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Was ist orthodo?

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Der orthodoxe Mönöhritus bezüglich des Gottesdienstes ist inhaltlich mit dem Einsiedlertum und dem Fasten absolut verknüpft. Die Gottesdienstzeiten sind nicht etwas von der Beschäftigung und dem Leben des Mönches Unabhängiges, sondern bilden eine organische Fortsetzung sowie eine Ergänzung des monastischen Ideals der harten Askese. Ist es überhaupt möglich, so etwas im Wirkungsbereich von Niederalteich zu erzielen? Das also bezüglich der Lebensweise und der davon herrührenden Frömmigkeitsformen.

Und nun kommen wir zu einem anderen Punkt des Artikels, der das äußerliche Schema des byzantinischen Ritus und auch die Prinzipien und die Bestrebungen von Niederalteich betrifft. Herr Gstrein schreibt: „Es handelt sich dabei nicht um irgendeine Art von Uniertentum, das aus proselytisohen Motiven äußerlich die orthodoxen Formen zu dem Schluß, daß sich in Niederalteich die Frömmigkeitsformen, welche aus der obengenannten Verwirklichung hervorgehen, nur wenig von denen der Brüder im Osten differenzierten, während die übrigen Bereiche von grundlegenden Umwandlungen betroffen wurden. An einem anderen Punkt seines Artikels spricht er beinahe von einer Abschaffung des Fastens „aus Gründen der Klosterordnung“! Wenn man die zwei obigen Meinungen aus orthodoxe*. Sicht- kombinieren wollte, so wäre man verpflichtet, zu erwidern, daß die Abschaffung des Fastens seitens des orthodoxen Mönchtums den Charakter des orthodoxen monastischen Ideals gänzlich verwandelt. Außerdem entzieht es das grundlegende Mittel zum Gelingen seines Zieles. Mit der Abschaffung des Fastens nimmt der harte und asketische Charakter ab, das Hauptmerkmal der Mönche des Ostens; genauer gesagt, die mittels des Fastens geschaffene Askese, kombiniert mit der völligen Absonderung von der Welt und ihren Bequemlichkeiten, sowie das ständige Auf-sich-Nehmen des Kreuzes zusammen mit dem mystischen und hesychastischen Gebet geben also die Möglichkeit zu einer wirklich mystischen Vereinigung mit Christus. Der Mangel an Fasten aber, ohne das kein orthodoxes Mönchtum zu verstehen ist, die natürliche Umgebung, die Beschäftigung sowie auch die Beziehungen zur Welt, das alles, glaube ich, ermöglicht es den Patres von Niederalteich auf keinen Fall, das genuine monastische Ideal zu erleben.wahrt.“ Es könnte eventuell behauptet werden, daß in Niederalteich keine proselytischen Tendenzen anzutreffen sind. Kein Widerspruch und kein Zweifel daran! Niederalteich wahrt — nach dem Verfasser des Artikels — die äußeren Formen. „Die Patres erleben das orientalische Ideal in einem heiligen Experiment“ usw. Nach diesen Angaben fragt sich der orthodoxe Beobachter: „Nachdem all dies geschieht, als was soll man die Patres von Niederalteich bezeichnen?“ In diesem Punkt muß eine klare Antwort gegeben werden. '

Diese Frage rührt nicht allein vom Artikel her, sondern wird von jedermann, der nach Niederalteich zu Besuch kommt, intensiv verspürt. In der Fortsetzung des Artikels wird eine Antwort versucht, es wird wörtlich angegeben, daß durch alles, was in Niederalteich vorgeht, mit Fug und Recht die Patres die Bezeichnung „orthodox“ verdienen, und

Herr Gstrein fügt hinzu: „Orthodox allerdings nicht im Sinne des negativen Charakteristikums der Trennung von der Sakramental- und Glaubensgemeinschaft mit dem Heiligen Stuhl, sondern als volle Bejahung der Eigenständigkeit und Eigenwertigkeit der theologischen, liturgischen und kirchenrechtlichen Entwicklung des christlichen Orients.“

