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Pankow mischt Prager Karten

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Pankow mischt seit nunmehr zwei Jahren kräftig in den Prager Karten mit und das Botschaftsgebäude der DDR im Herzen Prags, einen Steinwurf von der Moldau entfernt, ist zu geschäftigem und den Pragern verdächtigem Leben erwacht. Die Aktivität des Ost-Berliner Botschafters Dr. Herbert Krolikowski folgt bar jeder Feinfühligkeit den Spuren der „Brüderlichen Hilfe“, die ostdeutsche Soldaten den Vasallen Moskaus vor drei Jahren zuteil werden ließen. Das weitläufige Haus wird von Tschechen und Slowaken höchst ungern und dann nur im Flüsterton sprechend aufgesucht, die Wände haben hier noch mehr Ohren, als man es in landeseigenen Institutionen ge- gewöhnt ist.

Während die Handelsvertretung der Bundesrepublik, seit Jahren in zwei Etagen eines großen Hotels am Wenzelsplatz residierend, der CSSR durch kräftige Steigerung der Wirtschaftsbeziehungen zu erheblichen Deviseneinnahmen verholten hat, werden im Botschaftsgebäude der DDR aus einem Reptilienfonds Gelder an fünfte Kolonnen Moskaus verteilt.

Noch vor einem Jahr waren die Omnibusse aus der DDR in den großen nordböhmischen Bädern Karlsbad, Marienbad und Franzensbad seltene Schwalben, denen auch jetzt nur sehr zögernd der Sommer folgt. In den Hotels der Kurorte unterhielt man sich, ebenso wie in den Cafės oder Bars, in allen westdeutschen Dialekten — Thüringisch und Sächsisch erklang nur in fest verschlossenen Kurhäusern. Die Gäste aus Leipzig und Jena, Bitterfeld und Zwickau wurden eindringlich vor Kontakten mit der Bevölkerung gewarnt.

Sie suchten aber auch ihrerseits keine Verbindungen aufzunehmen, weil ihnen — besser als ihren Bewachern — der wahre Grund für die offene Ablehnung der Böhmen ostdeutschen Besuchern gegenüber einsichtig war: Auch die Männer der Panzerregimenter, die im Kielwasser der Sowjets das hilflose Land im

August 1968 überfielen, sprachen Ihren Dialekt.

In umgekehrter Richtung hat der Reisestrom, der während der Dub- cek-Zeit fast völlig unterbunden war, inzwischen ein etwas größeres Ausmaß angenommen. Ostdeutsche Schuhe, Textilien und Spielwaren locken die grenznahe Bevölkerung der CSSR öfter zu einem kurzen Trip in die DDR, der Wechselkurs ist günstig und die Kaufkraft der Ostmark größer. Die Begegnung mit ostdeutschen Zöllnern freilich schreckt viele Besucher, die von eigenen Uniformierten etliches gewöhnt sind, davon ab, allzu häufig hinüberzufahren. DDR-Bürger, die in früheren Jahren, selbst vor Dubcek, nach Prag fuhren, um westdeutsche Freunde dort zu treffen, müssen seit langem darauf verzichten. Sie stehen längst auf einer schwarzen Diste und die CSSR-Ämter achten sorgsam darauf, durch Visaerteilungen nicht den Unwillen der „sozialistischen Freunde“ in Ost-Berlin zu erregen.

Was in der Bundesrepublik, insbesondere im Zeichen der neuen Ostpolitik, als Einmischung in die inneren Angelegenheiten östlicher Län-

der streng vermieden wird, übt Pankow freimütig. Die kommunistischen deutschen Volksgruppen und ihre Presseorgane — in der CSSR wie in Ungarn, in Rumänien wie in Polen — werden reichlich mit Geldern bedacht. Die „Prager Volkszeitung“, die sich seit ihrer etwas verspäteten Gleichschaltung vor einem Jahr wieder, wie einst, „Wochenblatt der deutschen Werktätigen in der CSSR“ nennt, ist nicht die einzige Nutznaeßerin dieses neu erwachten Wohlwollens, dessen Dosierung zu den Aufgaben von Krolikowski gehört; in Siebenbürgen und im Banat sowie in Budapest wären die parteiamtlichen Blätter deutscher Sprache ohne Pankows Finanzhilfe längst gestorben.

Die „Prager Volkszeitung“ zeichnet sich allerdings durch eine Hundert- fünfzigprozentigkeit aus, so daß die übrigen Blätter sich ihr gegenüber wie westliche Organe lesen.

Die Ideologie, den Tschechen und Slowaken suspekt geworden und den Deutschen lieb und teuer, steht als trennende Mauer zwischen den beiden Ländern. Sie ist im Zeichen der „brüderlichen Hilfe" und der „sozialistischen Freundschaft“ nur noch höher geworden. Landauf, landab findet der westliche Besucher in der CSSR kein Parteiabzeichen, selbst Funktionäre tragen es lieber unter als auf dem Rockaufschlag. Die demonstrative Parteifreudigkeit des DDR-Funktionärs, verbunden mit unverhohlener Geringschätzung, was die wirtschaftlichen und staatspolitischen Leistungen der CSSR angeht, das Ganze schließlich mit Ulbrich-Honeckerscher Humorlosigkeit serviert: Das ist selbst den wenigen Apparatschiks in Prag zuwider, von der Bevölkerung, die längst im strikten Gegensatz zur öffentlichen Propaganda für den Westdeutschen gegen den Ostdeutschen optiert hat, ganz zu schweigen.

Aber Pankows Mann in Prag ist der wichtigste Vorposten Moskaus. Wer sich mit ihm überwirft, gewär- tiigt weiteren Argwohn von der Newa. Das aber ist das letzte, was die unsicheren und ruhmredigen Herrn des Hradschin im Augenblick, wo die große Abrechnung mit Dub- ceks Leuten vor den Gerichtshöfen im vollen Gang ist, brauchen können.

„Die Werktätigen in der DDR“, so schrieb Dr. Krolikowski jüngst in der „Prager Volkszeitung", die zum Hofblatt Pankows avancierte, „wissen, daß sie in den Völkern der CSSR treue und zuverlässige Freunde an ihrer Seite haben.“ Das ist im östlichen Sprachgebrauch gleichbedeu- dent mit einer totalen Gleichschaltung Prag-Ostberlin.

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