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Eine Hoffnung in Rumänien

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Bei einem Presseempf ang hat der rumänische Nationalitätenminister Vladescu-Racoasa, wie wir dem Bukarester „Universul“ entnehmen, kürzlich die Feststellung getroffen, Rumänien habe in der Frage seiner Staatsbürger deutscher Abstammung nicht die radikale Haltung jener Staaten eingenommen, die ihre deutschen Minderheiten nach Deutschland aussiedelten. Die rumänische Regierung habe es vorgezogen, internationale Forums anläßlich der Erörterung des deutschen Gesamtproblems auch über das Schicksal der Deutschen in Rumänien beschließen zu lassen.

Diese Äußerung macht wieder einmal deutlich, daß die Schicksalsfragen der deutschen Minderheiten im Südosten, sosehr es augenblicklich auch gegenteilig scheinen mag, noch keineswegs endgültig entschieden sind. In Potsdam ist zwei Südoststaaten, Ungarn und der Tschechoslowakei, auf ihren Wunsch die Möglichkeit der Aussiedlung ihrer deutschen Staatsbürger gegeben worden. Beide Staaten haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, wobei über das Wie die Geschichte ihr Urteil zu sprechen haben wird. In Jugoslawien hat Marschall Tito die deutsche Minderheitenfrage selbst zu regeln unternommen. Die internationale Stellungnahme zu seinen Methoden steht noch aus. Der vierte Südoststaat, in dem Deutsche in der Zahl von annähernd einer Dreiviertelmillion lebten, Rumänien, hat unter dem Eindruck des Kriegsendes zunächst eine durchgehende entschädigungslose Enteignung der deutschen Minderheit — soweit sie unter dem vorigen Regime in der deutschen „Volksgruppe“ geeinigt war — durchführen lassen. Eine allgemeine Landesverweisung der Deutschen, wie in der Tschechoslowakei und in Ungarn, wurde nicht vorgenommen, doch erfolgten andere Maßregeln.

Rumänien ist sich, wie auch die angeführte Äußerung Vladescu-Racoasas beweist, bewußt, damit nicht das letzte Wort gesprochen zu haben. Vor dem Plenum der Pariser Friedenskonferenz hat der rumänische Außenminister allen Staatsbürgern seines Landes ohne Rücksicht auf ihre Sprache, Abstammung und Religion den Vollgenuß aller politischen und bürgerlichen Rechte zugesichert, und sein Blatt, die „Flamura Liberala“ schreibt:

Was uns Rumänen anlangt, so sind wir bereit, die den mit uns in unserem Land zusammenwohnenden Völkersohaften zukommenden Rechte heilig zu achten. Rumänien will auf freie Bürger bauen können, deren Wohlstand und seelische Zufriedenheit alle revisionistischen Anklagen und Machenschaften beständig und lebend:'.; widerlegen. Die wirklichen Gefühle des Rumänentums hat Außenminister Tatarcscu in seiner glanzvollen Rede vom 1. Juli 1945 dargelegt. Er sagte:

„Innerhalb unserer Grenzen kennen wir keine

Feinde, nur Brüder und Freunde; an die Stelle des Hasses ist die Liebe getreten und an die Stelle des Rachedurstes der Wunsch nach Verbrüderung. Es ist unser Wille, in diesem Sinne mit den mitbewohnenden Völkerschaften unseres Landes zusammenzuleben. Als Entgelt fordern wir nur Treue, Loyalität und Achtung gegenüber dem rumänischen Staat.“

Das sind Töne echter Menschlichkeit, die stärksten inneren Widerhall auslösen müssen. Wenn die heutige Praxis in Rumänien mit dieser Zielsetzung noch nicht übereinstimmt, so sind Symptome, daß man sich ihr nähern will, doch nicht zu verkennen. Dazu rechnen wir vor allem die Ankündigung, daß die vor ein dreiviertel Jahren zur Zwangsarbeit abtransportierten Deutschen noch im Laufe dieses Jahres entlassen werden. Die ersten Heimkehrer sind bereits eingetroffen.

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