Diese Meinung ist vollkommen ungestützt und widersinnig; eine unverständliche Orthodoxie zeichnet die Patres aus, denn diese beiden ob-genannten Standpunkte können nicht koexistieren. Denn wie könnte man irgend jemand als orthodox bezeichnen, wenn er sich in Sakramentalgemeinschaft mit dem Heiligen Stuhl befindet und außerdem von dessen Lehre charakterisiert wird? Ein solcher wäre daher auf keinen Fall orthodox, weder innerlich noch äußerlich. Daß er die Eigenständigkeit und Eigenwertigkeit von Theologie, Liturgik und Kirchenrecht des christlichen Orients annimmt, gewährt — unglücklicherweise für Herrn Gstrein — keine Möglichkeit, sich als orthodox zu bezeichnen. Wenn nun Herr Gstrein die orthodoxe Theologie und Dogmatik sowie orthodoxes Kirchenrecht studiert hätte, dann hätte er von selbst merken müssen, wie er — ohne sich dessen bewußt zu werden — mit dem zweiten Abschnitt seiner These all das zerstört, was er im ersten Teil auf irgendeine Weise zu sagen versucht.

Meine Ansicht wird klarer und verständlicher, wenn man das kombiniert, was Herr Gstrein in der Folge über Primat und Unfehlbarkeit sowie auch über deren versöhnende und seitens der Patres „geschmackvollere“ Darstellung sagt. Er meint: „So zeigt Niederalteich dem katholischen wie dem orthodoxen Besucher eine keimhafte und auf die Gesamtkirche ausdehnbare Vorstufe der zukünftigen Einheit, die sowohl durch unerschütterliche Treue zu Primat und Unfehlbarkeit, als auch durch Anerkennung und Verwirklichung des orthodoxen Anspruches auf Katholi-zität gekennzeichnet ist.“ Und mit seiner eigenen Meinung macht er einen konkreten, versöhnlichen — ich würde sagen— unitischen Versuch. Dieser Versuch beinhaltet wiederum einen Widerspruch. Es ist völlig antiorthodox und willkürlich, daß die zukünftige Einheit von unerschütterlicher Treue zum Primat und Unfehlbarkeit gekennzeichnet sein wird. Die Stellungnahme der orthodoxen Kirche ist diesbezüglich ganz klar. Einerseits nämlich völlige Abschaffung des Begriffes „Unfehlbarkeit des Papstes“ und Reduzierung auf einen Ehrentitel des „pri-mus inter pares honoris causa“, wie das auch in der ungetrennten Ur-kirche der sieben ökumenischen Konzile der Fall war.

Außerdem ist der Parallelismus von Niederalteich und den Melkiten unzutreffend, und er bietet dem Dialog der Einigung keinen positiven Anhaltspunkt.

Die unvoreingenommenen und aufmerksamen Leser der „Furche“ müssen wissen, daß die Melkiten in keiner Beziehung zur orthodoxen Kirche stehen. Wenn nun das Werk von Niederalteich den Melkiten nahestünde oder sich mit ihnen vergleichen ließe, so erlaube ich mir, Herrn Gstrein davon in Kenntnis zu setzen, daß alle Bemühungen in Niederalteieh in einem solchen Fall der Orthodoxie fernbleiben und leider nicht als Vorstufe oder, nach einem Ausspruch Papst Pius XI., als „Brücke für eine geliebte Einheit“ angesehen werden können.

Es ist mir unmöglich, auf andere Punkte des Artikels näher einzugehen. Nochmals möchte ich die „Furche“ zu ihren Bemühungen beglückwünschen, die uns wirklich die Möglichkeit eines im Geiste Christi geführten Gesprächs geben. Dieses Gespräch soll und wird eine Fortsetzung finden. Es muß jedoch von Aufrichtigkeit, christlicher Liebe und Respekt vor einander gekennzeichnet sein. Das alles sind Forderungen, welche die orthodoxe Kirche schon jahrhundertelang an die römischkatholische Kirche stellt, und wenn diese Möglichkeiten nun tatsächlich angeboten würden, dann wäre der Tag schon nahe, an dem ein schöpferisches und vielversprechendes Gespräch beginnen könnte, das uns allen, mit der Gnade Christi, zur geliebten Einheit leiten würde.

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