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… aber das Leid wird Früchte tragen

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Wenn von höchster Stelle der katholischen Kirche, wenn von Diplomaten, wenn von der katholischen Presse gegen die Behandlung der Katholiken in Belgrad oder Laibach Einspruch erhoben wird, erfolgt prompt die Antwort, das Volk habe vollkommene Freiheit, sich religiös zu betätigen. Es scheint, daß irgendwo über den Begriff „Freiheit“ vollständige Unklarheit herrscht. Es scheint aber auch, daß die Lösung des Rätsels der göttlichen Vorsehung überlassen bleiben muß. Das heißt aber gewiß nicht, daß die Nachbarn vor der Majestät des Kommunismus haltmachen und schweigen müssen. Vielleicht beteiligt sich die Welt allzusehr an der sogenannten „Verschwörung des Schweigens“. Aus Bequemlichkeit oder aus Furchtsamkeit? Der katholische Teil Jugoslawiens war durch Jahrhunderte ein festgefügter Bestandteil Oesterreichs. Oesterreich hat in diesen Gebieten tiefste Sympathien noch heute, und wenn irgendwo eine Freizügigkeit be-stünde, würde die halbe Bevölkerung nach Oesterreich auswandern.

Oesterreich hat ein historisches Recht, zu beobachten und zu kritisieren nicht sich ein- zumen’gen in die inneren Verhältnisse des Nachbarn. Das Volk in seiner Masse ist katholisch, heute nicht weniger als vor dem Kriege, Und wenn heute eine wirklich freie Wahl durchzuführen wäre, der Prozentsatz der Kommunisten in Kroatien und Slowenien wäre sehr gering. Das Regime in Agram und Laibach wird die Kritik aus Oesterreich ertragen müssen.

Der gefährliche Priester

Den Sächverhalt übernehmen wir als Retroversion aus „Duhovno zivljenje“, Argentinien, im August 1954, S. 493: In Agram veranstaltete man 1953 einen internationalen Esperantokongreß, an dem sich 1800 Leute aus 30 Staaten beteiligten. Darunter der deutsche Priester Bergweiler. Schon in der Heimat wußte Bergweiler, daß es nicht rat-, sam ist, in Jugoslawien in priesterlicher Kleidung zu reisen. Beim jugoslawischen Konsulat brachte er sein Ansuchen um die Legitimation des Passes ein. Sechs Monate wartete er vergeblich auf die Erledigung. Dann riet ihm ein Freund, neuerlich ein Gesuch einzubringen, aber mit Lichtbildern, auf denen der Petent in ziviler Kleidung erscheint. In einer Woche hatte er das erledigte Ansuchen in der Hand. An der Grenze erklärte Herrn Bergweiler der Zollbeamte: „Wir beherrschen im allgemeinen das Deutsche, aber die Deutschen lieben wir nicht.“ Bei seiner Wanderung aber wurde der Herr von der jugoslawischen Bevölkerung sehr freundlich auf genommen. Er wurde von verschiedensten Leuten unterrichtet: die Arbeiter sagten ihm, daß an den Staatsfeiertagen jede Arbeit verboten ist. Am Weihnachtsfeiertag mußte gearbeitet werden. Wer an diesem Tag nicht arbeitet oder nicht zur Schule kommt, wird strenge bestraft. Die Beamten dürfen in der Stadt nicht zum Gottesdienst, sie würden in Gefahr kommen, entlassen zu werden. Darum gehen viele aufs Land, wo sie unbekannt sind und zum Gottesdienst kommen. Ein höherer Beamter erklärte dem deutschen Reisenden, daß es gefährlich sei, mit Priestern befreundet zu sein, wer den Priester nur grüße, gerate in Gefahr, seinen Dienstplatz zu verlieren. Am ersten Tag der Anwesenheit schon wollte der Deutsche zelebrieren und fragte unterwegs ein Mädchen nach der Gasse. Das Mädchen wies mit der Hand die Richtung. Dann fragte der Deutsche nach der Kirche. Da leuchteten die Augen des Mädchens auf, und sie führte selbst den Priester und gab beim Abschied dem Priester ihren Reichtum — eine Faust voll trockener Birnen!

Als Bergweiler gegen Fiume fuhr, herrschte im Abteil unheimliches Schweigen. Als Hoch- würden aber sein Brevier herauszog und betete, merkten die Leute, daß es ein Priester ist. Bisher scheuten sie den Fremdling, jetzt hatte das Fragen kein Ende. Die Leute boten ihm von ihrer Menage Gebäck, Obst und Wein, und als der Zug hielt, kamen Reisende aus den Nachbarwagen, um dem fremden deutschen Priester die Hand zu drücken.

