Erstaunt soll sich der tschechoslowakische Regierungschef Lubomir Strougal über den hohen Sensibilitätsgrad der Österreicher in Sachen Menschenrechte gezeigt haben. Die Information Kanzler Franz Vranitzkys traf ihn wohl wie ein Blitzschlag.
Seit Jahren stellt Österreich seinem nördlichen Nachbarn Fragen über Reli-gions- und Gewissensfreiheit via Medien. Ist das für die hohen Herren in Prag kein Zeichen von Betroffenheit? Gilt nur das diplomatisch-kalmierende Geplänkel bei Staatsbesuchen mit gegenseitigen Erklärungen, wie hoch das Niveau der bilateralen Beziehungen sei?
Kein Wunder, daß mit jedem offiziellen Politikerbesuch der letzten Jahre das Verhältnis Österreich-CSSR neu bestimmt werden mußte, um nach kürzester Zeit wieder zur Ausgangslage zurückzukehren.
Acht Stunden fährt man mit der Bahn heute von Wien nach Prag — eine Strecke, kürzer als Wien—Salzburg. Die Visabestimmungen halten viele von Freundschaftsbesuchen ab. Der Eiserne Vorhang ist im Norden Österreichs am undurchlässigsten. Hilferufe von Christen aus der CSSR sind nach wie vor traurige Realität.
Österreich muß mit diesem kommunistischen Nachbarn eine klarere Sprache sprechen. Dann wird Erstauntheit von politischem Problembewußtsein abgelöst werden.
