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Rückblick im Grauen

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Das serbokroatische Original heißt „revolutionarni rat“ - der Revolutionskrieg -, der Titel der amerikanischen Ausgabe „wartime“ - Kriegszeit. Die deutsche Übersetzung entspricht mit dem Titel „Der Krieg der Partisanen“, mehr noch mit der Kapitelüberschrift „Der Bürgerkrieg im Krieg“, besser dem Thema, einem Kampf, der zu einem der blutigsten des Zweiten Weltkriegs wurde. Für die Partisanen Titos galt der Kampf vom ersten Tag an ebenso sehr der Bekämpfung der deutschen und italienischen Okkupanten wie der Begründung des kommunistischen Regimes, der Ausrottung aller Klassenfeinde.

37 Jähre nach dem Beginn dieses Zweifrontenkriegs, 23 Jahre nach seinem Ausschluß aus allen Parteiämtern, zieht Milovan Djilas Bilanz. Der einstige Weggefährte Titos und Parteichef im heimatlichen Montenegro blickt zurück auf die Jahre, da er selbst

an der Spitze von Partei- und Armeeeinheiten stand, selbst mitverantwortlich für all das, was geschah - ein Rückblick mit Grauen.

In diesem Zweifrontenkrieg tritt über weite Abschnitte der Kampf gegen Italiener und Deutsche hinter jenen gegen Cetnici und Ustasnici - die in der Ubersetzung stets unschön als Tschetniks und Ustaschas „verdeutscht“ werden - zurück, gegen jene Kampfeinheiten der königstreuen, antikommunistischen Serben und der faschistischen Milizen des unabhängigen Staates Kroatien, die zeitweise mit den Deutschen, dann auch gegen diese ' kämpften;! immer gegerEdiefEito-Farti-sanen, und einander; auch gegenseitig abschlachteten, wenn sie aufeinandertrafen.

Das gegenseitige Abschlachten - katholische Kroaten gegen orthodoxe Serben und beide gegen muslimische „Türken“ - war überhaupt das Hauptkriterium dieses Kriegs, in dem sich die Kommunisten vor allem am Ende an die „bewährte Tradition“ anschlössen. Bis endlich Tito selbst befahl: „Nun reicht es mit diesen Todesurteilen und mit dem Töten!“ Das war bereits Ende 1945. (Aber heute noch wird die „Berechtigung“ dieser Vernichtung der „Klassen- und Staatsfeinde“ vertreten.)

Djilas hat sich schon früh von diesen Geschehnissen distanziert, aber er bleibt Marxist, Dialektiker. Bis in die Diktion hinein. Die Cetnici „ermorden“ ihre Gegner, die Partisanen erschießen sie. Er wirft Ljotic und seiner Bewegung „Zbor“ vor, „das Wesen und das Schicksal ihrer Nation der faschistischen Ideologie“ unterzuordnen - und stellt zehn Seiten weiter durchaus im positiven Sinn fest, daß Kommunisten Menschen seien, „die niemals von einer Sache, sei es auch die nationale Freiheit, angezogen werden, welche ihnen keine Aussicht auf eine gesonderte, revolutionäre ideologische Gemeinschaft bietet“. Er wirft den Cetnici Verrat an der nationalen Tradition Serbiens vor - gibt aber auf der nächsten Seite zu: „In einer geteilten Nation ist eben nur jener ein Verräter, der die .eigene' Sache verrät. Böses Blut und .Schuldige' für einen Bruderkrieg gibt es unermeßlich viel mehr, als für einen Krieg zwischen Staaten“.

„Blutrünstig waren die Ideen, blutrünstig waren die Verhältnisse und das gewaltsame Einspannen von Menschen für dogmatische .klassenbedingte' oder .nationale' Ziele“, analysiert Djilas für das Frühjahr 1942. Liegt es daran, daß bei ihm die Deutsche Wehrmacht besser wegkommt als die .Verräter' aus dem eigenen Volk? Denn hier in Bosnien und Serbien führten Kampfdivisionen der Wehrmacht den Krieg. Keine SS- oder Parteifunktionäre wie an der Ostfront und in deren Hinterland. Und so widmet Djilas den aus Griechenland durch

Bosnien im Frühjahr 1945 zurückflutenden deutschen Einheiten objektiv anerkennendes Gedächtnis: „Ganz offensichtlich hätte die deutsche Armee auch ohne Massaker und Gaskammern Krieg führen können, und dies weit erfolgreicher.“

Ein Tagebüch kann immer nur Ausschnitte aus dem Gesamtgeschehen bringen - so auch Djilas nur das, was er selbst erlebt hat oder was er nachträglich ergänzt. Die Zeiten, die er in der Zentrale verbracht hat, fallen,aus der Schilderung des kriegsgeschichtlichen Geschehens heraus. Anderseits verwirren die vielen unbekannten Namen den Leser, der sich nur einen Gesamtüberblick erwartet. Die schonungslose Schilderung, die auch vor Selbstkritik nicht zurückschreckt, macht das Buch trotzdem zu einem notwendigen Werk.

DER KRIEG DER PARTISANEN. Jugoslawien 1941-1945. Von Milovan Djilas. Verlag Molden, Wien 1978, 590 Seiten, öS 278,-.

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