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Der Nachbar schlägt das Fenster zu

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Fast ist es bereits bedauerliche Tradition: Kaum beginnen sich die Beziehungen zwischen Wien und Prag etwas zu entkrampfen, kaum zieht ein erstes laues Lüfterl nach einer Eiszeit durch den Fensterspalt, schon wird uns wieder vor der Nase der Flügel zugeschlagen.

Der schwere Grenzzwischenfall am 30. Oktober des Vorjahres, bei dem ein Flüchtling auf österreichischem Hoheitsgebiet durch CSSR-Grenzsoldaten erschossen wurde, hat die bilateralen Beziehungen schwer belastet.

Erst drei Monate später signalisierte Prag Bedauern, Hoffnung auf ein neues Tauwetter. Und anläßlich des Besuches von CSSR-Außenminister Bohuslav Chnou-pek bei den Wiener Staatsvertragsfeiern im Mai schien sich ein Durchbruch abzuzeichnen: Prag sei, ließ er wissen, sogar sehr an einer Verbesserung der Beziehungen zu Österreich interessiert. Ein erster Hoffnungsschimmer nach gut zwanzig eher problemreichen Jahren.

Was Chnoupek bekundet hat, war schon immer österreichisches Anliegen: Gute nachbarschaftliche Beziehungen zu allen angrenzenden Staaten, auch zu Ländern mit unterschiedlicher Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung.

Zu keinem Nachbarn haben wir so komplizierte Beziehungen wie zur CSSR. Dabei darf es uns Österreichern kein Trost sein, daß auch angrenzende „Bruderstaaten” Probleme im Umgang mit Prag haben.

Während sich aber etwa unsere Beziehungen zu Ungarn und Jugoslawien unabhängig von der weltpolitischen Großwetterlage erfreulich entwickelt haben, eine Nachbarschaft, die mehr als nur ein Stück Grenze gemeinsam hat, will es mit der Tschechoslowakei nicht gelingen.

Warum? Mit großer Wahrscheinlichkeit auch deshalb, weil sich Budapest und Belgrad wie Wien zu einer aktiven Nachbarschaftspolitik bekennen, zu der jeder Partner beitragen muß.

Prag hat versprochen, für die Verbesserung der Beziehung selbst auch aktiv zu werden. Das nährt Hoffnung. Es zerstört sie, wenn dann aus fadenscheinigen Gründen etwa Kardinal König die Einreiseerlaubnis zu den Method-Feiern in Velehrad verweigert wird.

Nicht (über unsere Grenze) schießen: Das macht — weil unabdingbar - noch keine gute Nachbarschaft. Dazu gehört eben mehr als Kammermusik und Kohlenhandel, mehr auch als gemeinsame Angst vor Schwefelregen und Reiseverkehr ohne Grenzschikanen.

Für gute Nachbarn darf die Schlußakte von Helsinki nicht nur Papier bleiben. Für die CSSR ist es noch dazu in zentralen Punkten unermeßlich geduldig. Seit zehn Jahren. Wir wollen gute Nachbarschaft, müssen uns selbstbewußt darum bemühen. Aber betteln brauchen wir nicht. Am Zug ist Prag.

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