Mutter Kirche und Vater Staat

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Slowakei: Sie verstehen sich blendend - der 85-jährige Kardinal Ján Chryzostom Korec und Ministerpräsident Robert Fico. Ihr gemeinsamer Nenner hat neben einer sozialen vor allem eine nationale Komponente, wie ein Blick auf jüngste Ereignisse vermuten lässt.

Nitra hat bei den Slowaken als vom Slawenapostel Method gegründeter Bischofssitz ungefähr den Stellenwert, den in Österreich Mariazell genießt, und Kardinal Ján Chryzostom Korec, der dort von 1990 bis 2005 Diözesanbischof war, einen Ruf, der jenem Kardinal Königs zumindest gleichkommt.

König verfasste auch das Vorwort zur deutschen Ausgabe des Buches "Die Nacht der Barbaren", in dem der Jahrzehnte hindurch amtsbehinderte und acht Jahre lang eingesperrte Jesuit seine Erlebnisse "als Geheimbischof in der Kirche des Schweigens" eindringlich schildert.

Die zweite Karriere

Völlig unbeachtet geblieben ist im Westen hingegen die Karriere, die Korec ohne sein Zutun nach seiner Emeritierung machte. Als bei den Parlamentswahlen 2006 der Linkspopulist Robert Fico durch eine Koalition mit slowakischen Nationalisten die christdemokratische Koalition Mikulá\0x02C7s Dzurindas aus dem Sattel hob, hatte er nichts Eiligeres zu tun, als nach Nitra zu pilgern, um das personifizierte Gewissen der Nation für sich zu vereinnahmen und sich zugleich der Kyrill- und-Method-Tradition zu bemächtigen.

Erstaunt registrierte die Öffentlichkeit, wie gut sich Fico und der fast doppelt so alte Korec verstanden. Auf die Frage, ob ihn an der neuen Regierung nicht die vielen Exkommunisten störten, erklärte der Kardinal, der Mensch könne "seine Haltungen, Ansichten, Denkweisen und Taten korrigieren". Und zum "Vertrag über den Gewissensvorbehalt", wegen dessen nicht erfolgtem Abschluss mit dem Heiligen Stuhl die Konservativen die Regierung Dzurinda von innen gesprengt hatten, meinte er, das neue Kabinett habe "jetzt genug Probleme" und "akuter" sei, "dass manche unserer Leute nichts haben, was sie auf den Tisch legen können".

Fundamentalopposition

Dass der gemeinsame Nenner der beiden Männer neben der sozialen vor allem eine nationale Komponente hat, zeigte sich insbesondere, als Kardinal Korec beim Staatsakt zum 15. Geburtstag der Republik am 1. Jänner 2008 das Wort ergriff. In den Zehn Geboten werde die "Liebe zu den Eltern und zur Familie auf die Liebe zum Volk ausgeweitet", erklärte er, und "jedes selbstbewusste Volk" wolle "natürlich durch einen Staat und dessen Unabhängigkeit die Vollendung erlangen". Korec vergaß zwar nicht, den Segen Gottes "auch auf alle Bürger der Slowakischen Republik mit ihren Nationalitäten" herabzurufen, aber zuerst galt sein Segen doch "dem slowakischen Volk".

Erwartungsgemäß ist das Verhältnis von Ficos Regierung zur katholischen Kirche nicht friktionsfrei geblieben. Beispielsweise lehnt die Bischofskonferenz die Einführung eines Ehevertrags ab, da durch die Klärung der Besitzverhältnisse vor der Heirat die Scheidungsmentalität gefördert werde. Fundamentalopposition betreibt sie auch in Bezug auf das so genannte "Schutzprogramm für die sexuelle und Reproduktionsgesundheit", das einen erleichterten Zugang zu Verhütungsmitteln und vor allem die Einführung eines selbständigen Sexualkundeunterrichts vorsieht.

Pilgernde Politiker

Aber die Grundpfeiler des Stillhalteabkommens von 2006 - die Kirche verzichtet für diese Legislaturperiode auf den Vertrag über den Gewissensvorbehalt und die Regierung auf die Anerkennung homosexueller Partnerschaften - halten bis heute. Und der 85. Geburtstag von Kardinal Korec am 22. Jänner dokumentierte die Nähe von "Mutter Kirche und Vater Staat" (Originalton Robert Fico) wieder einmal eindrucksvoll, machte dem Kardinal in Nitra doch nicht nur der Ministerpräsident die Aufwartung, sondern auch Ivan Ga\0x02C7sparovi\0x02C7c, der am 21. März für eine zweite Funktionsperiode als Präsident der Republik kandidiert.

Ein Gesichtsbad nahm Ga\0x02C7sparovi\0x02C7c so wie jedes Jahr auch beim Neujahrsgottesdienst im Pressburger Martinsdom, den erstmals Stanislav Zvolensk´y zelebrierte. In seiner Predigt verknüpfte der neue Erzbischof den heurigen Geburtstag der Republik mit der am selben Tag erfolgten Einführung des Euro und wählte dafür das Bild des Kreuzes, das eine "Achse" sei, die die "geschichtliche, identitätsbezogene" Dimension mit der "integrationsbezogenen und universalistischen" verbinde.

Lästige Ungarn

Als wichtigstes Ereignis des Vorjahres im Leben der katholischen Kirche der Slowakei bezeichnete Zvolensk´y die von Papst Benedikt XVI. im Februar verfügte radikale Änderung der Diözesanstruktur. Von Besitzstreitigkeiten, dem Aufbau neuer Ordinariate und der nicht immer einfachen Umpolung des Klerus auf andere Ordinariate abgesehen ist die pastorale Nützlichkeit der Neuordnung weitgehend unbestritten.

Durch die diözesane Zerstückelung ihres Siedlungsgebiets brüskiert fühlen sich jedoch die slowakischen Ungarn. Der Vorsitzende der "Partei der Ungarischen Koalition", Pál Csáky, schlug angesichts des bereits erfolgten oder bevorstehenden 75. Geburtstags von drei Diözesanbischöfen vor, einen der vakant werdenden Bischofssitze mit einem Ungarn zu besetzen, der dann auch für die Ungarn in den anderen Diözesen zuständig wäre; sein Stellvertreter Miklós Duray ging darüber hinaus und forderte ein eigenes Bistum sowie das nationale Selbstbestimmungsrecht nach dem Vorbild Südtirols.

Die Kaltschnäuzigkeit, mit der schon das moderatere Ansinnen von der Kirchenleitung abgeschmettert wurde, und die Zustimmung, die sie dafür in den Medien und bei den politischen Parteien aller Couleurs erntete, hat Robert Fico in seinem Kuschelkurs mit katholischer Kirche und slowakischen Nationalisten gewiss bestärkt.

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