6913452-1981_17_08.jpg
Digital In Arbeit

Tito - der rote Monarch

Werbung
Werbung
Werbung

1944, als sich der jugoslawische Partisanenführer Joship Broz, genannt Tito, nach einem Vorstoß der deutschen Besatzungstruppen auf die adria- tische Insel Vis zurückziehen mußte, traf er dort mit einer zwei-köpfigen britischen Mission zusammen; sie bestand aus Randolph Churchill, dem Sohn des britischen Premiers, und Hauptmann Evelyn Waugh, einem exzentrischen Offizier - zufällig auch der wohl größte englische satirische Phantast seit Jonathan Swift.

Tito war trotz aller widrigen äußeren Umstände schon dabei, eine Nachkriegsregierung aufzubauen. Deshalb apch war er den britischen Absichten gegenüber voller Mißtrauen, umgab die Mission aus London mit einem Netz von Spionen.

Hauptmann Waugh seinerseits sah in dem Partisanenführer eigentlich nicht mehr als einen hinterlistigen Banditen des Balkans. Und als er erkannte, daß die Pläne Titos und seiner Mannen letztendlich darauf hinausliefen, Jugoslawien zu bolschewisieren, schlug diese Geringschätzung durch den katholischen Literaten in offene Feindschaft um.

Aber schon zuvor hatte der Satiriker zugeschlagen: „Tito - eine Lesbierin“, schrieb er in sein Tagebuch und sich der vielen Spione um ihn herum bewußt, bezog er sich auf Tito stets als eine „Sie“.

Auf einer späteren Zusammenkunft fragte Tito seinen Dolmetscher: „Warum glaubt Hauptmann Waugh eigentlich, ich sei eine Frau?“ Waugh gab keine Antwort. Vielleicht ein treffender Witz, der - ebensowenig wie gute Musik - mit Worten allein nicht zu erklären ist . . .

Wahrscheinlich findet der nüchterne Milovan Djilas die phantastischen Einfälle des Evelyn Waugh so wenig erheiternd wie ehedem Tito. Dennoch ist sich Djilas der grotesken, selbstgefälligen Züge der Person Tito nicht weniger bewußt: In seiner kritischen Tito-Biographie beschreibt er dessen „Auto- mythomanie“ und übertriebene Eitelkeit jedenfalls in aller Länge.

Als Titos luxuriöser Stil amerikanische Journalisten dazu verleitete, eine gewisse Ähnlichkeit mit lateinamerikanischen Diktatoren herauszustreichen, machte Djilas seinem Chef deswegen schwerste Vorwürfe.

Djilas neuestes Werk ist keine Biographie im eigentlichen Sinne. Besser wäre es wohl betitelt: „Betrachtungen über die Macht und solche, die Macht ausüben“.

Das Buch ist Teil der Auseinandersetzung zwischen Tito und dem Autor, die beinahe drei Jahrzehnte hindurch andauerte. Obwohl der Bruch zwischen den beiden Männern auf ideologische Mei nungsverschiedenheiten zurückgeführt wird, dürften wohl auch noch andere Gründe wesentlich mitgespielt haben: ganz gewiß auch persönliche Spannungen zwischen den beiden, die aus kulturellen und regionalen Faktoren resultierten.

Djilas, 1911 geboren, stammte aus einer montenegrinischen Bauern-Fami- lie. Schon als Student wurde er Kommunist. Seine literarischen und theoretischen Interessen in dieser Zeit wurden zur Grundlage für seinen späteren Aufstieg zu einem führenden Parteiideologen des Bundes jugoslawischer Kommunisten.

1937 traf er seinen späteren Gegenspieler zum ersten Mal, als Tito im Gefolge der Moskauer Säuberungen die Führung der jugoslawischen Kommunisten übernahm (in seinem Buch spekuliert Djilas über Titos Rolle während dieser Säuberungen und kommt zum Schluß, daß er mitwirkte - wenn auch npr passiv).

Von diesem ersten Treffen bis 1954 arbeiteten Tito und Djilas eng zusammen - in einem außergewöhnlichen Abenteuer, das Verfolgung, Krieg, Rebellion, Bürgerkrieg und die Errichtung des Nachkriegsregimes umfaßte. Und Djilas war Titos wesentliche Stütze während dessen traumatischen-Bruches mit Stalin 1948.

Aber dann begann Djilas, zuvor der fanatischere Kommunist als Tito selbst, seine Ideen plurąlistischeren Grundsätzen entlang zu entwickeln: was für Titos Absolutismus genauso wie für das Einparteiensystem und die Ideologie, auf der es basierte, zusehends zu einer Herausforderung werden mußte.

Djilas wurde denn auch seiner Ämter enthoben und schließlich aus der Partei ausgeschlossen. Seit damals verbrachte er alles in allem neun Jahre im Gefängnis.

Von seiner Kritik an Stalin ging Dji-. las schnell auch zur Kritik des Marxismus-Leninismus selbst über. In seinem Tito-Buch führt er an, daß es „nach Aristoteles und Macchiavelli schwer ist, etwas Neues zum Thema Politik zu sagen“. (Man beachte, welche Namen nicht angeführt sind ...)

Djilas geht auf die Reibereien ein, die seine Beziehungen zu Tito auch schon vor deren Bruch kennzeichneten. Djilas, ein tapferer und nüchterner Mensch mit geradezu puritanistischen Zügen war ein echter Sohn Montenegros, während Tito mit seiner ausgeprägten Vorliebe für Glanz und Show nicht weniger typisch für den Lebensstil der Donaumonarchie war. Instinktiv schuf er um sich herum eine Art Hof, während sich der stolze Montenegrie- ner - stets offen und freimütig - niemals in die Rolle eines Höflings pressen lassen wollte.

Diese Studie zeigt ein Paradoxon auf, das Djilas nicht aufzulösen versucht: Er beteuert, daß Tito sich und seinen autoritären Regierungsstil in einem Maß mit Jugoslawien identifizierte, daß dies sowohl für ihn selbst wie für das Land eine Belastung darstellte. Gleichzeitig gibt Djilas zu, daß die „sowjetischen Ansinnen nur mit den Methoden und mit Gesichtspunkten, die den sowjetischen ähnlich waren, abgewehrt werden konnten“.

Trotz des ungestümen Charakters, der sich auf den Seiten dieses Buches immer wieder niederschlägt, ist Djilas mit dieser Biographie ein bedeutendes Werk gelungen. Sogar ein nicht ganz so perfekter Djilas ist jedenfalls um Klassen höher einzustufen als die Arbeiten vieler seiner Herausforderer.

Diese Biographie ist voll von interessanten Beobachtungen, Schlußfolgerungen und Mutmaßungen. Und wir können voraussetzen, daß dieses Werk nicht das letzte Wort zum Thema ist (falls man Djilas nicht auf irgendeine Weise zum Schweigen bringt). Aber bis sein nächstes Buch da ist, haben wir an dieser Biographie ja noch genug herumzugrübeln ...

TITO. Eine kritische Biographie. Von Milovan Djilas. Verlag Fritz Molden, Wien - München 1980. 240 Seiten, öS 225,-

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung