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Hilfreiche Friedensboten

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Stellen wir uns einmal folgende Szene vor: In Genf finden Gespräche zur Befriedung des Irak statt. Neben Schiiten- und Kurdenvertretern erscheint „der Teufel” höchstpersönlich. Saddam Hussein schreitet lächelnd auf die Westvermittler zu, diese schütteln ihm begeistert die Hand.

Nein, weiter lassen wir es nicht einmal im Gedankenspiel kommen. Für ein Lächeln Saddams setzen wir nicht unsere Prinzipien aufs Spiel. Niemand nahm das von Iraks Regierung am Wochenende in Siegerpose verbreitete Angebot zu einem „Friedensabkommen” auch nur einen Augenblick lang ernst. Gilt es doch Standfestigkeit gegenüber Kriegshetzern, Aggressoren, Usurpatoren und Menschenrechtsverachtern zu demonstrieren. Bis hierher und nicht weiter. Dem „zweiten Hitler”, der „im Jahr danach” auslotet, wie weit er gehen kann, wird eine Feuerwand aufgestellt.

Schalten wir jetzt unser Denken aus und achten wir auf die realen Bilder aus Genf: Mit Begeisterung wird das Auftreten des serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic kommentiert, der Verhandlungssprecher Eckhard sieht ihn geradezu als „hilfreichen” Friedensboten. Bosniens Serbenkommandant Radovan Karadzic macht sich über die Franzosen lustig. Außenminister Roland Dumas' unüberlegte Überlegungen, Gefangenenlager in Bosnien militärisch zu knacken, kosteten Karadzic ein verschlagenes Dankeslächeln: der Franzose könne doch nur die serbischen Kriegsgefangenen gemeint haben.

Milosevic, Karadzic und im Belgrader Hintergrund Tschetnik-Führer Vojislav Seselj - vom US-Magazin „Time” als Kriegsverbrecher bezeichnet, eine Qualifizierung, der auch US-Außenminister Lawrence Eagleburger zuzustimmen nicht abgeneigt schien -treten nach Erreichung aller militärischen Ziele als die großzügigen Friedensboten auf.

Während in Sarajewo und im übrigen Bosnien-Herzegowina Tausende sterben - erschossen, verhungert, erfroren - hofft ein UNO-Generalsekretär Boutros Boutros-Ghali in Deutschland noch auf eine politische Lösung in Genf, lamentiert über zu viele Herausforderungen der Weltdebattierorganisation, tröstet ein Vermittler Cyrus Vance die leidenden Bosnier mit der Aufrechnung, anderswo gehe es Menschen noch schlechter.

Zur Standfestigkeitsdemonstration halten wir uns weiterhin Saddam. Mit Milosevic und Karadzic verhandeln wir den Frieden, der währenddessen zu Tode geschossen wird.

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