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Die Krise der Wettervorhersage

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Das Problem der Wettervorhersage, ein viel umstrittenes Thema, ist trotz der wissenschaftlichen Fortschritte und Erkenntnisse über die Dynamik der Atmosphäre noch immer nicht in zufriedenstellender Weise gelöst. Noch immer kommen, trotz gewissenhafter wissenschaftlicher Arbeit, trotz offensichtlicher Beachtung aller für die Wetterbildung wichtiger Faktoren entmutigende Fehlprognosen vor. Der Optimismus, mit dem die Meteorologen in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts darangingen, einen öffentlichen Wetterdienst zu organisieren, ist heute verflogen. Man machte damals mit wenigen Stationen und einem äußerst spärlichen Höhenwetterdienst nicht viel schlechtere Wettervorhersagen als heute, da uns ein weltweites Stationsnetz mit ungeheurem Beobachtungsmaterial und eine große Anzahl von Radiosendestationen mit Meldungen bis zur Stratosphäre zur Verfügung stehen.

Die Wettervorhersage gründet sich gegenwärtig auf eine große Anzahl von Regeln, die, je nach der herrschenden Großwetterlage, bald mehr, bald weniger Gültigkeit besitzen. Das Problem der Wettervorhersage besteht daher gegenwärtig darin, die jetzt noch herrschende „Regelmeteorologie“ zu überwinden und zu einer exakten Arbeitsmethode zu kommen. Vom Erfolg oder Mißerfolg dieser Bemühungen hängt die Uberwindung des Krisenstadiums, in dem sich die synoptische Meteorologie der Gegenwart befindet, ab.

Die ersten praktischen Versuche in dieser Richtung unternahm zu Beginn des zweiten Weltkriegs der deutsche Meteorologe Richard Scherhag. Schon in früheren Jahren hatten er und eine Reihe anderer Meteorologen nachgewiesen, daß sich die 24stündigen Druckänderungsgebiete nahezu mit der halben Geschwindigkeit der Höhenströmung im 5000-Meter-Niveau verlagern. Allerdings sind die Fall- und Steiggebiete des Luftdrucks bei ihrer Verlagerung Intensitätsänderungen ausgesetzt, die Scherhag durch die sogenannte „Divergenztheorie“ zu erklären und zu erfassen suchte. Nach dieser Theorie bildet sich an bestimmten Stellen der Höhenströmung, ähnlich wie bei der Mündung eines Flusses, ein Strömungs-dalta. Im sogenannten Einzugsgebiet dieser charakteristischen Strömungsform, die Scherhag „Frontalzone“ nennt, findet eine Verengung der Stromlinien, eine Konvergenz, statt. Im Auszugsgebiet der Frontalzone, im Delta, divergieren dagegen die Stromlinien. Scherhag versucht mit seiner Divergenztheorie den Beweis zu erbringen, daß im Bereich der Höhenströmungskonvergenz der Luftdruck am Boden ansteigt, und daß er im Divergenzbereich der Höhenströmung fällt.

Auf der Beobachtungstatsache der „Steuerung“ von Druckänderungsgebieten durch die Höhenströmung und der Divergenztheorie begründete Scherhag seine Methode der graphischen Konstruktion einer Vorhersagekarte. Er zeichnete zum Beispiel die 24stündige Druckänderungsgebiete über Europa vom 06-Uhr-Termin und verlagerte diese mit

Hilfe der Höhenströmungskarte vom selben Termin mit der halben Geschwindigkeit der Höhenströmung. Er berücksichtigte dabei alle auftretenden Konvergenzen und Divergenzen der Höhenströmung und veränderte die Druckänderungsgebiete entsprechend seiner Theorie. Scherhag zeichnete Jahre hindurch täglich mit eigener Hand eine Vorhersagekarte und brachte es darin zu piner wahren Meisterschaft. Die Scher-hagsche Vorhersagekarte wurde während des Krieges über das große Wetter-rundschreibnetz des Deutschen Reichswetterdienstes täglich verbreitet. Gegenwärtig wird diese Karte täglich vom Wetterfunk der amerikanischen Zone Deutschlands ausgesendet.

