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Folge des „ eishalten" Krieges

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Höchste Aufregung um die geheimen Waffenlager der Amerikaner in Osterreich. Warum wurden sie angelegt? Wem sollten sie dienen?

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Höchste Aufregung um die geheimen Waffenlager der Amerikaner in Osterreich. Warum wurden sie angelegt? Wem sollten sie dienen?

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Vor kurzem wurde (teilweise) ein Geheimnis gelüftet, das heute höchstens noch Kuriositätswert besitzt: In Österreich und wahrscheinlich anderswo im Westen wurden - durch gewollte Indiskretion? Wer weiß! -Nachrjchten lanciert, mit denen „ausgeplaudert" wurde, daß „die Amerikaner* in den fünfziger Jahren in etlichen' westlichen Ländern geheime Waffenlager eingerichtet hätten. Was Osterreich betrifft, wurden auch Zahlen genannt, und die US-Botschafterin in Wien, Swanee Hunt, hatte den zuständigen Wiener Behörden eine Liste der 79 Standorte dieser Lager mit einer „staatlichen Entschuldigung" überreicht.

Die junge europäische Generation versteht den Sachverhalt kaum ohne weiteres. Nur diejenigen können sich über dieses Geheimnis ein realistisches Bild machen, die die Zeiten des eiskalten Krieges, das heißt die Jahre 1950 bis 1955, als Erwachsene miterlebt haben. Damals - Stalin lebte noch bis 1953 und seine Nachfolger distanzierten sich lediglich in Worten von der stalinistischen Politik - war Europa in zwei politische Lager gespalten. Zwei Welten standen einander gegenüber. Äußerlich im Frieden - insgeheim im Krieg. Nur: Dieser Krieg wurde nicht offen und nicht in Form1 militärischer Auseinandersetzungen im großen Stil ausgetragen. Alles passierte im Untergrund: nicht nur die Spionagetätigkeiten beider Lager, sondern auch die Vorbeugemaßnahmen für solche Zeiten, da eines der politischen Lager die Zeit für reif betrachten konnte, den Kalten Krieg in einen Heißen Krieg umzuwandeln.

Vergessen wir nicht, daß die Rote Armee bis 1955 ein stehendes Heer von über fünf Millionen Soldaten unterhielt und die westliche Grenze des Sowjetlagers weit diesseits der Mitte von Europa lag: an der Elbe und an der Ostgrenze des in den Augen der Sowjets ketzerischen Jugoslawien unter dem „Verräter-Marschall" Tito.

Dies war die Epoche, in der der Westen, der doch in den Konferenzen von Jalta und Potsdam (1945) halb Europa Stalin als Kriegsbeute überlassen hatte, insgeheim Pläne schmiedete, für den Fall, daß der alternde Stalin (oder später einer seiner Nachfolger), um Rest-Europa in Besitz zu nehmen, eine militärische Offensive unter scheinheiligen Erklärungen (zum Beispiel Aufrüstung der Bundeswehr) vom Zaun brechen würde.

Österreich war zwischen 1950 und 1955 militärisches „Nimandsland". In Westdeutschland standen erst 1955 die ersten (armseligen) Bundeswehrdivisionen, die „Rheinarmee" Großbritanniens zählte kaum 50.000 Mann, die US-Armee in Europa hatte höchstens eine Stärke von 250.000 Soldaten. Frankreich? Italien? Überall dort waren die einheimischen Kommunisten stark, hatten sie doch zum Beispiel in Frankreich im Februar 1956 bei den Parlamentswahlen einen ansehnlichen Erfolg verbucht, indem 27 Prozent der Wähler für die rote Fahne gestimmt hatten. Militärisch waren sie also nicht belastbar.

Die USA - führende Kraft im Westen - mußte also mehr oder weniger vorbeugen. In den meisten von der Sowjetarmee bedrohten Ländern wurden daher seitens der USA insgehei-me Waffen- und Munitionslager beziehungsweise Lager für Winterkleidung angelegt, Kader für einen Partisanenkampf ausgebildet - zumal die

Lehren aus dem Zweiten Weltkrieg (insbesondere die Aktivität der Sowjet-Partisanen, aber auch die der Jugoslawen) Washington eindeutig die Vorteile eines länger dauernden Guerilla-Krieges gezeigt hatten.

Die Aufgabe dieser „weißen Partisanen" können wir nur anhand der sowjetischen Erfahrungen deuten: Sie sollten eine vorübergehende Okkupation fremder Truppen gelassen überstehen und ihre Aktivität erst dann beginnen, wenn der Westen (wie im Falle des Krieges in Korea 1952) zu einer großangelegten Gegenoffensive in Europa (eventuell aus den Pyrenäen hervorbrechend) antreten würde. Auf ein gewisses Signal hin hätten dann diese in ganz Europa verstreuten Partisanengruppen - in Italien zum Beispiel hießen sie „Gladiatoren", in der Schweiz „P-26" - eine Art Klein-Krieg zu führen gehabt.

Was hätte dies bedeutet? Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte in Westdeutschland die US-Armee eine „Hi-storical-Division" ins Leben gerufen. Deren Chef war deutscherseits Generaloberst a. D. Halder - langjähriger Generalstabschef des Deutschen Heeres, bis er bei Hitler in Ungnade fiel und im KZ Mauthausen landete. Unter seiner Führung hatten deutsche Ex-Generäle den Ostfeldzug der Wehrmacht in langjähriger Arbeit anhand von Dokumenten wissenschaftlich aufgearbeitet.

Ich hatte selbst Gelegenheit, einige dieser Bände, nämlich diejenigen, die sich mit dem südosteuropäischen Kriegsschauplatz 1944/45 beschäftigen, zu studieren. Überall war großer Wert darauf gelegt worden, die Möglichkeiten eines „Klein-Krieges" zu prüfen. Extra-Studien beschäftigten sich auf Verlangen der US-Dienststellen mit den Methoden und Auswirkungen des sowjetischen Partisanenkrieges in den von der Wehrmacht besetzten sowjetischen Gebieten.

Aus dieser Fülle von Wissen heraus ließen dann die Amerikaner eine eigene Taktik des künftigen Guerilla-Kriegs entwickeln. Im Falle „X" hätten nun hinter dem sowjetischen Operationsgebiet die noch in Friedenszeiten aufgestellten Partisanenkader in Aktion treten sollen. Die Folge? Brückensprengungen, Straßensperren, zerstörte Übermittlungseinrichtungen, Panikverbreitung und so weiter. Man hätte nicht improvisieren müssen: Vorsorglich war alles an Ort und Stelle vorhanden gewesen. Lediglich die Befehle hätte man noch erteilen müssen.

Große Erfolge wollte man mit diesem Kleinkrieg von Anfang an nicht erzielen. Aber im gegebenen Fall hät7 te eine solche Aktion die reguläre sowjetische Armeeführung an .einigen ihrer empfindlichen Punkte treffen können. Mehr wollte man - so nehme ich an - auch nicht erreichen.

Der Autor,

gebürtiger Ungar, Militärhistoriker, langjähriger Mitarbeiter der furche, ist Leiter der Osteuropabibliothek in Bern

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