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Serben haben der Welt eine wichtige Lektion erteilt
Täuschung und Realität sind im internationalen Handling des Bosnien-Kriegs eine untrennbare Verbindung eingegangen. Die kommentierende Berichterstattung täuscht sich und ihre Konsumenten mit wirklichkeitsfernen Szenarien. Die hohe Diplomatie weist Pseudoerfolge vor, indem Prinzipien den tatsächlichen Gegebenheiten angepaßt werden. Die wenigen Politgrößen, die noch an Prinzipien festhalten, täuschen sich über deren vermeintlich universale Gültigkeit.
Die einzigen, die nie täuschen, die mit ihren Taten ständig der Welt ihre grausame Fratze zeigen, sind die großserbischen Droher, Vergewaltiger, Kämpfer, Heckenschützen und im Hintergrund agierenden serbischen Generäle und Politiker. Trotz - oder gerade wegen - unverhohlener Drohungen, zuletzt Radovan Karadzic gegenüber den USA, kauft die hohe Diplomatie der serbischen Seite nur allzu gern Beteuerungen des Friedenswillens ab. Ist es nicht lächerlich, wie schon seit
Wochen die EG- und UNO-Unterhändler Owen und Vance dem Erfolg verbal nachlaufen, indem sie ihre Hoffnung auf eine Unterschrift der Serbenseite auf einen Fetzen Papier setzen?
Wir wissen seit fast zwei Jahren - bei genauerem Rückblick eigentlich schon viel länger, seit Slobodan Milosevic mit dem Mythos vom „Genozid an den Serben” und der daher gebotenen legitimen „Verteidigung” Politik zu machen begonnen hat - was „die” Serben wollen.
Die Front der Prinzipienreiter ist jedoch allzu schnell auseinandergebrochen: nach Hans-Dietrich Genscher fand sich kein deutscher Politiker mehr bereit, das Menschenrecht in Europa einzufordern. Frankreich und Großbritannien weisen es weit von sich, einen Finger für Bosnien zu rühren. Blieb wirklich der Außenminister des kleinen Österreich auf weiter Flur übrig, der wie Don Quichote noch gegen Windmühlen anrennt, wenn er - unbeirrt konsequent - der Welt drastisch vor Augen hält, daß ein UNO-Mit-gliedstaat, ein KSZE-Partner vor aller Augen, ja mit Zustimmung aller aufgegeben wird?
Selbst dem bislang zögernden UNO-Generalsekretär Boutros-Boutros Ghali platzte jetzt der Kragen: Aber auch er hat sich getäuscht. Der Zeitpunkt, zu dem man den Serben hätte sagen müssen und können: keinen Schritt weiter, ist längst verpaßt. Die USA - mittlerweile verbal gar nicht so schlecht in der Beurteilung der Menschenverhöhnung in Bosnien - wollen, wenn Europa sich nicht einmal zu einer echten Durchsetzung des Embargos gegen Serbien (so jetzt die EG-Außenminister in Brüssel) durchringen kann, keinen Soldaten für andere Interessen (selbst wenn es Interessen „der Menschheit” sind) opfern.
Täuschen wir uns nicht: In Bosnien-Herzegowina hat sich die Gewalttätigkeit durchgesetzt. Österreich wird gut daran tun, diese Erkenntnis - auch wenn für uns keine unmittelbare Bedrohung in Europa besteht - in seine sicherheitspolitischen Überlegungen einzube-ziehen. Die Serben waren die einzigen, die die Welt nicht getäuscht haben. Sie haben uns aber eine wichtige Lektion erteilt.
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