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Treue zu Österreich

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Volksdeutsche Landsmannschaften in Österreich vor der Entscheidunq

Die Donauschwaben, die mit 110.000 Seelen eine mit den Sudetendeutschen fast gleichstarke Gruppe der Volksdeutschen in Österreich bilden, verdanken ihre Entstehung der weitblickenden Politik der früheren kaiserlichen Regierung in Wien. Nach den siegreichen Türkenkriegen waren die neu eroberten südöstlichen Provinzen der Habsburger durch die jahrzehntelangen Kriege nicht nur wirtschaftlich ruiniert, sondern auch entvölkert. Es war daher naheliegend, diese Gebiete mit arbeitsamen, politisch verläßlichen Leuten zu bevölkern, die einerseits einen Riegel zwischen die Türkengrenze und die ewig rebellierenden Kurutzen schieben und gleichzeitig auch durch ihre Arbeit eine Grundlage für die Steuereinhebung abgeben sollten. Die Donauschwaben erfüllten beide an sie gestellten Aufgaben vorbildlich und waren, auch während der Zeit der magyarischen Herrschaft (1867 bis 1918), stets die treuesten und verläßlichsten Stützpunkte der Gesamtmonarchie.

NS-Propaganda

Der Nationalsozialismus hat die Bedeutung der Millionen von Volksdeutschen in den Nachfolgestaaten der ehemaligen Monarchie wohl erkannt Und beschloß, diese rücksichtslos für seine imperalistischen Ziele einzuspannen. Es wurden Agitatoren zu ihnen entsandt, die vorsichtigerweise nicht oder nur kaum über die eigentlichen Grundsätze des Nationalsozialismus sprachen — mit denen sie zum Beispiel bei den tief religiösen Donauschwaben auch wenig Erfolg gehabt hätten —, sondern nur über die Hilfe, die das mächtige Dritte Reich ihnen angedeihen lassen will und wird sowie von der Idee des „großen Reiches“, für das die Donauschwaben eben, an das frühere große Österreich denkend, sehr empfänglich waren. Ganz besonderen Erfolg hatten sie aber mit der teuflischen Verquickung der Begriffe „deutsch“ und „nationalsozialistisch“.

Trotz dieser massiven Propaganda — gegen die seitens der damaligen Heimatländer der Donauschwaben nicht nur nichts unternommen wurde, sondern die von den vom Dritten Reich abhängigen Satellitenregierungen noch unterstützt wurde, gab es einige mutige Männer, die den wahren Charakter des Nationalsozialismus erkennend, sich bemühten, ihre Landsleute zu warnen und aufzuklären. Einer der mutigsten unter ihnen war der r.-k. Pfarrer von Apatin in der Batschka, Berenz, der in seiner kleinen Zeitschrift „Donau“ mit geradezu prophetischem Blick vor den Folgen eines Mitgehens mit der „braunen Pest“ warnte.

Nicht weniger energisch, in seiner politischen Wirkung vielleicht noch bedeutender, war der Vorsitzende des „Ungarnländischen deutschen Volksbildungsvereins“, Dr. Kußbach. Er konnte diese wichtigste Organisation der Ungarndeutschen dem Nazi-einfluß nicht nur entziehen, sondern in ihr einen so bedeutenden Gegenpol gegen dessen Bestrebungen ausbauen, daß die Nazis gezwungen waren, eine völlig neue, mit ihren Handlangern bestückte Organisation zur Erfassung der Ungarndeutschen, den „Volksbund“, aufzuziehen — und Dr. Kußbach nach der deutschen Besetzung Ungarns 1944 in das KZ Dachau zu verschleppen.

Nach dem Zusammenbruch von 1945 mußten dann die an den Verbrechen der Nazis unschuldigen Donauschwaben die Rache der vom Dritten Reich unterdrückten Völker spüren. Das, was in Jugoslawien geschehen ist, erinnert an die dunkelsten Zeiten der Weltgeschichte und ist nur mit den von der SS an den jugoslawischen Völkern begangenen Grausamkeiten und die durch den langen, unbarmherzig geführten Krieg entfesselten Leidenschaften dieser Völker erklärlich. Auch hier hat es sich, wie schon oft in der Weltgeschichte, ereignet, daß Unschuldige für die Taten anderer büßen mußten, denn es blieben ja gerade jene Volksdeutschen zurück, die ein reines Gewissen hatten und an den Kriegsverbrechen der SS unschuldig waren. Die hereinströmenden Partisanen fragten aber nicht viel nach Schuld oder Unschuld, sondern kühlten ihren, wenn auch keinesfalls berechtigten, aber verständlichen Rachedurst an denen, die sie erwischen konnten. Die eigentlich Schuldigen — unter ihnen die „Führer“ der Volksgruppe — setzten sich aber rechtzeitig nach dem Westen ab. Und hier begann nun eine bemerkenswerte Entwicklung, die in Deutschland und Österreich recht verschieden verlief.

Von den fast 500.000, nach dem Westen gelangten Donauschwaben, blieben etwa ein Viertel in Österreich, während die übrigen nach Deutschland kamen. Die deutschen Behörden sahen sich bei der Betreuung und Eingliederung dieser Leute, von denen die einfacheren oft kaum hochdeutsch sprechen, geschweige denn deutsch schreiben konnten, vor fast unlösbare Aufgaben gestellt. Es war ihnen daher höchst willkommen, wenn sich die früheren „Volksgruppenführer“ zu Hilfsdiensten zur Verfügung stellten, denn diese kannten nicht nur die Probleme ihrer Leute, sondern konnten auch die fremdsprachigen — oft sogar in cyrillischer Schrift ausgestellten — Personaldokumente und andere Urkunden verstehen. Und da die große Masse der damals noch vorwiegend bäuerlichen Donauschwaben stets eine große Hochachtung vor jeder Autorität zeigt, blieben die „Führer“ der NS-Zeit fast ausnahmslos auch weiter in führenden Positionen.

