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Vom Minderheiten- zum Klassenkampf

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Der Monat April brachte für die Angehörigen der deutschen Nationalität“ in Ungarn eine Überraschung: Ministerratsbeschlüsse der Ungarischen Volksrepublik hoben nicht bloß alle Aussiedlungsverordnungen seit 1945 auf, sondern eröffnen für die nächsten Blutsverwandten der 300.000 in Ungarn verbliebenen Schwaben eine begrenzte Rückkehrmöglichkeit; sie setzen im Falle der Heimkehr sogar frühere hohe Funktionäre des ehemaligen .Deutschen Volksbundes“ außer Strafverfolgung. Diese Beschlüsse im Rahmen einer neuen Kominformtaktik nehmen um so mehr wunder, als die KP Ungarns im Dezember 1945 als einzige Partei die restlose Aussiedlung der ursprünglich 500.000 Seelen zählenden deutschen Minderheit forderte. In den ersten beiden Nachkriegsjahren wagte es lediglich Kardinal Mind-szenty, selbst schwäbischer Abstammung, in Hirtenbriefen gegen die Unmenschlichkeit dieser Austreibung Stellung zu nehmen. Erst mit dem Empfang einer deutschsprachigen Landarbeiterabordnung durch den stellvertretenden Ministerpräsidenten Matyas Rakosi am 29. Oktober 1949 im Budapester Parteiheim begann eine neue Ära der Minderheitenpolitik gegenüber den ungarländischen Schwaben, die aber noch keineswegs im Zeichen echter, kultureller und sprachlicher Gleichberechtigung steht. Immerhin besagen optimistische Schätzungen in Kominformkreisen, daß von dieser Möglichkeit einer Heimkehr 15.000 bis 20.COO Schwaben Gebrauch machen dürften. Obwohl die Masse der heimatvertriebenen Ungarndeutschen, 150.000, in Deutschland (davon 20.000 in der Ostzone) leben, dürfte Österreich mit seinen 12.000 ungarländischen Schwaben ein unverhältnismäßig hohes Kontingent an Rückkehrern stellen, da hier seit Jahr und Tag Hunderte auf eine Zusammenführung mit ihren Familien warten. Als

Maßstab der „Würdigkeit“ zur Heimkehr gilt selbstverständlich die vorbehaltlose Bereitschaft, am kommunistischen Aufbau der ungarischen Volksdemokratie mitzuarbeiten.

Vergleicht man mit dieser jüngsten ungarischen Maßnahme die Absicht der polnischen Volksdemokratie, eine letzte Viertelmillion deutscher Bewohner Westpolens nach der Westzone Deutschlands zu schleusen, stutzt man zunächst über das Widerspruchsvolle der beiden gleichzeitigen Aktionen im Bereich des Ostblocks. Die Diskrepanz erklärt sich doch wohl aus der Tatsache, daß auch die deutsche Restbavölkerung der westpolnischen Gebiete für Polen eine internationale Hypothek bedeutet. Die Schwaben Ungarns dagegen haben 1945, ebenso wie das gesamte Deutschtum des Südostens, ihre wirtschaftliche, kulturelle und politische Stellung so sehr eingebüßt, daß sie heute nur noch als Arbeitskraft zählen. Die allmähliche Lockerung des Druckes auf die deutsche Minderheit in Rumänien, Ungarn und in der Tschechoslowakei geht auf diese Wertschätzung der Arbeitskapazität der deutschen Siedlungsgruppen zurück, die bis 1945 einen unverhältnismäßig hohen Anteil der staatlichen Steuern in diesen Ländern bestritten.

Während die Volksdemokratien nach 1945 auch kleinsten Volkssplittern — gemäß dem Stalinschen Nationalitätenprinzip — Kulturautonomie einräumten, statuierten sie an den deutschen Volksgruppen des Südostens das erste ideologische Exempel durch Aussiedlung, Deportation, Zwangsarbeit, Enteignung, Minderberechtigung usw. Wenn auch die neuen Verfassungen die Gleichheit aller Nationalitäten und Konfessionen vor dem Gesetz proklamierten, wurde diese Doppelgeleisigkeit der volksdemokratischen Minderheitenpolitik fortgesetzt, als im Herbst 1948 eine Verfolzustand an vielen Stellen der Nordhemisphäre überraschend ändert. Unterzieht man die Wetterlage einem Studium nur in einem begrenzten Gebiet, dann bleibt die plötzlich eingetretene Wetteränderung völlig ungeklärt. Sie wird erst verständlich, wenn man die Veränderung des Verlaufs der Höhenströmung auf der ganzen nördlichen Halbkugel betrachtet.

