"Versöhnung - trotz politischer Probleme"

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Serbien in ein geeintes Europa - trotz Kosovokrieg und Milosevi'c-Regime? Zuerst müßte es jedenfalls zu einer Versöhnung der alten Feinde, zwischen Serben und Donauschwaben kommen. Diesem Anliegen ist ein Symposium in Wien gewidmet. Ein Gespräch mitdessen Initiator.

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Serbien in ein geeintes Europa - trotz Kosovokrieg und Milosevi'c-Regime? Zuerst müßte es jedenfalls zu einer Versöhnung der alten Feinde, zwischen Serben und Donauschwaben kommen. Diesem Anliegen ist ein Symposium in Wien gewidmet. Ein Gespräch mitdessen Initiator.

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Die Furche: Sie bemühen sich seit Jahren, eine Aussöhnung zwischen Donauschwaben und Serben zu erreichen. Diesem Ziel ist auch ein Symposium diese Woche in Wien gewidmet. Der Aussöhnung stehen jedoch die "AVNOJ"-Dekrete, die die Entrechtung der Deutschen in Jugoslawien festlegten, im Weg. Wie wollen Sie trotzdem eine Aussöhnung erreichen?

Helmut Frisch: Das Problem muß von der politischen, wie von der menschlichen Seite angegangen werden, jeweils aus serbischer wie aus donauschwäbischer Sicht. Daß die "AVNOJ"-Beschlüsse menschenrechtswidrig und zur Zeit ihrer Dekretierung auch gesetzeswidrig waren, wird heute allgemein anerkannt. Die politische Vertretung der Donauschwaben in Sindelfingen wird daher darauf bestehen müssen, daß die Beschlüsse annulliert und ihre Auswirkungen revidiert werden. Auf der andern Seite basierten die "AVNOJ"-Beschlüsse auf der serbischen Ansicht von der kollektiven Mitschuld der Donauschwaben an den Handlungen der deutschen Besetzung. Von dieser These wird die serbische Führung - zum mindesten in ihrer heutigen Zusammensetzung - nicht abgehen, und damit wäre von Versöhnung auf lange Sicht keine Rede.

Die Furche: Wie wollen Sie trotzdem Ihrem Ziel einer Versöhnung zuarbeiten ?

Frisch: Eben dadurch, daß wir den Dialog auf die zwischenmenschliche Ebene verlegen. Es waren die Serben, die erste Gesten setzten, ohne daß diese bei uns entsprechend gewürdigt worden wären. Deswegen habe ich hier in Wien, die Arbeitsgemeinschaft Dialog (ARDI), ins Leben gerufen, um mit jenen Menschen ins Gespräch zu kommen, die uns gut gesinnt sind.

Die Furche: Welche Gesten waren das auf serbischer Seite?

Frisch: Die Abhaltung von Gedächtnisgottesdiensten auf den Massengräbern der einstigen Vernichtungslager, dann die Aufstellung von Gedenktafeln dort, wo 1944 bis 1948 Zehntausende von Donauschwaben, Alte, Frauen und Kinder, ums Leben gekommen sind. Die Teilnahme vieler Einheimischer hat gezeigt, daß viele Serben mit der rein politischen Argumentation nicht einverstanden sind.

Die Furche: Wie steht es mit der Forderung nach Entschädigung für die Enteignung des gesamten donauschwäbischen Eigentums?

Frisch: In den siebziger Jahren trafen Deutschlands Bundeskanzler Willi Brandt und Jugoslawiens Diktator Tito auf Brioni zusammen. Als dabei Tito Forderungen auf Entschädigung jugoslawischer Zwangsarbeiter während des Zweiten Weltkriegs anmeldete, antwortete Brandt mit dem Hinweis auf die Enteignung der Jugoslawiendeutschen und der schnoddrigen Bemerkung "Die Differenz bezahle ich aus eigener Tasche!" Damit war das Thema vom Tisch, worüber auch jugoslawische Zeitungen berichteten.

Die Furche: Wie steht das heutige Regime zu dieser "Regelung"?

Frisch: Trotz dieser "Einigung" sind noch alle Fragen offen. Ob es einmal von offizieller serbischer Seite ein Bekenntnis der eigenen Schuld geben wird, wie etwa Brandt, Vranitzky, Havel oder Göncz sich jeweils für die Taten ihrer Völker entschuldigt haben, oder nur eine Geste des Bedauerns, weiß ich nicht; noch weniger natürlich, ob es eine Wiedergutmachung des durch die Vertreibung verursachten Schadens geben wird. Auch in Serbien wird derzeit über die Anerkennung kollektiver Verantwortung diskutiert. Aber: Wo nichts ist, hat der Kaiser sein Recht verloren. Viele Donauschwaben sind heute schon der Meinung, große materielle Forderungen zu stellen, müßte nur den Haß verstärken, ohne angesichts der katastrophalen Lage in Serbien etwas zu bringen.

Die Furche: Sie haben vor zwei Jahren mit der Arbeit der ARDI begonnen - welche Organisationen in Serbien sind Ihre Gesprächspartner?

Frisch: Vor allem die "Gesellschaft für serbisch-deutsche Zusammenarbeit", die Professor Zoran Ziletic, emeritierter Germanist an der Universität Belgrad, (Furche 44/1998) schon 1991 ins Leben gerufen hat. Er war 1997 erstmals mit einer Totengedenkfeier im ehemaligen Lager Rudolfsgnad (Knicanin) vor die Öffentlichkeit getreten. Die zweite Gruppe ist das "Banatski Forum" in Pancevo und dessen Dokumentationszentrum für die Donauschwaben der Vojvodina. Sein Direktor, Zlatino Martinow, hat ein Buch über die Ernährungsfragen dieses Raumes herausgegeben.

