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Die Benediktiner von Niederalteich

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Jeder, der Gelegenheit hatte, am Leben orthodoxer wie katholischer Mönche teilzunehmen, wird mit Erstaunen festgestellt haben, wie wenig sich die Frömmigkeits- und Lebensformen westlichen und östlichen Mönchtums voneinander differenziert haben, obwohl die übrigen Bereiche der beiden Kirchen von grundlegenden Umwandlungen betroffen wurden. So lag der Gedanke nahe, im Mikrokosmos einer klösterlichen Gemeinschaft die verlorengegangene Einheit wiederherzustellen. Ein heiliges Experiment, ein gefährliches Experiment, doch Niederalteich hat es gewagt!

So kam es zur Errichtung der „byzantinischen Dekanie“, der diejenigen Väter von Niederalteich angehören, die ihr liturgisches und aszetisches Mönchsleben nicht wie die Mehrzahl des Konvents nach der Überlieferung des lateinischen Westens, .sondern nach orthodoxer Tradjti Hmausifiöhten. Um saBe *Mißw Verständnissen vorzubeugen, muß klar gesagt werden, daß es sich dabei nicht um irgendeine Art von Uniertentum handelt, das aus prosyletistischen Motiven äußerlich die orientalischen Formen wahrt, aber von, noch dazu mißverstandenem abendländischem Geist geprägt ist, wie zum Beispiel die urkraini-schen Basilianer, sondern um ein echtes Leben aus dem Geist spezifisch ostkirchlichen Verständnisses von Kirche und Mönchtum, so daß die Patres von Niederalteich mit Fug und Recht als orthodox bezeich net zu werden verdienen. Orthodox allerdings nicht im Sinne des negativen Charakteristikums der Trennung von der Sakramental- und

Glaubensgemeinschaft mit dem Heiligen Stuhl, sondern als volle Bejahung der Eigenständigkeit und Eigenwertigkeit der theologischen, liturgischen und kirchenrechtlichen Entwicklung des christlichen Orients, in der auch für rechtverstandenen Primat und Unfehlbarkeit Platz ist.

Diese organische Verbindung vorbildlichen lateinischen Ordenslebens, das in die vorreformatorische und vorscholastische Zeit zurückreicht, mit genuinem orthodoxem Mönchtum ist in Niederalteich auf allen Gebieten zu spüren. Neben der großartigen Basilika besteht eine ostkirchliche Kapelle, die zur Zeit den Ansprüchen der vier byzantinischen Mönche der Abtei noch genügt. Messe und Stundengebet, aber auch die theologische und aszetische Formung vollziehen sich nach den liturgischen Typika griechischer oder slawischer Klöster, und .denjy .gaistlichen Schrifttum der -ttKWfgen ländischen Väter, Basilios des Großen, Euagrios vom Pontos, oder Theodoras Studites, um nur einige zu nennen. Lediglich aus Gründen der praktischen Klosterordnung tritt die östliche Fasten- und Osterfestberechnung zu Gunsten der in der Westkirche üblichen zurück.

So zeigt Niederalteich dem katholischen wie dem orthodoxen Besucher eine keimhafte und auf die Gesamtkirche ausdehnbare Vorstufe der zukünftigen Einheit, die sowohl durch unerschütterliche Treue zu Primat und Unfehlbarkeit, wie durch Anerkennung und Verwirklichung des orthodoxen Anspruches auf

Katholizität gekennzeichnet ist. Dem Katholiken wird hier handgreiflich vor Augen geführt, daß Katholizität mehr ist als römisches Kirchentum, während sich der Orthodoxe davon überzeugen kann, daß es neben der entwürdigenden und unlauteren „Unia“ einen echt orthodoxen Weg zur Gemeinschaft mit dem Nachfolger des Heiligen Petrus gibt, der die orthodoxe Kirche erst zu universaler Erfüllung führt und sie von den Schwierigkeiten eines Nationalkir-chentums befreit.

Dieses gelungene Exemplum der Einheit und Brüderlichkeit bedarf nun einer zweifachen Ausweitung. Zunächst einer klaren und für Ost-, wie Westkirohe annehmbaren, dogmatischen und kirchenrechtlichen, Formulierung des konkreten Zusammenwirkens von Katholizismus und Orthodoxie, von päpstlicher und bischöflicher Gewalt, von abendländischer und orientalischer Theologie. Hier geht es dem byzantinischen Zweig von Niederalteich in erster Linie darum, Primat und Unfehlbarkeit aus orthodoxer Schau zu interpretieren, und so den einstigen katholisch-westlichen Aspekt dieser fundamentalen Glaubenswahrheiten nicht nur für die östliche Psychologie schmackhafter zu machen, denn das wäre reine Spiegelfechterei, sondern zur notwendigen Ergänzung und damit auch Berichtigung falscher Akzentsetzung hinzuführen Dabei berührt sich sein Bemühen mit dem der melkitischen Theologen, Erzbischof Elias Zoghby von Ägypten und Archimandrit Orest Kerame, die den Primat als einigende und vermittelnde Funktion des Bischofskollegiums und die Unfehlbarkeit als verkündetes Kriterium der Unfehlbarkeit der Gesamtkirche werten.