Waren nun die Ursachen bekannt, die eine glatte atmosphärische Strömung in eine wellenförmige umwandelten (man nennt diese Erscheinung in sehr anschaulicher Weise „Akkordeon-Effekt“), dann konnte man auch die überraschenden Wetteränderungen, die gleichzeitig an mehreren Stellen in 5000 Meter über der Erdoberfläche auftraten, vorausbestimmen. Die weiteren Untersuchungen der amerikanischen Meteorologen kamen einer Lösung dieses Problems recht nahe. Schon Scherhag hatte auf sturmreiche Zonen in der westlichen Höhenströmung aufmerksam gemacht. Er nannte diese wetterkritischen Gebiete „Frontalzonen“. Die Amerikaner wählten für das gleiche Phänomen die Bezeichnung „jet stream“ (Strahlströmung). Es konnte nachgewiesen werden, daß sich bei einer bestimmten kritischen Stärke des jet-streams der Akkordeoneffekt einstellt, auf der gangen Nordhalbkugel stellt sich dann eine Mäanderung des Strömungsbandes ein.

Weitere Untersuchungen haben ergeben, daß bei einer bestimmten Wellenlänge die einzelnen Wellen (das sind nichts anderes als Tröge tiefen Drucks beziehungsweise Hochdruckrücken) an Ort und Stelle bleiben. Verringert sich die Wellenlänge, dann tritt eine Verlagerung der Triefdrucktröge und Höhenrücken nach Osten ein. Ist aber die Wellenlänge größer als beim stationären Zustand, dann werden die Wellen rückläufig. Die Wetterlage ist dann in einem Gebiet, zum Beispiel in Europa, nur geringen Änderungen unterworfen. Ist die Wellenlänge kürzer, dann herrscht auf der Nordhemisphäre jener Wetterzustand, der mit einer West-Ost-Verlagerung der Hoch- und Tiefdruckgebiete im Zusammenhang steht und als „Westwetterlage“ bezeichnet wird. Der Zustand der Rückläufigkeit von Druckgebilden tritt relativ selten auf, führt aber dann häufig, wenn die Wetterlage nicht rechtzeitig erkannt wird, zu schweren Fehlprognosen. Die Ergebnisse des amerikanischen Untersuchungsprogramms gestatten es, diese schwierigen Fälle aus der Konfiguration der zirkumpolaren Höhenwetterkarte rechtzeitig zu erkennen.

Während beim Studium der Bodenwetterkarte eine verwirrende Fülle von Einzelheiten in Erscheinung tritt, die eine Typisierung der Wetterlagen sehr erschweren, hat die Höhenwetterkarte den großen Vorteil, daß die Übersichtlichkeit sehr gefördert wird und unwesentliche Dinge von vornherein ausgeschaltet werden. Die Forschungen ergaben im wesentlichen nur zwei Hauptwettertypen, auf die alle Wetterlagen zurückgeführt werden können. Wenn das Strömungsband der Nordhemisphäre in den gemäßigten Breiten verläuft, dann spricht man von der Wetterlage des „high index“. Das Strömungsband ist dann ziemlich glatt und auftretende Wellen werden sehr rasch von Westen nach Osten befördert. Liegt das Strömungsband jedoch in niedrigeren Breiten, etwa über den Subtropen, dann spricht man von einer „low index Situation“. Weiter nördlich, in den gemäßigten Breiten, existiert dann in der Höhe eine Strömungsform, die dem griechischen Großbuchstaben Omega ähnlich sieht. Die Wellenlänge entspricht dann, mehr oder weniger angenähert, dem stationären Zustand. Bei dieser Wetterlage findet ein lebhafter Austausch zwischen den Luftmassen des Polargebietes mit denen der subtropischen Gegenden statt. Bei der „hig index Situation“ ist ein derartiger Austausch weitgehend unterbunden.

Das Forschungsprogramm der Amerikaner über die „allgemeine Zirkulation der Atmosphäre“ wird mit großem Nachdruck fortgesetzt. Es ist zu erwarten, daß diese Untersuchungen noch weitere interessante Ergebnisse liefern, und schließlich auch zu einer Verbesserung der Wetterprognose führen.

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