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ERZBISCHOF FRANJ0 SEPER / KARDINAL DER KROATEN
Der „Osservatore Romano' vom 25. Jänner 1965 veröffentlichte eine Liste von 27 Persönlichkeiten, die — Eingeweihte sprachen schon seit einiger Zeit davon — zu Kardinälen erhoben werden.
Einer der Bischöfe — auch drei Monsignori und ein Pater finden sich auf der Liste —, der am 22. Februar den Kardinalspurpur erhalten wird, ist der Erz-bischof von Agram, Franjo S eper. Erzbischof von Agram zu sein, das heißt und hieß stets — auch in jenen fernen Tagen,' da Kroatien ein Teil der Länder der Heiligen Stephanskrone war — das Hirtenamt eines Bischofs mit wichtigen und delikaten politischen Aufgaben zu vereinen. Der allslawische Frühling des 19. Jahrhunderts, der auch in Kroatien auf literarischem Gebiet so uberzeugende Früchte trug, führte bald zu versteiften Frontstellungen, von denen die eine die westlichen Bindungen der Kroaten mit besonderer Sorgfalt pflegte, während die andere die Solidarität und Schicksalsgemeinschaft aller Südslawen beschwor. Wie damals der Bischof von Djakovo, Josef Strossmayer, zum Ideologen eines politischen „Jugoslawismus“ geworden war, so war nach 1945 Kardinal Stepinac zum politischen Symbol des kroatischen Katholizismus geworden.
Aus des legendären Bischof Strossmayers Diözese kommt auch Erzbischof Seper. Am 2. Oktober 1905 in der altösterreichischen Garnisonsstadt Esseg, dem heutigen Ossijek, geboren, wird Franjo Seper am 26. Oktober 1930 als Bürger des 12 Jahre vorher entstandenen SHS-Staates — der erst seit ein paar Jattren offiziell „Jugoslawien“ heißt —, zum Priester geweiht. Ein unruhiges Land war das Kroatien jener Jahre: Immer mehr leugneten die vom großserbischen Zentralismus enttäuschten westlich orientierten kroatischen Strömungen den Zusammenhang mit dem Serbentum.
Der Zusammenbruch der Achse Deutschland-Italien brachte auch den Zusammenbruch der kurzen scheinbaren kroatischen Selbständigkeit. Die Maßnahmen der neuen Machthaber richteten sich nun vor allem gegen den kroatischen Katholizismus: Gewaltanwendung gegenüber Bischöfen, Priestern, Laien, Konfiskation des kirchlichen Vermögens, Ausschaltung der katholischen Presse, schließlich Isolierung der Bischöfe vom Vatikan.
Im Zuge der politischen Wirren und der Unsicherheit, des politischen Umschichtungsprozesses überhaupt, war Kardinal Stepinac in das Räderwerk der Politik geraten, mit seiner Verurteilung und Verbannung hatte Belgrad ein Exempel gegenüber dem Vatikan statuiert. Seither war der Thronstuhl des Erzbischofs im gotischen Schiff des Agramer Domes verwaist. Franjo Seper — seit 21. September 1954 zum Bsichof geweiht — wurde im Oktober 1954 zum Koadjutor cum iure successionis und zum Titularerzbischof von Philippo-poli/Thrazien ernannt, freilich unter besonderer Betonung, daß Kardinal Stepinac weiterhin geistliches Oberhaupt Jugoslawiens sei.
Erzbischof Seper hielt sich in den folgenden Jahren als „Platzhalter“ betont im Hintergrund, trat jedoch nach dem Tode Stepinac' dessen Nachfolge an und wurde schließlich am 5. März 1960 zum Erzbischof von Agram geweiht. Die Beziehungen zwischen Belgrad und dem Vatikan haben sich seither einigermaßen gebessert. Schon die Genehmigung der Beisetzung Kardinal Stepinac' in der Bischofskirche ließ dies erkennen. Und wenn am 22. Februar 1965 der Erzbischof von Agram mit dem Kardinalspurpur bekleidet werden wird, dann mag die Erinnerung an den Schauprozeß gegen Stepinac darüber zwar nicht verblassen, doch stumm in den Schatten der Geschichte zurücktreten, h. f. m.
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