.000 erreicht. -

Hinsichtlich der Serbenflüchtlinge merkt Matausic an, daß diese immer dann aus den gemischt besiedelten Dörfern weggingen, wenn ein Angriff der serbischen Tschetniks erfolge. Man müsse daher annehmen, daß die Serben von ihren Brüdern vorgewamt würden. Für die Kroaten sei dies immer ein Warnsignal.

Matausic kritisiert die serbische Propaganda, die in diesem Zusammenhang von „Flüchtlingen vor dem staatlichen Terror Kroatiens" spricht. Die Frage, ob Zagreb nicht vielleicht doch zu nationalistisch agiert und damit bei den Serben auf eigenem Gebiet schreckliche historische Reminiszenzen an den auch von katholischen Kräften mitgetragenen und ausgeführten Ustascha-Terror erweckt habe, verneint Matausic nicht gänzlich. Kroatien habe vielleicht doch zu spät an eine Selbstverwaltung oder Autonomie der serbisch besiedelten Gebiete in Kroatien gedacht.

Matausic, kirchlicher Medienfachmann in Zagreb und enger Mitarbeiter von Kardinal Franjo Kuharic, hofft nach dem Scheitern der EG-Verhandlungen in Jugoslawien auf eine Anerkennung Kroatiens durch europäische Staaten, „damit wir endlich auf legalem Weg Waffen beschaffen können". Tudjman, so Matausic, müsse nach wie vor sehr vorsichtig sein und auf Verhandlungen setzen, denn Kroatien habe noch vor den demokratischen Wahlen die Waffen abgegeben. Derzeit - vermutet Matausic -gebe es einen regen illegalen Waffenhandel, weil Zagreb seine Polizei und seine Nationalarmee zur Selbstverteidigung ausrüsten müsse.

Präsident Tudjman selbst erklärte am Montag dieser Woche, daß „wir unser Volk zu den Waffen rufen werden, ohne Rücksicht auf die Zahl der Opfer, wenn Kroatiens Unabhängigkeit nicht sichergestellt werden kann". Bloß gegenwärtig sei dies „unverantwortlich", weil das kroatische Volk unbewaffnet sei. Matausic' beklagt die Passivität der kroatischen Gesellschaft, auch der Kirche. Man erwarte internationale Hilfe und lasse sich bis sie kommt abschlachten. Die Kirche stehe auch vor dem Dilemma, einerseits nicht zum Krieg aufrufen zu können, andererseits auch nicht verlangen zu dürfen, sich von den Serben hinmorden zu lassen.

Wie sehr das Verhältnis zwischen Serben und Kroaten von der jüngsten

Geschichte geprägt ist, zeigt ein Zwischenfall mit dem Bischof von Sibe-nik, Srecko Badurina, dieserTage auf dem Weg nach Knin. Bischof Badu-rinas Wagen wurde von Tschetniks angehalten und nachdem die serbischen Freischärler den Bischof erkannt hatten, meinten sie, dies sei „der zweite Stepinac, den wir ohnehin bald umbringen werden". Alojzi-je Stepinac war jener Erzbischof von Zagreb, dem von den Kommunisten vorgeworfen wurde, den faschistischen Ustascha-Staat der Kroaten abgesegnet und den Terror der Faschisten gegen Serben mitgetragen zu haben.

In diesem Zusammenhang betont Matausic, daß die Serben meinten, die Kroaten gäbe es nur, weil sie Katholiken seien, „sonst, glauben sie, wären wir sowieso Serben". Hauptursache des blutigen Konflikts ist nach dem Franziskanerpater nicht sosehr der Nationalismus, sondern die „unterschiedliche Ideologie".

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