Neben der dogmatischen Ausarbeitung steht als nicht minder große Aufgabe die lebendige Verwirklichung des ökumenischen Anliegens. Hier ist es wiederum das Mönchtum der romfreien Kirchen, mit dem unzerreißbare Bande geknüpft wurden, seien es nun die anglikanischen Benediktiner von Nashdom oder die Mönche der Großen Lavra auf dem Athos. Ständige Kontakte und freundschaftliche Beziehungen bestehen zum Patriarchat von Konstantinopel, Alexandrien und Antiochien, sowie zur griechischen, bulgarischen und rumänischen Landeskirche. Als wesentlicher Faktor der Annäherung dient die benediktinische Gastfreundschaft; und schon eine ganze Reihe orthodoxer Hierarchen, Mönche und Theologen sind in Niederalteich aufgenommen worden, „so wie Christus selbst“, wie die Ordensregel verlangt.

Die Einheit mit der Orthodoxie kann aber nicht über den Rücken der hochkirchlichen und evangelischen Kirchen hinweg erarbeitet werden. Jede katholisch-orthodoxe Verständigung muß vielmehr schon für die reformierte, und vielleicht sogar für die jüdische und mohammedanische Sicht der Frage geöffnet sein. So hat sich Niederalteich über den engen Rahmen des ursprünglichen päpstlichen Auftrags hinaus auch der Versöhnung mit dem Pro-testantentum und einer gerechteren Würdigung des Judentums und der anderen außerchristlichen Hochreligionen angenommen. Wenn man dazu noch das „Kloster auf Zeit“, Tage monastischer Einkehr für Weltleute, und das von der Abtei geführte Gymnasium berücksichtigt, so ergibt sich eine vorbildliche Bilanz zeitgemäßen Mönchtums.

Der gewaltige Spannungsbogen von der in Klosterstille gelebten Einheit bis zur Begegnung mit Islam und Buddhismus spiegelt sich in den vielfältigen Publikationen, aufeinanderfolgenden Tagungen und schier unübersehbaren praktischen Einsätzen des ökumenischen Institutes der Abtei wider, das die Nachfolge des früheren „Hauses der Begegnung“ angetreten hat. Die vierteljährlich, seit heuer in neuem Gewände erscheinende Zeitschrift für ökumenische Begegnung, „Una Sancta“, mit den Beiträgen namhafter evangelischer, orthodoxer und katholischer Theologen und reichhaltiger Dokumentation aus den verschiedensten Konfessionen ist das führende deutschsprachige Organ jenes Glaubens an die Einheit, „der auch gegen alle Hoffnung hoffen“ lehrt. Die Ostkirchlichen Studienwochen, die Tage geistlicher Einkehr für evangelische, orthodoxe und katholische Christen oder jüd-disch-christlicher Begegnung vertiefen in persönlichen Gesprächen das durch die Veröffentlichungen geweckte Interesse und schließen die Teilnehmer in einigendem Gebet und gemeinsamer Arbeit zusammen. Schließlich die praktischen Einzelunternehmungen, wie die Einrichtung der Una-Sancta-Kontaktstelle in Rom, die soziale Fürsorge für orthodoxe Studenten und Fremdarbeiter oder der Bau eines ökumenischen Jugendzentrums in Griechenland.

Niederalteich lehrt, wie viel getan werden kann und muß, um den richtigen Weg zur Einheit im Wesentlichen festzulegen und dann die ermüdende Kleinarbeit zu bewältigen, die die neunhundertjährige Auseinanderentwicklung und Engherzigkeit Schritt für Schritt zurückdrängen muß. Anderseits zeigt sich mehr und mehr, daß eine derartig umfassende und aufreibende Sendung auf die Dauer nicht von dem Kloster allein getragen werden kann. Im Hinblick darauf soll das von Abt Emmanuel Heufelder neue belebte Oblatentum weltliche Mitarbeiter, für die Einheit betende und arbeitende Laien, mit dem Leitspruch der Abtei verbinden: „Ut omnes unum stnt“.

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