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Unmenschliche Züge des Krieges

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Gefangen in einem versperrten Zug: Kaum dem Grauen des Krieges entronnen, mußten 2.000 Flüchtlinge hilflos und zusammengepfercht auf engstem Raum aiv der slowenisch-kroatischen Grenze ausharren. Das Martyrium geht weiter.

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Gefangen in einem versperrten Zug: Kaum dem Grauen des Krieges entronnen, mußten 2.000 Flüchtlinge hilflos und zusammengepfercht auf engstem Raum aiv der slowenisch-kroatischen Grenze ausharren. Das Martyrium geht weiter.

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„Es ist die Hölle hier!" Die Menschen von Gorazde, seit Monaten von serbischen Truppen eingeschlossen, sind verzweifelt. Ebenso die 40.000 Menschen von BrcTco, die - genauso wie die Bewohner von Bihac, Jajce, Bugonjo, Kotor Varos - ständig unter Granatfeuer genommen werden. Bosnien-Herzegowina ist nicht nur Sarajewo!

Das tägliche Überleben allein wird zur Qual. Ein Ei kostet in Sarajewo bereits umgerechnet 150 Schilling.

Nach Angaben der bosnischen Regierung werden 58.000 Menschen - hauptsächlich Moslems und Kroaten - in 42 serbischen Konzentrationslagern in Bosnien, Montenegro und Serbien festgehalten. 90 Prozent, heißt es, sind Frauen, Kinder und alte Menschen. Dabei auch Persönlichkeiten aus Politik, Kirche und Kultur. Ein Prozent der Insassen sind Soldaten der bosnischen Armee.

Treffen der Kirchenführer.

Der Moslem-Führer des ehemaligen Jugoslawien, Reis-ul-ulema Hadzi Jakub Selimoski, spricht von 100.000 Inhaftieren. 20.000 Kinder seien bereits in den Lagern umgekommen.

Im Herbst soll es ein Treffen zwischen Kardinal Franjo Kuharic und Selimoski geben, zu dem der Patriarch der serbisch-orthodoxen Kirche, Pavle, geladen hatte.

Die katholische Kirche verlangt, daß zu dem Treffen - das vermutlich im ungarischen Pees abgehalten wird -auch Bischöfe aus Bosnien-Herzegowina kommen, besonders Franjo Komarica aus Banja Luka. Der Bischof steht vermutlich unter Hausarrest, wenn nicht sogar Schlimmeres passiert ist. Der Kontakt zu ihm ist vor zwei Wochen abgerissen.

Moslem-Führer Selimoski hegt aber Zweifel an diesem Treffen, das seiner Ansicht nach leicht für propagandistische Zwecke mißbraucht werden könnte. Denn, so Selimoski: „Es ist bekannt, daß serbisch-orthodoxe Priester sich aktiv an der ,ethni sehen Säuberung' Bosnien-Herzegowinas beteiligen. Pavle hat sich davon noch nicht distanziert!"

850.000 auf der Flucht

Offiziellen Angaben zufolge hat der Krieg in Bosnien-Herzegowina bis jetzt 50.000 Menschen das Leben gekostet, 200.000 sind verwundet, 20.000 werden vermißt, 850.000 auf der Flucht.

Mehr als 40 katholische Gemeinden sind zerstört, 200 Moscheen ebenso, 400 verwüstet, zwölf Imame (religiöse Führer) wurden ermordet, 20 wurden inhaftiert, 25 gelten als vermißt. 300 wurden vertrieben. 90 von 109 Bezirken Bosnien-Herzegowinas wurden bis jetzt attackiert.

Sarajewo hat bis jetzt rund 250.000 Schüsse von Bomben, Granaten und so weiter abbekommen.

Vergangene Woche bereiste eine Delegation der amerikanischen Bischofskonferenz Kroatien; darunter auch Slavonski Brod, die kroatische Grenzstadt zu Bosnien-Herzegowina. Die Bischöfe berichteten von Tausenden Flüchtlingen, die nach Kroatien wollen. Sie beklagten sich bitter über die Desinformation der EG-Beobachter, die nirgendwo Flüchtlinge gesehen haben wollen.

Kroatien braucht dringend Hilfe. Allein 100 Millionen Dollar pro Monat wären notwendig, um die rund 700.000 Flüchtlinge halbwegs zu versorgen. Die Regierung Kroatiens gibt derzeit Berichten zufolge rund 62 Millionen Dollar monatlich aus. Das sind bereits 20 Prozent des Gesamt-Budgets!

Nur kurzfristige Hoffnung geben die 500.000 US-Dollar der amerikanischen Bischöfe und die 1.000 Lkw-Züge der Aktion „Nachbar in Not".

Sie sind trotzdem nur ein Tropfen auf einen heißen Stein.

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