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„Point of no return?“

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Nach dem Besuch von Bundespräsident Jonas Mitte November in Rom wird die Kette persönlicher Begegnungen zwischen den Staatsoberhäuptern Österreichs und seiner Nachbarländer nur noch eine Lücke aufweisen: die Tschechoslowakei wird dann das einzige unmittelbar an Österreich angrenzende Staatsgebilde sein, mit dem kein durch einen Besuch auf höchster Ebene besiegeltes Freundschaftsverhältnis besteht.

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Nach dem Besuch von Bundespräsident Jonas Mitte November in Rom wird die Kette persönlicher Begegnungen zwischen den Staatsoberhäuptern Österreichs und seiner Nachbarländer nur noch eine Lücke aufweisen: die Tschechoslowakei wird dann das einzige unmittelbar an Österreich angrenzende Staatsgebilde sein, mit dem kein durch einen Besuch auf höchster Ebene besiegeltes Freundschaftsverhältnis besteht.

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Mit den Worten eines hochgestellten Mannes auf dem Ballhausplatz: „Man besucht nur Leute, mit denen man nicht bös ist, und mit der CSSR sind wir noch bös.“

Zankapfel zwischen Österreich und seinem nördlichen Nachbarland bilden die offenen Vermögensprobleme. Bekanntlich hat die CSSR einen unfreundlichen Artikel in einer österreichischen Zeitung vor einigen Monaten zum Anlaß genommen, die Vermögensverhandlungen einzufrieren; die Meinungsäußerung eines Journalisten in einem Land mit Pressefreiheit hatte damals „die Atmosphäre so vergiftet“, daß die

Gegenseite nicht weiterreden wollte. Aber mittlerweile haben bekanntlich Außenminister Kirchschläger und sein tschechoslowakischer Amtskollege anläßlich einer Zusammenkunft in New York ein „produktives Gespräch“ miteinander geführt.

Staatsbesuche, so wird auf dem Ballhausplatz inoffiziell betont, können entweder die Krönung einer Entwicklung darstellen oder aber, wenn die Dinge weit genug gediehen sind, wichtige Impulse geben. In den Beziehungen zwischen Österreich und Italien sind — dies ist die vorherrschende Überzeugung in Österreichs Kanzleramt, Außenamt und

Präsidentschaftskanzlei — diese Voraussetzungen gegeben: Demnach wäre „ein point of no return erreicht“, an dem es kaum nodi eine Umkehr gibt, so daß erwartet werden kann, daß der italienische Partner auch den Rest dessen, was er im sogenannten Operationskalender versprochen hat, erfüllen wird.

Dazu gesellt sich das Nahverhältnis zweier Staatsoberhäupter; denn Jonas und Saragat gelten als gute Freunde. Optimisten hoffen gar, daß Italiens abgehender Präsident, der bekanntlich nicht wieder kandidiert, in seiner restlichen Amtszeit in humanitären und Begnadigungsfragen einen (österreichischen Vorstellungen entsprechenden) Gebrauch von seinen Entscheidungsmöglichkeiten machen wird.

Der bevorstehende Besuch des österreichischen Bundespräsidenten in Rom stößt daher — so Diplomaten in Wien und Rom — auf wesentlich geringeren Widerstand als die seinerzeitige Reise von Außenminister Kirchschläger, die von zwei wichti gen, damals noch unerledigt in der Luft hängenden Fragen überschattet war: der bevorstehenden Neufestlegung der italienischen Senatswahlkreise und der ENEL-Problematik (Elektrizitätsversorgungsprobleme auf lokaler Ebene).

Nach der endgültigen Verabschiedung der italienischen Verfassungsgesetze in zweiter Lesung sind aber nur noch untergeordnete Fragen offen, und am Horizont erscheint die große Hoffnung auf eine Ausgestaltung der seit zwei Jahrzehnten in vielen Beziehungen vernachlässigten Beziehungen zwischen Österreich und Italien auf vielen Gebieten, auf kulturellem, wirtschaftlichem und wohl auch rechtlichem Gebiet.

Dabei sind die Probleme, die während eines italienisch-österreichischen Historikertreffens gelöst werden sollen, nur ein Beispiel für viele. Die Historiker der beiden Länder sollen Verschiedenheiten der Auffassung, die zu bemerkenswerten Differenzen bei der Darstellung der gegenseitigen Beziehungen in den Schulbüchern der beiden Länder führten, auf einen Nenner bringen. Damit würden Österreich und Italien einer Empfehlung der UNESCO gerecht, die auf eine Versachlichung der Darstellungen im politisch-historisch-pädagogisch-emotionellen Überschneidungsgebiet drängt.

Auch das „accordino“, der „kleine Handelsvertrag“ zwischen Tirol und Vorarlberg auf österreichischer Seite und den entsprechenden italienischen Provinzen, soll erweitert werden.

Italien entfaltet in Österreich schon seit einiger Zeit verstärkte Aktivität in kultureller Beziehung; Österreich hinkt, infolge geringerer finanzieller Leistungsfähigkeit, einstweilen noch nach.

Doch auch kleine Schritte sind Schritte — so ist, dem Vernehmen nach, durchaus daran gedacht, die in mehreren Fremdsprachen verfügbaren Informationen über Österreich, die für fremde, Österreich besuchende Journalisten in Wien bereitliegen, auch durch eine italienische Übersetzung zu bereichern.

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