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Donausdiwaben wollen Frieden

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Der Besuch Marschall Titos in Österreich hat unter den ehemaligen Jugoslawiendeutschen, den Donau-Schwaben, Wellen geschlagen. Die Meinungen, wie man sich dem Gast gegenüber verhalten solle, gingen weit auseinander. Es gab hitzige Debatten und unzählige Besprechungen, bis man sich — zwar nicht einstimmig, aber mit großer Stimmenmehrheit — zu einer, die staatspolitischen Notwendigkeiten berücksichtigenden Resolution durchringen konnte. Diese wies zwar auf die Ungerechtigkeiten, die den Donau-schwaben nach 1945 widerfuhren, hin, deklarierte aber den Beschluß, von jeder den ruhigen Verlauf des Besuches störenden Demonstration — „um einen Beitrag zur Entspannung zu leisten und so den Boden für künftige Gespräche ebnen zu helfen“ — Abstand zu nehmen.

Was soll nun eine donau-sehwäbische Landsmannschaftspolitik in Österreich bezwecken, welchen Sinn hat der landemann-schaftliche Zusammenschluß?

Als die überlebenden Donauschwaben nach Kriegsende nach Österreich kamen, standen sie vor einer Unmenge ungelöster Probleme. Es war nicht leicht, in dem vom Krieg verwüsteten Land ohne jegliche finanzielle Basis, noch dazu belastet mit dem von kommunistischer Seite der Vertreiberstaaten erhobenen Beschuldigung, nur weil man deutsch sprach, zu den „Kriegsverbrechern“ zu gehören, Fuß zu fassen. In dieser Lage war der Zusammenschluß ein Gebot der Stunde.

In klarer Erkenntnis der Tatsache, daß jedes Beharren auf einem illusorisch gewordenen „Heimatrecht“ oder das Schmieden von nebulosen „Neuordnungsplänen“ für den Donauraum nicht nur den Realitäten nicht entsprechen würde, sondern sie auch mit der auf Neutralität zielenden Politik Österreichs in Kollision bringen müßte, setzten sich die donauschwäbischen Landsmannschaften drei sehr nüchterne, aber stets konsequent verfolgte Ziele.

• Sie streben eine materielle Entschädigung — ähnlich wie sie ihren in der BRD ansässig gewordenen ehemaligen Landsleuten zuteil wurde — an. Diese Entschädigung hat nach klarer Rechtslage, sowohl im Sinne der sogenannten „Pariser Protokolle“ wie auch des deutschen Überleitungsgesetzes, die sich als Rechtsnachfolgerin des Dritten Reiches betrachtende BRD zu leisten. Die Donauschwaben betrachten den von gewisser deutscher Seite eingeflüsterten Gedanken, Österreich zu Zahlungen für eine Vermögensentschädigung heranzuziehen, für unrichtig. Österreich — damals als Staat gar nicht existierend — trägt an unserem Schicksal überhaupt keine Schuld und kann daher auch zu keiner Zahlung, außer einer freiwillig geleisteten sozialen Hilfe, wie sie im Bad Kreuznacher Abkommen beschlossen wurde, verpflichtet werden. Aber auch die Kenntnis der österreichischen Budgetlage schließt die Verwirklichung einer solchen Zahlung als undurchführbar aus.

• Die Donauscbwaben in Österreich erwarten ferner auch ihre moralische Rehabilitierung, da sie sich nicht nur keiner Schuld an den Verbrechen der Nazis bewußt sind, sondern sich von diesen stets distanzierten. Sie wissen die Bedeutung der Widerstandskämpfer in ihren Reihen richtig einzuschätzen. Deren Tätigkeit zu dokumentieren und der Öffentlichkeit bekanntzugeben, ist eine Aufgabe, die noch bevorsteht. Die Donauschwaben in Österreich betrachten sich selbst als Opfer des Nazikrieges — „Während und nach dem, ohne sie zu fragen, stets zu ihrem Nachteil entschieden wurde“, wie sie in ihrer Deklaration anläßlich des Staatsvertragsjubi-läums am 15. Mai 1965 feststellten.

