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Die „böse Gewalt” gehört mit Gewalt gestoppt

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Versöhnung ist in Bosnien erst möglich, wenn man die „böse Gewalt” mit Gewalt stoppt.

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Versöhnung ist in Bosnien erst möglich, wenn man die „böse Gewalt” mit Gewalt stoppt.

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Der dies sagt, Zeljko Ivankovic, Kroate, ist Direktor der staatlichen bosnisch-herzegowini-schen Presseagentur BH-Press, Franziskaner-Schüler, Literat und Vizepräsident des bosnischen PEN-Clubs. Der 41jährige, vergangene Woche bei einem von der UNO-Wien veranstalteten Symposion über „Selbstbestimmung, Autonomie und Unabhängigkeit” Mitdenker und -redner, läßt in seinen Aussagen einmal mehr erkennen, wie enttäuscht die Bosnier von der sogenannten westlichen Wertegemeinschaft sind. Bei dieser Konferenz, so Jovankovic gegenüber der furche, habe sich gezeigt, daß die Serben wesentlich anders denken als alle anderen (es waren Intellektuelle, Universitätsprofessoren und Angehörige von oppositionellen Parteien aus ExJugoslawien und aus Ländern am Gespräch beteiligt, in denen es mit Autonomie von Minderheiten positive Erfahrungen gibt). Serben, so der Eindruck Ivankovics, denken, daß das, was andere reden, sie nicht betrifft. Das Selbstlob von serbischen Gesprächsteilnehmern sei unerträglich gewesen: Man habe in Serbien einen hohen Stand der Demokratie erreicht, gab sich ein serbischer Intellektueller überzeugt. Ein Kosovo-Albaner habe dazu nur lakonisch gemeint, unter schlimmsten Bedingungen zu leben wäre ihm lieber, nur nicht in dieser „serbischen Demokratie”.

Zu den jüngsten Erkenntnissen, daß sich die bosnischen Moslems verstärkt Freunde im Osten suchen (Furche 3/1994), meinte

Ivankovic: „Die Moslems wandten sich ständig an Europa, die Wiege der Demokratie; Europa half nicht. Was bleibt ihnen anderes übrig, als nach jedem Strohhalm zu greifen, der sich ihnen bietet.” Und dieser sei nun einmal die bedeutende politische und wirtschaftliche Macht der 50 islamischen Länder, die Bosnien ökonomisch und politisch helfen könnten. Allerdings, wenn sie wirklich helfen wollten, hätten sie dies schon längst mächtig unter Beweis stellen können. Heute sind sich Kroaten und Moslems bewußt, daß sie einzig in Deutschland und Österreich noch Freunde haben. Aber auch von diesen Ländern läßt die so wichtige politisch-moralische Unterstützung immer mehr nach. Auch auf den Papst zählen die bosnischen Moslems, der ihnen - so Ivankovic - mehr geholfen hat, als islamische Staaten, das sei ihnen auch bewußt. „Wenn sich die Bosniaken fundamen-talisieren lassen, dann trägt Europa daran die Schuld.”

Harte Worte findet er für die UNPBOFOR, die ihre Aufgabe in Kroatien nicht erfüllt habe. Ein neues Mandat sei nötig. In Rosnien brauche man sie noch der Schutzzonen wegen, die - umzingelt von Serben - dem Tode preisgegeben wären, sollten die ÜNO-Truppen abziehen. Der bosnisch-kroatische Intellektuelle verweist jedoch darauf, daß sich die UNPROFOR-Truppen ganz bequem im Lande eingerichtet hätten: Bei einem Verdienst von 10.000 bis 15.000 Dollar monatlich bestehe bei vielen gar kein Interesse an einer Befriedung der Situation; zu Hause, das gelte vor allem für russische Bataillone, sei die Situation bedeutend schlechter. Momentan funktioniert der Autohandel via russische UNO-Soldaten besonders gut. Da man im Lande ohnehin kein Auto brauche, verkauften immer mehr Bosnier ihren fahrbaren Untersatz: um etwa 100 DM pro Auto oder für zehn Liter Kognac.

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