In Österreich verlief die Entwicklung allerdings anders. Einerseits hatten die österreichischen Behörden noch aus der Zeit der Monarchie mehr Erfahrung im Umgang mit Menschen aus dem Südosten, waren daher nicht so sehr auf die Hilfe der ehemaligen NS-FunkMonäre angewiesen, anderseits blieb hier, wie oben schon erwähnt, gerade jener Teil der donauschwäbischen Intelligenz, der mehr österreichisch wie großdeutsch fühlte, und so scheiterte der Versuch der „Nationalen“, in der Person des stellvertretenden Volksgruppenführers aus Ungarn, Dr. Goldsehmidt, einen Nazifunktionär an die Spitze der Donauschwaben zu stellen (auch Dank der Wachsamkeit der österreichischen Behörden), gleich in den Anfängen. Seit 1949 haben die Donauschwaben in Österreich in der Person von Ing. Valentin Reimann einen besonnenen, klugen Obmann.

Eine beschämende Situation

Aber auch in Deutschland selbst regt sich, besonders unter der jüngeren Generation, die schon in demokratischer Luft aufgewachsen ist, der Unmut über den unmöglichen Zustand, daß die Donauschwaben die einzige Vertriebenenlandsmann-schaft sind, die — in der BRD — noch immer von der selben Personengruppe geführt werden wie zu Hitlers Zeiten. Ein junger Reporter des Münchner Senders, Mato Weiland, befragte aas eigener Initiative eine Reihe seiner Landsleute über dieses Problem. Die Antworten waren so eindrucksvoll, daß das bayrische -Fernsehen eine große Reportage hierüber veranstaltete. Die Wirkung derselben war enorm. Es zeigte sich, daß die große Masse der Donauschwaben in der Sorge um den Neuaufbau ihrer Existenz sich gar nicht dessen bewußt war, in welcher beschämenden Situation sie sich befand, mehr als 20 Jahre nach Kriegsende noch immer von denselben Personen geführt zu werden, wie zu Zeiten des Dritten Reiches. Nicht minder groß war aber auch die Wut der Betroffenen, die nun ihre Pelle davonschwimmen, sahen. Gegenseitige Ehrenerklärungen der ehemaligen Nazigrößen hatten genau so wenig Wirkung wie die dreistdumme Behauptung, der Angriff gegen sie sei „östlich inspiriert“ — als wären die Westmächte und die Kirche nicht auch Gegner des Nationalsozialismus...

In ihrer verzweifelten Lage wandten sich die bedrängten Goldfasane an ihre wenigen Gesinnungsfreunde in Österreich. Bei der letzten Quartalstagung der Donauschwaben, am 22. Oktober 1966 in Graz, fand sich ein Delegierter, der beantragte, jenen Männern, „die auf eine jahrzehntelange führende Tätigkeit (also auch während der NS-Zeit) im Dienst der Volksgruppe zurückblicken können“, den Dank und das Mitgefühl der Donauschwaben in Österreich auszudrücken. Die Delegierten der Donauschwaben in Österreich fühlten aber scheinbar Instinktiv, daß eine solche Erklärung nicht nur ein Ausdruck der Sympathie für ehemalige führende Nazifunktionäre (es handelt sich nicht um irregeführte kleine Leute oder Jugendliche, sondern um Spitzenfunktionäre), sondern auch eine Demonstration großdeutschen Geistes wäre und lehnten den Antrag mit allen gegen eine Stimme, der des Antragstellers, ab.

Emsige Wühlarbeit

Damit hat die großdeutsch-neonazistische Richtung in Österreich eine Schlacht, aber, so hoffen sie, nicht den Krieg verloren. Es wird emsig weitergewühlt, die enormen „Verdienste“ der ehemaligen Naziführer der großen Masse der Donauschwaben zu erklären versucht und ein neuer Angriff gegen das österreichischwerden der hiesigen Donauschwaben vorbereitet. Eine in Deutschland erscheinende Vertriebe-nenzeitung erfrechte sich sogar, unsere Donauschwaben vor einem „österreichischen Separatismus“ warnen zu müssen.

Und hier hört die Toleranz und der Langmut auf: Kein Mensch unter den Heimatvertriebenen wurde gezwungen, nach 1945 die österreichische Staatsbürgerschaft anzunehmen. Wer das tat, tat es freiwillig. Wer aber Österreicher wurde, hat damit nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten erworben. Eine der wesentlichsten dieser Pflichten ist: für die Selbständigkeit der neuen Heimat einzutreten, jeden großdeutschen und neonazistischen Einfluß von ihr fernzuhalten. Die große Masse der Volksdeutschen Neubürger und ihre Funktionäre erfüllen ihre staatsbürgerlichen Pflichten, sie fühlen sich mit Österreich verbunden.

Die Volksdeutschen Neubürger haben noch das große Problem ihrer Vermögensentschädigung zu lösen. Sie bedürfen dabei der Mithilfe der österreichischen Regierung, denn diese — und nicht ehemalige Naziführer in der BRD — hat ihre Interessen Bonn gegenüber zu vertreten. Die Volksdeutschen Landsmannschaften sollten daher in ihrem eigenen Interesse darauf achten, den guten Eindruck, den sie bisher erweckten, nicht durch großdeutsche Eskapaden oder Sympathiekundgebungen für ehemalige Naziführer zu zerstören.

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