Zwei Länder feiern die Slawenapostel

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Tschechien und die Slowakei feiern die Ankunft der Slawenapostel Zyrill und Method im Großmährischen Reich vor 1150 Jahren

Dass die Brüder aus Thessaloniki zu den einflussreichsten Kulturträgern der europäischen Geschichte zählen, ist unbestritten. Sie entwickelten das glagolitische Alphabet, aus dem später das zyrillische hervorging, sie übersetzten Teile der Heiligen Schrift und feierten den Gottesdienst in einer nicht biblischen Sprache. Damit nahmen sie das Votum der Reformation und des Zweiten Vatikanums für die Volkssprachen um mehr als ein halbes beziehungsweise ganzes Jahrtausend vorweg.

Dass Zyrill und Method mit ihren Reformen nach dem Schisma von 1054 zu Ahnherren der Orthodoxie wurden, ist weltweit Gemeingut; dass sie auch im Katholizismus Spuren hinterlassen haben, hingegen bis heute wenig bekannt. Daran hat auch ihre Erhebung zu Mitpatronen Europas durch Johannes Paul II. nichts geändert.

Tschechien und die Slowakei

Nicht zufällig hat der slawische Papst, von Polen einmal abgesehen, auf der ersten Reise in ein Land jenseits des Eisernen Vorhangs nach dessen Aufgehen zwischen Prag und Pressburg in Velehrad Halt gemacht. Dieser Ort in der Mährischen Slowakei, die zur Tschechischen Republik gehört, beruft sich darauf, der Sterbeort Methods zu sein.

Alljährlich findet hier am Zyrill- und-Method-Tag, dem 5. Juli, der in Tschechien ebenso wie in der Slowakischen Republik ein Staatsfeiertag ist, eine Nationalwallfahrt statt. Hier tagte zu Beginn des dritten Jahrtausends die Landessynode der tschechischen katholischen Kirche und hier fanden zu Beginn des 20. Jahrhunderts Unionskongresse statt, die versuchten die slawischen Völker der Donaumonarchie kirchlich zusammenzuführen.

In Velehrad sollen am 5. Juli 2013 die Zyrill- und-Method-Feiern in der Tschechischen Republik kulminieren, die soeben am 25. Mai mit einer Romwallfahrt ans Grab des heiligen Zyrill offiziell eingeläutet wurden. Wann genau die Glaubensboten das Großmährische Reich betreten haben, ist nicht bekannt.

In der Slowakischen Republik beginnt das Festjahr offiziell erst am 5. Juli dieses Jahres, dafür ist sein Abschluss erst für den 31. Dezember 2013 geplant. So wie in Velehrad hofft man auch in Nitra, wo 880 die erste belegbare Diözese Ostmitteleuropas errichtet wurde, auf einen Besuch von Papst Benedikt XVI. und beobachtet mit einiger Sorge dessen nachlassende physische Kräfte.

Die Vorbereitung des Jubiläums läuft freilich generalstabsmäßig. Der Sankt-Emmerams-Dom in Nitra ist fast fertig restauriert, eine Zyrill-Reliquie wandert bis ins entlegenste Bergdorf, einmal im Monat soll in allen Kirchen über die beiden Brüder gepredigt werden und auch die Lange Nacht der Kirchen am 1. Juni stand bereits im Zeichen des Jubiläums.

Einen Einblick in seine Implikationen erlaubte das Zyrill- und-Method-Gedenken in Devín am letzten Aprilsonntag. Als Zelebranten begrüßte Pfarrer Marián Gavenda, vormals Pressesprecher der Slowakischen Bischofskonferenz, den Metropoliten der Griechisch-Katholischen Kirche, Ján Babjak. Zu Wort kam aber auch der Vorsitzende der Kulturvereinigung Matica Slovenská, Marián Tkáˇc, der überzeugt ist, dass Method nicht in Velehrad, sondern hier an der Marchmündung begraben ist. Die Politik vertraten die rivalisierenden christdemokratischen Politiker Ján Figel’ und Pavol Freˇso. Gedacht wurde auch des Marsches des Protestanten L’udovít ˇStúr und seiner Freunde an die damalige Grenze Ungarns zu Österreich im Jahr 1836, eines Meilensteins der slowakischen Nationswerdung.

Politische Implikationen

Während der Zyrill- und-Method-Kult in Tschechien eher versöhnlich angehaucht ist, wohnt ihm in der Slowakei nach wie vor ein kämpferischer Zug inne. In Böhmen stellt er nur ein Vorspiel zum Wenzelskult dar, der für den Beginn einer jahrhundertelangen Staatlichkeit steht, im ehemaligen Oberungarn hingegen muss er im Paket mit Großmähren als Gründungsmythos der jungen Republik herhalten. Und da die Ungarn als selbstbewusste Minderheit nach wie vor präsent sind, stehen Zyrill- und-Method-Denkmälern König-Stephan-Denkmäler gegenüber und wird ständig um die Auslegung der Verfassung gestritten, in deren Präambel das Erbe Zyrills und Methods verankert ist - als geistiges ist es allgemein anerkannt, als geistliches aber nur von den Kirchen, die daraus konkrete Forderungen ableiten.

Bisweilen erinnert das anlaufende Jubiläum an Robert Musils Parallelaktion der Vorbereitung des Regierungsjubiläums Kaiser Franz Josefs zu jenem Kaiser Wilhelms, in der der Protagonist Ulrich dennoch keinen Lebenssinn findet. Was wird mit den großangelegten Feiern - es wird Kongresse in Prag, Pressburg und Rom geben und etliche Ausstellungen - innerkirchlich überdeckt? Und wie würden sie ablaufen, wenn die Tschechoslowakei nicht zerbrochen wäre? Doch Vorsicht im Urteil ist geboten, berufen sich doch auch Dissidenten wie etwa der verstorbene Geheimbischof Felix Davídek auf das Erbe der Slawenapostel. Dieses Erbe lebt.

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