In diesen beiden Anliegen — materielle und moralische Wiedergutmachung — erhoffen die Dohau-schwaben von der österreichischen Regierung, daß sie ihre Interessen als die ihrer loyalen und treuen Staatsbürger im Rahmen des internationalen Rechtes vertritt. Die diesbezüglichen erfreulichen Anfänge — bezüglich der materiellen Entschädigung im Bad Kneuznadhier Abkommen durch den damaligen Außenminister Kreisky und bezüglich der moralischen Rehabilitierung in den von Bundeskanzler Klaus beim Tito-Besuch begonnenen Gesprächen — bedeuten zwar noch nicht die Verwirklichung der gesetzten Ziele — die logischerweise viel Zeit und Mühe erfordern —, wohl aber einen erfreulichen Anfang.

• Den größten Erfolg weist bisher die dritte Zielsetzung der donau-schwäbischen Landsmannschaften in Österreich auf: die Integration unserer Landsleute in die neue — oder wenn wir an das frühere Großösterreich denken, dessen Herzstück die heutige Republik war, auch alte — Heimat. Die Donauscbwaben wurden seinerzeit von der kaiserlichen Regierung in Wien nach der Türkenaustreibung in den neu gewonnenen Provinzen angesiedelt, um in jenen, damals wirtschaftlich verwüsteten und politisch unsicheren Geigenden eine Steuerquelle und gleichzeitig „Schwert und Schild“ des Reiches gegen die Türken und die mit ihnen kollabo-rierenden Kuirutzen zu sein. Die Donauisohwaben erfüllten beide Aufgaben vorbildlich und waren in jenen Provinzen stets die verläßlichsten und treuesten Untertanen des Kaisers in Wien.

Nach 1918 auf drei verschiedene Staaten (Ungarn, Jugoslawien und Rumänien) aufgeteilt, blieben die wirtschaftlichen und kulturellen Kontakte mit Österreich weiter lebendig. Die besten Söhne der Donauschwaben studierten auf österreichischen Hochschulen, die Wiener Mode war bei den donauschwäbischen Frauen tonangebend, die Wiener Operetten bei der donauschwäbischen Jugend oft besser bekannt als diejenigen ihres eigenen Staates.

Die Eingliederung der 1945 nach Österreich gekommenen Donauschwaben ging daher sehr leicht und rasch vor sich.

Wenn (die donauschwäbischen Landsmannschaften trotzdem eine rege Tätigkeit ausüben, steht das in keinem Widerspruch zur Integration. Die 110.000 Donauschwaben in Österreich haben, wie oben erwähnt, noch Ziele zu erreichen, die einen Zusammenschluß notwendig machen. Sie betrachten sich keinesfalls als „Staat im Staate“, sondern eher als Bereicherung der bunten Palette des gesamten österreichischen Lebens.

Wir haben durch die Apokalypse unserer Vertreibung erfahren, daß durch den Krieg in Europa eine völlig neue Lage entstanden ist. Wir sehen, daß sich die heutigen Weltmächte, wenn sie in manchen Fragen auch uneinig sind, über die in Potsdam und Jalta vereinbarten Grenzen und Machtbereiche streng an die Vereinbarungen halten — wie das am klarsten am Verhalten der USA bei dem ungarischen Aufstand 1956 zu sehen war. Aus diesen Erkenntnissen haben wir die notwendigen Folgerungen gezogen. Diese sind, daß unsere und unserer Kinder Zukunft nur in der Eingliederung in die neue Heimat zu finden ist. Eine Änderung der heutigen Lage wäre nur durch einen Krieg möglich, und dieser würde ein Atomkrieg sein. Es ist fraglich, ob es nach einem solchen in Mitteleuropa überhaupt noch Überlebende geben würde. Daher begrüßen wir die sich anbahnende Entspannung zwischen Ost und West, denn diese Entspannung, die sicher nicht von heute auf morgen vollendete Resultate erzielen wird und die auch noch Rückschläge erleiden kann, ist die einzige Möglichkeit, den Völkern unserer ehemaligen Heimatländer ein besseres, freieres Leben zu verschaffen.

Die Donauschwaben haben gezeigt, daß sie es ihrerseits mit dieser Friedensabsicht ernst meinen.

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