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Der Kollaps kommt bestimmt

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Der Vermittlungsversuch der EG in Jugoslawien ist gescheitert. Radikale Tschetniks erobern indes, zusammen mit Teilen der Armee, Dorf um Dorf in jenen Gebieten, die für ein kommendes Großserbien beansprucht werden. Der Überfall auf Slowenien war nur die mißglückte Probe für das eigentliche Ziel, das dieser Tage der Tschet-nik-Führer Borislav Seselj im ORF mit brutaler Offenheit formuliert hat: „Ungarn ist frei, die Sowjets sind abgezogen, Slowenien können wir vergessen, Kroatien werden wir amputieren."

Die katholischen Kroaten, so meinte Seselj, sollen bleiben, wo sie sind, aber katholische Serben zum Beispiel werden heim ins großserbische Reich geholt. Und im übrigen hätten die Tschetniks und die Österreicher durchaus gemeinsame Vorstellungen: „Genauso wie Österreich halten wir nichts vom heutigen Jugoslawien, das ist eine kommunistische Idee." Im übrigen könnten die Österreicher, wenn sie wollten, auch einen Zugang zur Adria haben - nur den Trotz und den Stolz der Serben sollten sie nicht herausfordern, indem sie sich in serbische Angelegenheiten mischten. Und was serbische Angelegenheiten seien, das bestimmten die Tschetniks, sagte der Tschetnik-Chef.

In dem Interview war viel von Stolz die Rede, und man müßte diesen Verbalextrcmismus nicht so ernst nehmen, wenn die täglichen Ereignisse in Jugoslawien nicht zeigten, daß die obskuren Ideen einer radikalen Minderheit mit Hilfe militärischer Gewalt zielbewußt verwirklicht werden. Was sich jetzt in Jugoslawien abspielt ist kein Bürgerkrieg, sondern der bereits offene Krieg zwischen zwei Staaten, von denen nicht einmal mehr Serbien mit Überzeugung den Anspruch erhebt, den Gesamtstaat Jugoslawien zu vertreten. Und es ist auch ein Krieg zwischen ethnisch und religiös völlig verschiedenen Menschengruppen mit einer blutigen, unvergessenen Vergangenheit.

So verständlich es ist, wenn es der EG lieber wäre, in einem wichtigen Transitland nur einen Verhandlungspartner zu haben -von der Illusion, ein einheitlicher Staat Jugoslawien könnte erhalten bleiben, dürften die Europäer in Brüssel nun geheilt sein.

Inzwischen schreitet der wirtschaftliche Verfall des Staates mit Riesenschritten voran. Anfang September, so prophezeien Wirtschaftsfachleute, werde es zum Kollaps kommen. Schon soll ein Viertel der Betriebe insolvent sein, Belgrad druckt Geld, um Staatsbetriebe künstlich am Leben zu erhalten, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Inflation Rekordhöhen erreichen wird.

Bleibt nur die Hoffnung der Optimisten: daß die wirtschaftliche Katastrophe zur Mobilisierung der letzten vorhandenen Vemunftreserven führt.

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