Pontifex Austriacus

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Schüchterner Abglanz der Menschen-freundlichkeit Gottes: Kardinal König hat vorgelebt, was Kirche sein sollte und wollte.

Der "Pontifex"-Titel ist schon arg überstrapaziert worden, aber auch dem damaligen Bundespräsidenten Rudolf Kirchschläger fiel kein besserer ein, als er Kardinal König einmal in seiner Gesamtleistung illustrieren wollte. Als "österreichischer Brückenbauer" ist Franz König in der Tat ein Glücksfall sondergleichen gewesen - einfach, weil er in seiner Person verkörpert und vorgelebt hat, was Kirche sein sollte und sein könnte, wenn sie es sein wollte: schüchterner Abglanz der Menschenfreundlichkeit Gottes, immer um Verständnis und nicht um Ausgrenzung bemüht, auf Rettung des Unvergänglichen durch Bereitschaft zur Änderung des Zeitgebundenen bedacht, bescheiden im Anspruch, radikal im Beispiel - mit einem Wort: wertkonservativ.

Franz König war ein wertkonservativer Mensch, Priester und Bischof - mehr noch am Anfang seines Werdegangs, aber auch an dessen Ende kein liberaler Revoluzzer. Das haben ihm nur jene angedichtet, die sich selbst gern als Konservative sähen, in Wirklichkeit aber Stockreaktionäre sind. König war konservativ im Sinn seiner bäuerlichen Herkunft: bedächtig, überlegt, Modischem abhold, aber zu notwendigen Anpassungen bereit. Das hat ihm Glaubwürdigkeit, Ansehen, Verehrung eingetragen, ohne dass er zum Anbiederer oder Billigpopulisten geworden wäre.

Der Journalisten Kardinal

Seine vielfältigen Verdienste als Brückenbauer zu anderen christlichen Kirchen, zu anderen Religionen, vor allem Judentum und Islam, zur modernen Wissenschaft und zur Kunst, zu allen demokratischen Gruppierungen des politischen Lebens sind in diesen Tagen Gegenstand vieler Würdigungen. Hier sei vor allem von seiner Wirkung auch auf Journalisten die Rede. Franz König ist mit ihnen nicht auf die Berge gewandert oder im Prater Autodrom gefahren, er hat sie nicht mit Exklusivinterviews über Vatikan-Intimitäten oder Einladungen zu "Testfahrten" mit dem Papamobil zu ködern versucht. Er hat sie einfach ernst genommen.

Ernst genommen hieß: Er hat ihnen nicht nur etwas gesagt, sondern sich von ihnen auch etwas sagen lassen. Unvergessen sind seine Einladungen zu Gesprächsrunden im Advent, bei denen König mit Journalisten sehr unterschiedlichen geistigen Zuschnitts mögliche Themen seiner Silvesteransprachen erörterte. Beileibe nicht alles, was da besprochen wurde, floss dann in seine Reden ein - aber einiges immer, so dass niemand das Gefühl haben konnte, nur Staffage gewesen zu sein, während die Reden in Wirklichkeit längst geschrieben waren. Das unterschied ihn von manchen der Päpste, denen Franz König treu diente: Auch sie luden mancherlei Ratgeber ein, entschieden dann aber unter Berufung auf ihre lehramtliche Hoheit doch völlig anders, als ihnen (bisweilen auch von Kardinal König) empfohlen worden war.

Franz König konnte zuhören und über das Gehörte nachdenken, es mit eigenem Wissen, eigener Erfahrung vergleichen und dann so entscheiden, dass die Einheit mit der obersten Kirchenleitung ebenso gewahrt blieb wie die Glaubwürdigkeit im Kirchenvolk. Dieser Kirchenleitung diente er bisweilen mit Exzessen an Loyalität, auch wenn er hinter verschlossenen Türen über römische Uneinsichtigkeit fuchtig werden konnte. (Seine einstigen Sekretäre wüssten darüber mehr.) Aber um wieder auf sein Verhältnis zu den Journalisten zurückzukommen: Er entschied nicht gegen seine eigene Überzeugung, nur um ihren Beifall zu erheischen. Er demonstrierte öffentlich gegen die von den meisten Journalisten zweifelsohne befürwortete Fristenregelung (obwohl seine Radikalgegner ihm diesbezüglich bis zuletzt Schweigen andichteten). Er maßregelte (nach langer Geduld) den aufmüpfigen Priester Adolf Holl, fraglos eine Medien-Ikone, aber tat es so, dass selbst Holl es einsah.

Wenn man später oft sagen hörte, "der Bischof X ist mir in seiner rüden, aber ehrlichen Art lieber als der Bischof Y in seiner diplomatischen Geschmeidigkeit", dann hat Franz König bewiesen, dass man beides sein kann: ehrlich ohne Rüpelhaftigkeit und ein Diplomat ohne Flucht in Unverbindlichkeiten. Kardinal König konnte auch mit kommunistischen Diktatoren, marxistischen Professoren, Freimaurern, Generälen und radikalen Pazifisten reden, ohne dass die Gesprächspartner je daran hätten zweifeln müssen, dass er kein Marxist, Freimaurer, Militarist oder Utopist war. Er war nie ein gefälliger Anpasser, aber auch nie ein selbstgefälliger Aufpasser.

Kirche in Erneuerung

Franz König hat nicht an der Wirkkraft des Heiligen Geistes gezweifelt, aber auch nicht daran, dass dieser nicht nur die Einflugschneisen über dem Vatikan sucht. Er war hellhörig für alles, was in der Welt geschah, und offen für jeden, der in der Kirche Rat suchte, offen aber auch für viele, die solchen anboten. Am späteren massiven Auszug aus der katholischen Kirche, der freilich auch in der König-Zeit schon eingesetzt hatte, war König vielleicht auch insofern "mit Schuld", als er längst Desillusionierte von dem letzten Schritt noch zurückhielt, die dann unter seinem unglücklichen Nachfolger dramatisch wegbrachen. Den allgemeinen Lauf der Dinge konnte auch er nicht, kann kein Einzelner aufhalten.

Ecclesia semper reformanda, immer ist Kirchenerneuerung angesagt. Anton Bruckner, der vor mehr als 100 Jahren in Wien gestorben ist, hat sein letztes und größtes Werk, gleichfalls unvollendet, dem gewidmet, der ihm Ursprung und Ziel, Leben und Hoffnung gewesen war. De profundis clamavimus...

Buchtipp:

Franz König - Der JahrhundertKardinal. Von Hubert Feichtlbauer. Holzhausen Verlag, Wien 2003. 286 Seiten, geb., e 29,-

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