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Der Untergang der Donauschwaben

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Der Krieg in Bosnien ist vorläufig zu Ende, der Haß der bisher gegeneinander Kämpfenden schwelt weiter. Vor 50 Jahren war es noch grauenhafter.

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Der Krieg in Bosnien ist vorläufig zu Ende, der Haß der bisher gegeneinander Kämpfenden schwelt weiter. Vor 50 Jahren war es noch grauenhafter.

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Flüchtlingszüge aus dem dem Gegner überantworteten Gebiet - auch noch nach dem Friedensvertrag; Massengräber Ermordeter, die erst jetzt von den IFOR-Truppen entdeckt werden; Zwangsarbeit, zu der zurückgebliebene Zivilisten von örtlichen Kommandanten herangezogen werden. Aber auch: die Auslieferung zweier hoher Offiziere an das Internationale Tribunal, das ihre Beteiligung an Kriegsverbrechen untersuchen und gegebenenfalls ahnden soll. Bosnien 1996.

Jugoslawien 1944-1946 - damals wurden keine Kriegsverbrecher festgestellt. Damals ging's auch nur gegen die, die für Hitlers Krieg auf dem Balkan mitverantwortlich gemacht wurden - kroatische Ustaschi, slowenische Domobranzen, serbische Tsch-etniks - und die Volksdeutschen im Banat, in der Bacska, in Syrmien.

In der Volkszählung von 1931 bekannten sich rund 500.000 Bewohner des Königreichs Jugoslawien zur deutschen Muttersprache. Die größten Siedlungen der Donauschwaben lagen im Banat mit 120.000, in der Bacska mit 173.000, in Kroatien-Slawonien mit 80.000 Menschen.

Als diese Gebiete mit den Friedensschlüssen von Karlowitz (Srem-ski Karlovci, 1699) und Passarowitz (Pozarevac, 1718) von den geschlagenen Osmanen zu den Habsburger-Kaisern wechselten, verödet, verwildert] menschenleer, versprach die Kaiserliche Regierung Siedlungswilliger) aus allen Ländern des Reichs großzügige finanzielle Förderung. Unter Karl VI., Maria Theresia und Josef II. zogen deutsche Handwerker und Bauern an die untere Donau, mit ihnen Serben, Kroaten, Madjaren, die aus den Kriegsgebieten geflohen waren. Das durchwegs agrarische Banat, eine der Kornkammern der Monarchie und im Süden als Militärgrenze bis ins 19. Jahrhundert Vorposten gegen die Osmanen, wurde durch die Friedensverträge von 1919aufRumä-nien und den SHS-Staat (Jugoslawien) aufgeteilt. Ein Rest im Norden blieb bei Ungarn. Spannungen zwischen dem neuen Staatsvolk der Serben und der deutschen Minderheit gab es schon in der Zwischenkriegszeit, als die Regierung in Relgrad ehemalige Deserteure der k. u. k. Armee auf den beschlagnahmten Großgütern der madjarischen Adligen ansiedelte.

Druck erzeugt Gegendruck. In einer Vielzahl von Vereinen und Organisationen bemühten sich die „Donauschwaben" - damals entstand diese Bezeichnung *-, ihre kulturelle und wirtschaftliche Eigenständigkeit zu wahren. Eine „Deutsche Partei im Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen" errang 1923 acht Mandate im Parlament in Belgrad - und wurde 1929 mit der Einführung der Königdiktatur wie andere nationale Parteien verboten.

Anfang der dreißiger Jahre gab es auch unter den Donauschwaben Konflikte in der Volksgruppenführung: eine Gruppe jüngerer, in Deutschland und Österreich ausgebildeter Akademiker sah in der Volksgruppe einen „Vorposten des Deutschtums" im Südosten und stieß damit auf den Widerstand der älteren Generation wie der Kirchen. Dann kam der Krieg.

Unter dem Eindruck der militärischen Erfolge Deutschlands in Polen und Frankreich war die jugoslawische Regierung Cvetkovic im Frühjahr 1941 dem Dreimächte-Pakt beigetreten. Sie wurde durch einen Putsch des Fliegergenerals Simovic gestürzt. Am 5. April befahl Hitler den Überfall, zwei Wochen später kapitulierte das Königreich, als sich Kroatien für unabhängig erklärte. Deutschland, Italien, Ungarn und Bulgarien teilten den Rest unter sich auf.

Das veränderte auch radikal die Position der Volksdeutschen in den Siedlungsgebieten. Ihr Vereinswesen paßte sich den Formen der NS-Organisa-tionen an. Um sich gegen Deserteure und Marodeure aus der zerfallenen Armee zu schützen, bildeten sich Bürgerwehren.

Als im Winter 1941/42 auch im Banat die ersten Überfälle von Tito-Partisanen stattfanden, wollte die Volksgruppenführung ein Heimat-Schutzregiment „Prinz Eugen" aufstellen. Berlin verfügte dagegen die Gründung der „SS-Freiwilligen-Gebirgsdivision Prinz Eugen", die im Partisanenkampf eingesetzt werden sollte. Von „Freiwilligkeit" war bald keine Rede mehr. Die Donauschwaben im wehrfähigen Alter wurden vorwiegend zur Waffen-SS eingezogen.

Titos Strategie war bewußt darauf gerichtet, durch Überfälle auf deutsche Offiziere und Soldaten, auf Eisenbahnen und Munitionsdepots die - weit überzogenen - Vergeltungsmaßnahmen der Besatzungsmacht zu provozieren, um damit den Haß der Bevölkerung gegen die Deutschen zu steigern und die Menschen zu den Partisanen „in den Wald" zu treiben.

