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Sieg der Barbarei
Der Vance-Owen-Plan für Bosnien ist tot. Darüber herrscht Einigkeit bei den Amerikanern, Engländern und Franzosen. Vorher waren sie einig in der Illusion, diese Konstruktion einer Kantonisierung Bosniens und der Herzegowina sei verwirklichbar.
Niemand spricht mehr davon, daß Grenzen nicht anerkannt werden könnten, die durch militärische Gewalt verändert worden seien. Nein, man müsse mit der Zeit gehen, verkündet Lord Owen, der EG-Vermittler. Mit der Zeit gehen, das heißt: Serben und Kroaten teilen sich einen Mitgliedsstaat der UNO, nachdem Serbien den größten Teil dieses Landes okkupiert hat. Weil die Kroaten ein großes Gebiet ihres neuen Staates an Serbien verloren haben, versuchen sie nun einerseits Gebietsgewinne auf Kosten der Muselmanen zu erzielen und andererseits erwägen sie eine Rückeroberung serbisch besetzten Territoriums.
Die eigentlichen Bosnier, die Muselmanen, werden weder von nationalistischen Serben noch von nationalistischen Kroaten als eigenes Volk anerkannt. Daß sie im Land die relative Mehrheit haben, stört niemanden. Dieser Teilungsplan war offensichtlich schon am 6. Mai des Vorjahres in Graz ausgehandelt worden: Bei einem Geheimtreffen im VIP-Saal des Grazer Flughafens hatten sich die Führer der Serben und Kroaten Bosniens zu einem fünfstündigen Gespräch - ohne
Moslems - zusammengesetzt.
Die Moslems in Bosnien müssen froh sein, wenn ihnen noch eine kleine Enklave als Lebensraum zugestanden wird. In ihrer Verzweiflung drohen sie jetzt mit einem Gasangriff auf Europa. Zu dem wird es wahrscheinlich nicht kommen, aber allein diese irrationale Ankündigung zeigt, was uns in Europa bevorsteht: Friedfertige, nicht sonderlich fromme Mohammedaner werden radikali-siert und Fundamentalisten in die Arme getrieben. Nicht zu unrecht wird von einer „palästinensischen Situation” am Rande von Mitteleuropa gesprochen.
Nicht der Krieg, die Aggression sei das eigentlich Schlimme, hat der israelische Autor Arnos Oz polemisch überspitzt den Pazifisten ins Stammbuch geschrieben. Opfer der Aggression waren zuerst die Kroaten. Und die serbische Aggression war die Initialzündung für einen bestialischen Krieg mitten in Europa, dem die Welt mit Superratlosigkeit gegenübersteht, den die UNO mit Superratlosigkeit beobachtet und dem Europa mit Superratlosigkeit begegnet. So formulierte es der einstige polnische Ministerpräsident Mazowiecki bei der Menschenrechtskonferenz in Wien. Und er fügte noch hinzu: „Und das ist eine Schande.”
Europa wird für diesen Sieg der Barbarei, den es zugelassen hat, noch einen hohen Preis bezahlen müssen.
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