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Vorsätze umsetzen

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Erleichterungen beim Grenzverkehr und ein Kulturinstitut wünschte sich unter anderem Vizekanzler Alois Mock bei seinem Besuch in der ČSSR. Was bedeutet das praktisch?

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Erleichterungen beim Grenzverkehr und ein Kulturinstitut wünschte sich unter anderem Vizekanzler Alois Mock bei seinem Besuch in der ČSSR. Was bedeutet das praktisch?

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Die löchrige Asphaltstraße, beidseitig begrenzt von dunklen Schichten, die wie ernste Wächter stehen, führt zu einem verrosteten rot-weiß-roten Grenzbalken. Ein Schild warnt: „Achtung Staatsgrenze“. Die Straße jenseits dieser Markierung, noch verlotterter, scheint sich im Nichts zu verlieren.

Eine fast gespenstische und melancholisch-düstere Szenerie, typisch für jene Grenzübergänge zwischen der Tschechoslowakei und Österreich im nördlichen Waldviertel, die vor dem Zweiten Weltkrieg noch offen waren und nun schon seit Jahrzehnten verwaist sind. Sie waren Adern des Lebens und der Nachbarschaft, die durch die politischen Verhältnisse verödeten.

Beim Besuch von Außenminister Alois Mock letzte Woche in Prag ist unter anderem vereinbart worden, auch eine bilaterale Expertenkommission über Erleichterungen im Grenzverkehr einzusetzen. Sie wird im September ihre Arbeit aufnehmen und bis Jahresende Bericht und Vorschläge erstatten.

Probleme gibt es wahrhaftig genug und aus österreichischer Sicht auch genug Wünsche. Da ist zunächst einmal die Forderung nach Öffnung zweier weiterer Grenzübergänge zur CSSR, schon um den stetig anschwellenden Touristen- und Güterverkehr besser kanalisieren zu können. Da ist der Wunsch Österreichs nach einem „kleinen Grenzverkehr“, wie er sich etwa mit Ungarn und Jugoslawien recht praktikabel und problemfrei eingespielt hat. Das könnte für die österreichischen Grenzlandregionen zur CSSR ein erster Schritt für eine Wiederbelebung sein.

Auch die Grenzabfertigung wird die Expertenkommssion zu prüfen haben. Österreich klagt seit Jahr und Tag über eine zu schleppende Abwicklung. Bei der Abfertigung der Züge Hegt der Durchschnittswert bei eineinviertel und eindreiviertel Stunden, beim PKW-Verkehr zwischen ein und drei Stunden.

Aus der Sicht Wiens ließe sich diese Zeitspanne doch erhebhch verkürzen, würde die CSSR reor- ganisatorische Maßnahmen ergreifen. Wenn zum Beispiel die Grenz- und Zollorgane schon vor Erreichung des Grenzbahnhofs im Zug ihre Arbeit aufnehmen würden, wenn die Vor-, Paß-, Zoll-

und schließhch die „Menschenschmuggelkontrolle“ gleichzeitig und gerafft durchgeführt würde. Dasselbe gilt auch an Grenzübertrittstellen für den Autoverkehr.

Schheßlich, vermeint man auf österreichischer Seite, hängt die SchnelHgkeit der Abfertigung auch von der Weisung Prags oder Preßburgs ab, wie lax oder schikanös zu kontrollieren ist. Außenminister Mock kleidete das in die Worte, die Zusammenarbeit zwischen der CSSR und Österreich solle in Hinkunft „nicht mehr durch menschhche Fehler beeinträchtigt werden können“.

Damit ist zweierlei angesprochen. Erstens die Willkür einzelner Grenzorgane, aber auch die Differenzen innerhalb der CSSR- Führung, wo zum Beispiel gele- gentHch das Außenministerium im Sinne guter Nachbarschaft ei ne korrekte und angenehme Grenzabfertigung wünscht, das Innenministerium aber - dem die Grenzorgane unterstellt sind - eine genau gegenteilige Weisung an die nachgeordneten Dienststellen erlassen hat.

Bei den Visaerleichterungen wird es vor allem darum gehen, eine unbürokratische und rasche Erledigung der Sichtvermerke, wie sie schon jetzt zum Beispiel bei Sportlern, Künstlern, Wissenschaftlern und so weiter besteht, auch auf andere Gruppen auszudehnen. Eine allgemeine Abschaffung der Visapflicht ist aber wohl noch in weiter Ferne.

Eine andere gemischte Expertenkommission wird sich mit der Errichtung eines österreichischen Kulturinstitutes in Prag befassen. Daß Kulturinstitute Österreichs in den Nachfolgestaaten der ehemaligen Habsburgermonarchie eine überragende Stellung haben können, ist durch die überaus erfolgreiche Arbeit dieser Institution vor aHem in Warschau, jüngst auch in Krakau und in Budapest längst bewiesen. Sie leisten durch ihre Deutschsprachkurse und kulturellen Aktivitäten, durch die Vermittlung von Gastprofessoren und Betreuung von Austauschstudenten, durch ihre Kontakte zur InteHigenz eines Landes einen so wichtigen Beitrag für mitteleuropäische Gemeinsamkeit sowie für Österreichs Imagepflege, daß dies durch nichts ersetzt werden kann.

Prag steht einem österreichischen Kulturinstitut in seinen Mauern eher ablehnend gegenüber, weil sich — wie die Praxis aus anderen osteuropäischen Ländern gezeigt hat — automatisch eine Vorzugsstellung gegenüber dem DDR-Kulturinstitut oder dem Goethe-Institut der Bundesrepublik ergeben würde.

Wenn gegen Ende des Jahres beide Kommissionen tatsächhch brauchbare und in die Praxis umsetzbare Ergebnisse vorweisen können, erst dann wird man wissen, ob, wie CSSR-Außenminister Chnoupek sich ausdrückte, ein „guter Schritt nach vorne“ gemacht wurde.

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