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Digital In Arbeit

Uber Bord geworfen

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Herr und Frau X. sind Flüchtlinge aus Bosnien in Österreich. Herr X. ist orthodoxer Serbe, Frau X. ist katholische Kroatin. Herr X. hat in seiner bosnischen Heimat 15 Jahre lang als Ingenieur in einer kroatischen Firma gearbeitet. Er hat nach seiner Flucht in der Zentrale dieser Firma in Zagreb um eine Bestätigung seiner Arbeitszeit angesucht, die er für seinen Pensionsanspruch braucht und als Dokument, um in Österreich in der gleichen Branche Arbeit suchen zu können. Er hat trotz mehrfachen Nachfragen nie eine Antwort erhalten. Herr X. hat in Österreich Arbeit gesucht in einer Firma, die sich wiederholt außerordentlich hilfreich gezeigt hat gegenüber Flüchtlingen aus Bosnien - Moslems und Kroaten. Herrn X. sagte man gar nichts. Indirekt aber wurde ihm zur Kenntnis gebracht, „für einen bosnischen Serben haben wir keine Arbeit”.

Kommentar: Zehntausende Serben im „bosnisch” verbliebenen Teil Bosnien-Herzegowinas kämpfen gegen die Serben Karadzics -und um ihre Identität in diesem außen und innen bedrohten Torso eines international anerkannten Staates. Woher nehmen „wir” Österreicher uns das Becht, kollektive Schuldweisung zu praktizieren? Warum ist es in Österreich nicht eine Selbstverständlichkeit a) den Flüchtling primär als solchen zu sehen, und b) den Krieg zu verurteilen und entsprechend jeden, der sich an dem Krieg nicht beteiligen will, primär als „Freund” zu sehen?

„Wie reagiert ein elfjähriges Kind aus Kosovo auf dieses unwürdige Leben, bloß geduldet zu sein bis sich ein Dreh findet, es endlich loszuwerden?” Unter-diesem Titel hat ein Sozialarbeiter seine Erfahrungen mit einem albanischen Kind geschildert:

Bekannte Geschichte. Negativer Asylbescheid, gefolgt von „technischen Problem” mit der Abschiebung. Also bleiben die Leute hier, geduldet, weil es momentan nicht anders geht, ohne Papiere, ohne Status, ohne Perspektive, dafür in ständiger Angst und Unsicherheit... Dardan (Name des Kindes) hat in der Schule das typische Albaner-Image. Er ist ein Schläger. „Wir sagen es ja schon die ganze Zeit, die Kosovo-Albaner haben einfach einen Hang zur Gewalt”, kommentieren die Eltern der Mitschüler ... Als Ältester spielt Dardan für seine Eltern den” Übersetzer, wie das viele Ausländerkinder tun. Plötzlich, eines Abends, bricht es aus ihm heraus. „Warum geben sie uns Deutschunterricht, warum lassen sie uns in die Schule gehen, und wir dürfen trotzdem nicht bleiben? Wie sollen wir Dardan erklären, daß bei uns „das Boot voll” ist, und er früher oder später, sobald es „technisch” geht, über Borr/geworfen wird?” ...

Kommentar: Dieser Dardan lebt nicht in Österreich. Für jedes albanische Kind aus dem Kosovo aber, dessen Eltern vor Terror und Vertreibung in einem europäischen Land Zuflucht gesucht haben, stellen sich die gleichen Fragen.

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