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Solidarität mit Siebenbürgen!

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In Rumänien weiß die Linke nicht, was die Rechte tut. Politik, die den Alltag bestimmt und ihn recht erfolgreich im Griff hat, wird von den Volksgruppen und religiösen Gemeinschaften ausgeklammert. „Kampf lohnt sich zur Zeit nicht“, so ein Vertreter der im Westen kaum bekannten rumänisch-katholischen Gemeinschaft in der Moldau (Iasi) und Walachei (Bukarest) kürzlich zur FURCHE.

Und die Solidarität mit den Siebenbürgener und Banater (ungarischen und deutschen) Katholiken? Sie ist kaum vorhanden, weil man vom Schicksal der ungarischen und deutschen Mitbürger sehr wenig weiß. Das Divide-et-impera-Prinzip Nicolae Ceauses-cus sowie eine gezielte Informationspolitik tragen ihre Früchte!

Die mit Rom eng verbundene rumänisch-katholische Kirche — 350.000 Gläubige in der Moldau mit Iasi als Zentrum und etwa 110.000 in der Walachei mit Bischof Ioan Robu (dieser Tage auf Romvisite) an der Spitze — will in Ruhe gelassen werden. In einer Zeit, wo es nichts zu ändern gibt, will man sich erst gar nicht engagieren.

Begründet wird diese Haltung mit einem „stark aufblühenden religiösen Leben“, mit „enorm steigenden Priesterzahlen“ trotz

Numerus clausus, was man durch Kritik an der politischen Führung nicht gefährden will. Im Hintergrund steht noch immer die Erfahrung aus stalinistischer Zeit, als Katholiken als „keine echten Rumänen“ diskriminiert wurden.

Daher hat die katholische Kirche in Iasi und Bukarest großes Interesse, sich auch gegenüber den Rumänisch-Orthodoxen als 150prozentige rumänische Kirche zu präsentieren, die zum „Aufbau der Zukunft“ ihren Beitrag leisten will.

„Wir müssen vom politischen Kampf abstrahieren. Wir sind keine Polen, und nicht darauf aus, die Behörden zu provozieren. Es ist besser, vernünftig zu bleiben.“

Im sozialistischen Rumänien des großen Conducators ist es für die Kirchen besser, sich mit Kaffee (die heimliche Währung des Landes) und bei einem Glas Wein gute Kontakte zu den Behörden zu verschaffen, als sich auf das Recht zu verlassen. „Es ist ja nicht notwendig, daß jeden Tag die Polizei an die Pfarrhaustür klopft.“

Katholische Zeitungen gibt es weder für die Siebenbürgener noch für die rumänischen Katholiken. „Aber auch das wollen wir gegenwärtig nicht. Denn die Orthodoxen, die jede Menge an Zeitungen haben, schreiben darin nur über Ceausescu.“

Mit seinem Dörfervernichtungsprogramm zugunsten agro-industrieller Zentren soll Rumäniens Staats- und Parteichef Nicolae Ceausescu etwas vorsichtiger geworden sein. Aus Rumänien erfuhr die FURCHE, daß „die Führung in dieser Angelegenheit weniger grobschlächtig vorgeht, obwohl — wie vorauszusehen — weiterhin abgerissen wird. Nur betrifft das jetzt Ortschaften, die sich in der Nähe von Städten befinden.“

Die Volkspartei-Organisation „Soziales Hilfswerk“ hat am Dienstag dieser Woche der Bundesregierung eine Petition überreicht, die mittlerweile von 17.000 Menschen unterschrieben wurde, in der die Regierung aufgefordert wird, die Erörterung der schweren Menschenrechtsverletzungen in Rumänien durch die Vereinten Nationen zu verlangen.

Die Betreiber der Petition — unter ihnen Erhard Busek, Norbert Gugerbauer, Marga Hubinek, Günther Sallaberger und Freda Meissner-Blau — verweisen auf die historische und moralische Verantwortung Österreichs gegenüber den Minderheiten in Rumänien. „Der Verletzung grundlegender Menschen- und Minderheitenrechte und der Zerstörung einer tausendjährigen europäischen Kultur kann, wenn überhaupt, nur durch massive internationale Proteste Einhalt geboten werden“, betonen die Betreiber.

Einen Antrag bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen kann nur eine Regierung stellen, und die Einschaltung der UNO durch Einbringung einer Resolution sowie die Einberufung des Sicherheitsrates erscheinen dringend erforderlich.

Wie es in der Petition heißt, stelle die Vorgangsweise Rumäniens „nicht nur eine Verletzung der Friedensverträge von Trianon und Paris dar, sondern auch eine Verletzung grundlegender Menschen- und Minderheitenrechte.“

Laut Petition handelt es sich bei dem rumänischen Vorhaben auch um den „Tatbestand des Völkermordes gemäß Artikel II der New Yorker Konvention über Verhütung und Bestrafung des Völkermordes“ vom 9. Dezember 1948: „Zuf ügung von schwerem körperlichen oder seelischen Schaden an Mitgliedern einer ethnischen Gruppe oder vorsätzliche Unterwerfung der Gruppe unter Lebensbedingungen mit dem Ziel, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen.“

Übrigens: Am 17. November werden kirchliche und politische Gruppen in Wien über die rumänische Situation informieren.

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