Die Furche: Gibt es auch noch donauschwäbische Organisationen?

Frisch: Zunächst den "Deutschen Volksverband" in Subotica unter seinem Obmann Rudolf Weiß, der eng mit den erwähnten zusammenarbeitet, dann den "Deutschen Verein Donau-Gemeinschaft der Donauschwaben" in Novisad/Neusatz und schließlich gibt es seit dem Vorjahr in Werschetz/Vrsac eine serbisch-deutsch-österreichische Freundschaftsgesellschaft, die heuer erstmals in Wien auftreten wird.

Die Furche: Wie weit hat der Krieg im Kosovo die Bemühungen nach dem ersten Höhepunkt 1998 unterbrochen, wie weit sind sie weitergegangen.

Frisch: Sie sind nicht unterbrochen, aber sicher behindert worden. Die Knebelung der freien Medien in Jugoslawien hat eine freie Meinungsäußerung sehr erschwert. Starke Angst grassiert, sie wirkt auf unsere Aktivitäten zurück. Vieles wurde nicht ausgesprochen, was hätte ausgesprochen werden müssen. Aber grundsätzlich hat sich an der Zusammenarbeit nichts geändert.

Die Furche: Wie weit gibt es unter serbischen Historikern Ansätze, die eigene Vergangenheit aufzuarbeiten, kritisch zu hinterfragen?

Frisch: Vor längerer Zeit hat es solche gegeben, da wäre Professor Josip Mirnic zu nennen. Ein merkwürdiges Phänomen konnten wir im Herbst 1998 bei der von Wien aus in Vrsac/Werschetz gezeigten Ausstellung über die Geschichte dieses donauschwäbischen Zentrums im südlichen Banat beobachten: Die Jugend ist völlig uninformiert, aber äußerst interessiert, über die Vergangenheit zu hören, was bisher totgeschwiegen wurde. Heute forschen und publizieren etwa Branko Beslin an der Universität Novisad und Zoran Janjetovic an der Universität Belgrad über Themen , die bisher tabu waren - und zwar äußerst objektiv. Es sind die jungen Historiker, die auch an unserm Dialog teilnehmen.

Die Furche: Gibt es nach Ihren bisherigen Kontakten mit serbischen Historikern schon Punkte, über die Sie sich einig sind?

Frisch: Selbst wenn man nur über die Donauschwaben spräche, müßte man auch über die Mentalität der Serben reden, und da müßte man, um sie zu verstehen, viel weiter in die Vergangenheit als nur bis 1941 zurückgreifen. Man kann unsere Vertreibung nicht nur unter dem Aspekt kommunistischen Terrors verstehen. Die Kommunisten hatten ihren Hintergrund, der nicht ohne Kenntnis der serbischen Geschichte seit dem 18. Jahrhundert auszuleuchten ist. Wir sind einige Punkte angegangen. Nun soll versucht werden, vorbereitete Texte zur Diskussion zu stellen.

Die Furche: Sehen Sie bei Ihren serbischen Gesprächspartnern die Bereitschaft, divergierende Standpunkte zu historischen Ereignissen nebeneinander stehen zu lassen, anzuerkennen und trotzdem im Dialog fortzufahren?

Frisch: Ich glaube schon. Die Schwierigkeit liegt meiner Meinung nach darin, daß die serbische Mentalität für Gesprächspartner auf unserer Seite nur schwer zu verstehen ist, nur dann, wenn man auch die vielfachen Facetten der serbischen Geschichte zur Kenntnis nimmt. Nur aus diesem Wissen kann wohl in umstrittenen Punkten Übereinstimmung erzielt werden.

Die Furche: Die große Schwierigkeit, Versöhnung herzustellen, liegt doch wohl darin, daß die Zeitgenossen von ihren Erlebnissen geprägt wurden und über sie nicht hinwegkommen. Wie weit besteht bei Ihnen und Ihren Gesprächspartnern die Bereitschaft, trotz dieser Traumata dem ehemaligen Gegner die Hand zu reichen? Wie weit wird erst ein Generationswechsel den Weg freimachen?

Frisch: Wir haben nicht mehr viel Zeit. Die Erlebnisgeneration stirbt weg. Die Jungen kümmern sich nur mehr marginal um die Thematik. Sie sind nicht mehr in der Lage, substantielle Gespräche zu führen. Leider sind auf beiden Seiten nur Einzelpersonen, die sich darum bemühen. Bei vielen gibt es eine innere Sperre, die sie nicht mitmachen läßt. Aber es gibt auch Menschen, die als Kinder die Vernichtungslager überlebt haben und jetzt aktiv bei uns mitmachen, um gemeinsam mit den Serben Gedenktafeln aufzustellen.

Das Gespräch führte Felix Gamillscheg ZUR PERSON Dem Vernichtungslager nur knapp entkommen Der Wiener Architekt Helmut Frisch, Jahrgang 1929, wurde in Werschetz im jugoslawischen Banat geboren und entkam dem Vernichtungslager im einzigen Schülertransport. Sein Vater, letzter deutscher Bürgermeister von Werschetz, wurde wenige Tage später von den Tito-Partisanen ermordet. Frisch begann - nach Studium in Passau und Wien - sein architektonisches Werk mit dem Totenmal der Donauschwaben in der Kirche am Kaasgraben und beendete es mit dem Konzept des Hauses der Heimat in der Wiener Steingasse. Nun, im Ruhestand, sind seine Bemühungen der Überwindung der Konflikte zwischen den ehemaligen Landsleuten deutscher und serbischer Muttersprache gewidmet.

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