Beim gefangenen Kardinal Stepinac

Hochwürden Bergweiler ist es gelungen, zum Kardinal Stepinac zu kommen. Mit Hilfe von Freunden gelang es Bergweiler, im Rük- ken der Polizei bis zum Pfarrhof in Krasize vorzudringen. Der Kardinal sieht gesund aus, aber das Uebermaß roter Blutkörperchen wuchert heimlich weiter. Der Kardinal meinte zum Reisenden, daß er aus Jugoslawien nur über Auftrag des Heiligen Vaters fortgehen würde. Das verlange nicht sein Prestige, sondern der Bestand der Kirchen in Jugoslawien. Der Besuch beim Kardinal machte auf Bergweiler solchen Eindruck, daß ihn alles weitere nicht mehr interessierte und er sich nun bemüht, den Brüdern und Schwestern in Jugoslawien zu zeigen, daß die Welt sie nicht verlassen hat.

Polizei in Jugoslawien

Die Geheimpolizei „Osna“ heißt die löbliche Einrichtung hat kürzlich einen Erlaß für ihren Apparat herausgegeben, der von einem gewissen Stefanovic gezeichnet ist und trotz aller Vorsichtsmaßnahmen an die Oef- fentlichkeit kam. Stefanovic lobt in diesem Erlaß seine Agenten besonders wegen ihrer guten Haltung gegen die reaktionäre katholische Kirche und ihre Bischöfe, welche Volksfeinde sein sollen. Tief aber ist die „Osna“ enttäuscht über die Tatsache, daß die Bewohner Von Slowenien, Kroatien, Küstenland und Dalmatien noch immer auf den Vatikan hören und daß die Priester auf dem Lande noch immer die angesehenste - Persönlichkeit sind. Der Kirchenbesuch steigt, und in Agram gibt es zahlreiche höhere Beamte, welche die frühen Messen besuchen, um nicht bemerkt zu werden. Ebenso bedauernswert sei die Tatsache, daß der Kardinal Stepinac beim Volk angesehener als der Marschall selbst ist. So wird der Kommunismus die Seele des Volkes nicht gewinnen, so lange Slowenien und Kroatien leidenschaftlich an Rom hängen. „Der Hauptstab der ,Osna’ wird einen endgültigen Plan ausarbeiten, nach dem der Einfluß der Kirche für immer gebrochen werden soll. Zunächst wird die Arbeit derselben darauf zu beschränken sein, daß ihnen die Spendung der Firmung unmöglich gemacht wird."

In Griechenland

Wie bekannt, machte Tito einen Besuch in Griechenland. Die griechische Regierung gab den Athenern den Auftrag, die Häuser zu beflaggen. Sobald dieser Auftrag durchs Radio verlautbart war, wurde die katholische Kurie in Athen von Zuschriften überschüttet, welche die Beflaggung ablehnten. In diesen Zuschriften erklärten die katholischen Athener, sie seien gerne bereit, etwaige Strafen dafür auf sich zu nehmen. Andere Zuschriften erklärten, die Flaggen zum Zeichen der Trauer auf Halbmast hängen zu wollen, weil in Jugoslawien die Kirche verfolgt wird, weil Kardinal Stepinac seiner Freiheit beraubt ist und weil in Jugoslawien das Kreuzzeichen verachtet wird, das an der griechischen Fahne prangt. Als Tito in Athen weilte, brachte das Blatt „Katholike“ das Bild des Kardinals Stepinac und einen Bericht über die Verfolgung der Katholiken.

St. Augustinus sagte einmal: „Je größer die Steine, welche Menschen gegen den Himmel werfen, desto größer der Schutt, der die Menschheit verschütten wird!“ Und an einer anderen Stelle: „Wenn die Gegner der Kirche die größte Macht erlangt haben und meinen, alles tun zu können, sind sie ihrem Untergang am nächsten!“

Allerdings sind die Ereignisse auch eine ernste Mahnung an die Katholiken, sich zu besinnen, ob nicht von kirchlicher Seite schwere Fehler gemacht Worden sind. Religiöse Veranstaltungen waren bisweilen ein Schaugepränge im Stadion, mit bedenklichen nationalen Gestalten wurde ein lächerlicher Kult getrieben und gewissen Publikationen hat man in ernsten wissenschaftlichen Kreisen den Namen der Pornographie gegeben. Trotz alledem blieb das Volk katholisch, die Gegner gestehen es ein. Das Volk ist religiös ausgezeichnet unterrichtet, die Diözese hat ausgezeichnete, seeleneifrige Priester. Wenn eine große Zahl bester Männer und Frauen nun ins Ausländ geflüchtet ist, wird das Leid seine Früchte tragen, wie in der Zeit der ersten Märtyrer, und wird der Tag kommen, da man dem heiligmäßigen Bischof von Laibach die Tore der Heimat wieder öffnet.

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