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Wo sich Geschichte wiederholt

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In Bosnien sind die Regierungstruppen im Vormarsch; die bisher sieggewohnten Serben müssen erobertes Gebiet räumen. Schulter an Schulter mit den Moslems kämpfen Kroaten, „Bosniaken“ wie diese und jene, verbunden nun im gemeinsamen Haß, nachdem sie erst vor wenigen Monaten noch aufeinander geschossen haben.

Geschichte wiederholt sich nicht? Hier in Bosnien offenbar doch. Sind nicht die Moslems von heute die Nachfahren jener Bogu- milen, die im Mittelalter wegen ihrer abweichenden Religions-ausübung von Katholiken wie Orthodoxen bekämpft wurden und bei den okkupierenden Türken Zuflucht suchten, unter diesen zur Oberschicht wurden, gegen die sich später die Unabhängigkeits-bewegungen richtetetn?

Kämpften nicht nach 1878 serbische Komitadschi gegen die österreichischen Okkupanten, während gleichzeitig Vertreter aller drei Volksgruppen die Erfolge der k.u.k. Verwaltung durchaus zu werten wußten? Kämpften nicht bosnische Feldjäger als Elitetrup- >e der k.u.k. Armee gegen die Bussen und antworteten auf die 7rage nach ihrer Nationalität „Ja sem Srb“ - ich bin Serbe? Und ihre Veteranen träumten noch in den siebziger Jahren „War ich Soldat unter Franz Joseph!“

Und 20 Jahre später exzedierte der großkroatische Nationalismus im Gegenzug zum geschlagenen großserbischen gerade in Bosnien in unbeschreiblichen Greueln, kämpften aber auch kroatische Ustaschi und serbische Tschetnici, getrennt, aber im gemeinsamen Haß, gegen Titos Kommunisten, bei denen sich Männer und Frauen aller jugoslawischen Völker sammelten.

Kann ein Erfolg der Regierungstruppen Bosnien dem Frieden eher näher bringen als es die bisherigen kraftlosen Vermittlungsaktionen vermochten? Die Teilung des Landes, nach welchem der vielen Pläne immer, kann keine Hoffnung bringen, da es trotz „ethnischer Säuberungen“ unmöglich ist, das Land zwischen den Völkern, ohne Verbleiben von Minderheiten, zu teilen.

In der osmanischen, in der österreichischen wie in der titoi- stischen Epoche lebten Katholiken, Orthodoxe und Moslems, Kroaten, Serben und „Türken“ in relativer Gemeinsamkeit, in relativer Distanz gegenüber Konstantinopel, Wien, Belgrad. Die inneren Differenzen waren überbrückbar. Solange sie von außen aufgeschaukelt werden, bleibt wenig Hoffnung auf eine friedliche Lösung, auf eine Beendigung des Krieges. Und selbst wenn diese käme — der Haß wird noch über Generationen nachwirken.

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