Titopartisanen und königstreue Tschetniks kämpften gegeneinander mit ebensolcher Verbissenheit, wie gegen die Deutschen. Aber beide proklamierten bereits im Untergrund des Widerstands, daß in einem künftigen Jugoslawien kein Platz für Minderheiten sei und vor allem die Deutschen „eliminiert" werden sollten.

Milovan Djilas, Titos Mitkämpfer und späterer Kritiker, zitiert dessen Ausspruch: „Es war besser, ein für alle Mal Schluß zu machen!"

Hitler hatte in den ersten Jahren des Kriegs geplant, alle Deutschen aus den Streusiedlungsgebieten abzuziehen, um sie im eroberten Osten anzusiedeln. Später nahm er die Donauschwaben davon aus, mit der Vorstellung, hier einen Südostwall des Reiches etablieren zu können.

Als sich die Kriegslage nach der Kapitulation Rumäniens im Sommer 1944 radikal verschlechterte, gab es zwar noch Rettungsaktionen für die Deutschen in Syrmien und der Bacska. Der Abtransport aus dem Banat blieb jedoch im wesentlichen auf Kinder beschränkt.

Zwischen Oktober und Anfang November 1944 konnten 200.000 Donauschwaben vor allem aus der Bacska, aus Syrmien und der Wojwodina flüchten, 25.000 waren schon vorher evakuiert worden. 195.000 - davon 90.000 im Westbanat - blieben unter der Herrschaft der Partisanen zurück. Racheaktionen, „Liquidationen" von „Volksfeinden", Internierung in Lagern und Deportation in die Sowjetunion forderten rund 60.000 Todesopfer, etwa 30 Prozent der zurückgebliebenen Volksdeutschen. Genozid auf dem Balkan.

Haß und Rachsucht nach den erlittenen Verfolgungen trafen sich mit dem großserbischen Nationalismus, der bestrebt war, „seine" Gebiete ethnisch zu „säubern". Die von den Kommunisten angepeilte Kollektivierung der Landwirtschaft brauchte den Boden der Donauschwaben. Der Terror gegen die Deutschen sollte auch andere Minderheiten von ihrem Widerstand gegen die kommunistische Gesellschaftsordnung abschrecken. Und die im Krieg bewährten Partisanen konnten mit fremdem Eigentum belohnt werden. Wie Stalin in Rußland nach dem Bürgerkrieg, im Baltikum nach dem Hitler-Stalin-Pakt vor allem die bürgerliche Führungsschicht, die „Intelligent-sia", ausrotten ließ, so richtete sich die Rache der Tito-Partisanen besonders gegen die Volksgruppenführung. In Werschetz (Vrsac), Groß-Betschkerek (Zrenjanin), Pant-schowa (Pancova), Kikinda und anderen Orten entstanden Erschießungslager, in denen Männer selektiert und ermordet wurden. Die übrigen Bewohner wurden in Lagern interniert.

Ein Beispiel für viele: Filipovo in der Bacska. Hier waren am 20. Oktober 1944 die Partisanen eingerückt. Am 25. November sollten sich alle Männer zwischen 16 und 60 vor dem Gemeindehaus einfinden. Von den 350 wurden 240 aussortiert und außerhalb des Dorfes zusammengeschossen.

Deutsche Historiker, die die Vertreibung der Donauschwaben erforschten, sind der Meinung, daß spezielle Exekutionseinheiten der Partisanen von Ort zu Ort zogen, um ihre Sonderaufträge in Gruppenerschießungen auszuführen. Auf die überlebenden Nichtarbeitsfähigen -Alte über 60, Kranke, Kinder bis zu 14 Jahren, Mütter mit Kleinkindern -warteten die Gebietskonzentrationslager wie Molidorf (Molin), wo zwischen September 1945 und April 1947 von 7.000 Insassen 3.000 an Krankheiten und Hunger starben.

Das größte Lager für die Jugoslawiendeutschen war Rudolfsgnad (Knicanin) an der Mündung der Theiß in die Donau. Von 33.000 Personen, die zwischen Oktober 1944 und März 1948 durch das Lager gingen, sind 11.000 gestorben.

Im Mai 1946 waren von 18.000 Insassen dieses Lagers 46 Prozent Kinder unter 14 Jahren. Die Väter waren im Krieg gefallen oder in Gefangenschaft, die Mütter zwangsverschickt, die Großmütter, die sich lange um die Enkel gekümmert hatten, verhungert. Ein Großteil dieser Kinder wurde zur Adoption an serbische Familien freigegeben.

Schon um Weihnachten 1944 forderte die Sowjetregierung vom (damals noch befreundeten) Jugoslawien die „Lieferung" von 15.000 Volksdeutschen Arbeitskräften zur Wiedergutmachung in den Kriegsgebieten an. 13.000 Donauschwaben, Frauen zwischen 18 und 40, Männer von 16 bis 45 Jahren, arbeiteten teilweise bis 1949 in den Kohlegruben des Donezbeckens, in Kolchosen und Fabriken. Rund 2.000 von ihnen kehrten nicht mehr heim. Wer den Hunger im Lager überlebte, wer aus den sowjetischen Bergwerken heimkehren konnte, wurde in den späten vierziger Jahren nach Deutschland abgeschoben.

Der Best der SS-Division Prinz Eugen - rund 5.000 Mann - war schon nach seiner Auslieferung durch die Engländer an die Titopartisanen gemeinsam mit 95.000 Ustascha-An-gehörigen, Domobranzen und Bacs-ka-Ungarn der Rachejustiz zum Opfer gefallen.

Milovan Djilas zitiert Titos Ausspruch von Ende 1945: „Nun reicht es aber - mit dem Töten. Die Todesstrafe hat keine Wirkung mehr ..."

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