Die Scherhagsche Vorhersagekarte bedeutet zweifellos einen großen Fortschritt der synoptischen Meteorologie im letzten Jahrzehnt. Sie ist allerdings nicht rein objektiv, sondern stark von subjektiven Entscheidungen beeinflußt. Am besten gelingt die Konstruktion der Vorhersagekarte Scherhag persönlich sowie auch einzelnen seiner Schüler. Meteorologen aber, die nicht unmittelbar mit Scherhag arbeiten und seine Hinweise beachten, wird es niemals gelingen, Vorhersagen mit derselben hohen Eintreffwahrscheinlichkeit zu verzeichnen. Die Methode ist nicht bis in die letzten Einzelheiten lehrbar. Die Entscheidung darüber, um welchen Wert sich das Druckänderungsgebiet im Bereich einer Konvergenz oder Divergenz verändern wird, ist zum Beispiel völlig der Erfahrung und dem Gefühl des Meteorologen überlassen.

Bei der Konstruktion der Vorhersagekarte zeigte sich öfter, daß die Vorhersage ziemlich falsch war. Es stellte sich dann meist heraus, daß aus unbekannten Gründen plötzlich eine „Umsteuerung“ erfolgt war, und daß sich die Höhenströmung in kurzer Zeit so grundlegend geändert hatte, daß die Divergenztheorie versagte. Die letzten Ursachen der Fehlschläge blieben den deutschen Meteorologen trotz vieler Deutungsversuche aber verborgen.

Fast gleichzeitig mit der deutschen Forschung begannen die Amerikaner unter der Führung des Norwegers R o s b y an einem großen „Untersuchungsprogramm über die allgemeine Zirkulation der Atmosphäre“ zu arbeiten. Die amerikanischen Forscher erwarteten durch ihre Untersuchungen zunächst keine Verbesserung der Wettervorhersage, sondern sie wollten lediglich gründlichere Kenntnisse über die Natur der Atmosphäre erhalten. Sie überlegten sich, daß das Zusammenwirken der meteorologischen Elemente in der Nähe der Erdoberfläche viel zu kompliziert sei, um atmosphärische Gesetzmäßigkeiten aufzudecken. Die Amerikaner verlegten daher ihre Untersuchungen ausschließlich in Höhen, die weitgehend störungsfrei von Einflüssen des Erdbodens sind. Sie operierten ausschließlich mit Höhenkarten im 3000- oder 5000-Meter-Niveau und erweiterten ihr Blickfeld in der Horizontalen ganz beträchtlich. In den letzten Jahren operierten sie ausschließlich mit zirkumpolaren Höhenwetterkarten, mit Karten also, die die Höhenströmung auf der gesamten nördlichen Halbkugel unserer Erde darstellen.

Es ergab sich zunächst, daß in den gemäßigten Breiten und in der Subtropen-zone ein mehr oder weniger gestörter westlicher Ringstrom vorherrscht, der sich um den Nordpol schlingt. Die Störungen des Ringstroms stellen sich in der Gestalt von Windungen des Strömungsbandes (Mäanderungen) dar, und es ist für die Wetterforschung außerordentlich aufschlußreich, daß eine irgendwo auftretende Welle auf der gesamten Nordhemisphäre nahezu gleichzeitig auftritt. Das bedeutet, daß sich der Wettergungswelle gegen das zionistische nationale Judentum des Balkans begann. Die Behandlung der Volksdeutschen nach 1945 hatte erstmalig den neuen ideologischen Maßstab der Nationalitätenpolitik auf dem Balkan sichtbar werden lassen. Im Zuge der Entwicklung wurde er nach und nach auf sämtliche Minderheiten verschärft angewandt.

Diese Ausweitung des Nationalitätenkampfes und einer intransigenten Minderheitenpolitik wurde durch den Bruch Titos mit dem Kreml eingeleitet. Tito hatte bis Juni 1948 gerade die Führerschichte der ungarischen und rumänischen Minderheit besonders großzügig behandelt. Die ungarische Volksdemokratie wieder, die allerdings nur acht Prozent Minderheiten in ihrer Bevölkerung aufweist, zeigte gegenüber den 40.000 Serben und Kroaten bis zum Rajk-Prozeß weitgehende Konzilianz und bewilligte zum Beispiel den 15.000 Rumänen in ihren Dörfern um Gyula sogar ein eigenes Gymnasium. Rumänien, mit 17 Prozent fremdvölkischen Staatsbürgern, brachte diesem Scheinfrieden unter den Nationen des Balkans beachtliche Opfer. Seit jedoch im Oktober 1949 die ungarische Minderheit Jugoslawiens in Osijek (Kroatien) gegen das Mutterland und die .Verleumdungskampagne von Radio Budapest“ demonstrierte und einen Monat später sich 300 Rumänen des jugoslawischen Banats zu einer Resolution gegen die rumänische Volksrepublik zusammenfanden, rissen die Pro- und Kontra-Treuekundgebungen, aber auch die Verhaftungswellen unter den Minderheitsführern des Balkans nicht ab. Angehörige der volksdemokratischen Volksgruppen wurden stärkstens in den wechselseitigen Spitzel- und Spionagedienst zwischen Belgrad und der Kominform einbezogen. Gleichzeitig feierten chauvinistische Vorurteile und balkanische Minderheitenkämpfe unter der neuen ideologischen Maske Urständ. So hat der Titoismus im Südosten den Unterschied zwischen kommunistischer Nationalitätentheorie und aktueller volksdemokratischer Minderheitenpraxis augenfällig gemacht.

In der jüngsten Zeit beleuchten zwei symptomatische Vorgänge in Rumänien diese dritte Phase der Minderheitenpolitik des Balkans nach 1945 besonders grell: seit einem Vierteljahrhundert sitzt die Führerschaft des „Ungarischen Kulturbundes“ im Gefängnis. Vor Monatsfrist wurde unter anderem die Verhaftung des Rektors der ungarischen Universität von Klausenburg gemeldet. Dabei iuß man wissen, daß sich etwa 1939 die 1000 Mitglieder der Kommunistischen Partei Rumäniens zu einem hohen Hundertsatz aus Angehörigen der ungarischen Volksgruppe rekrutierten und 1945 ungarische Funktionäre bis in höchste Bukarester Regierungsstellen Einfluß gewannen. Damals schuf sich die ungarische Minderheit Rumäniens auch eine eigene Organisation auf der Grundlage der Volkszugehörigkeit und stellte dabei ideologische und klassenkämpferische Forderungen zurück. Trotz überlieferungsmäßiger Aversion unternahmen jedoch Rumäniens volksdemokratische Machthaber bis zum Jahresende 1949 gegen die ungarische Minderheit nichts — bis die Budapester Regierung selbst den Bukarester Genossen das Zeichen zur „Säuberung“ gab. Seither gehen rumänische Organe gegen „Rajkisten“, „Derivationisten“, „Kosmopoliten“ innerhalb der ungarischen Minderheit Rumäniens vor.

Im März dieses Jahres feierte das „Antifaschistische deutsche Komitee“ in Rumänien seinen einjährigen Bestand. Gelegentlich seiner Gründung wurde dem Komitee als besondere Aufgabe der Kampf gegen die .„Bourgeoisie in den eigenen Reihen“ und gegen die sächsischen und schwäbischen „Großbauern“ auferlegt. Unter den neun ersten Kolchosgründungen zählte man zum Beispiel allein sechs in deutschen Dörfern des Banats und Siebenbürgens. Die Leistungen der enteigneten deutschen Bevölkerung für den ersten rumänischen Staatsplan 1949 waren besonders hoch. Dafür konnte das „Antifaschistische deutsche Komitee“ auf gewisse Erfolge in der Besserstellung der Volksdeutschen seit seinem Bestehen hinweisen und den praktischen Nachweis der ausschließlichen Existenzvoraussetzung einer Minderheit im volksdemokratischen Südosten erbringen: integrale Übernahme der bolschewistischen Ideologie und verschärfter Klassenkampf gegen die Angehörigen der eigenen Nationalität.

Bedeutende völkische Minderheitengruppen grenzen sich auch kirchlich von ihrer Umgebung ab. Neben der nationalen wurde auch die religiöse Freiheit und Gleichberechtigung in den Volksdemokratien proklamiert. Aber auch Kirche und Konfession unterliegen der Forderung des ideologischen Totalitaris-mu. Die Taktik der volksdemokratischen Regimes richtet sich auch niemals gegen eine sprachliche oder religiöse Minderheit „an sich“, sondern gegen „Saboteure“, „kapitalistische Neigungen“ besitzloser Geistlicher, gegen „Klassenfeinde“, „Trotzkisten“, „westliches Agen-tentum“ usw. Die Auseinandersetzungen mit eigenständigen Größen in dem Einheitsstaat werden von der ideellen auf die polizeiliche Ebene abgeschoben. Die Nationalitätenpolitik des Balkans ist in den Händen der Kominform zu einem Werkzeug der Bolschewisierung einer Gemeinschaft geworden. Titcs Ausspringen hat diesem Kampf um die „Reinerhaltung der Idee“ mit Hilfe einer klassenkämpferischen Minderheitentaktik eine bemerkenswerte Wendung verliehen: die Nationalitätenchronik des Balkans verzeichnet unter dem neuen Aspekt des Stalinschen Nationalitätenprinzips verschärfte Auseinandersetzungen nach ältestem Musler.

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