7067281-1992_09_11.jpg
Digital In Arbeit

EIN GUTER NACHBAR IST EIN ECHTER SCHATZ

Werbung
Werbung
Werbung

Die Nachbarschaft war für die Ungarn immer sehr wichtig. „Ein guter Nachbar ist ein echter Schatz" - so ein altes ungarisches Sprichwort. Jahrhundertelange Erfahrungen sind in einem Satz verdichtet. Unter der türkischen Herrschaft, als das Sprichwort entstand, bedeutete ein wohlwollender Nachbar ein gewisses Sicherheitsgefühl: Die Hilfsbereitschaft und die Solidarität waren die einzige Chance fürs Überleben.

Jahrhunderte später ist es auch gültig und betrifft nicht nur den einzelnen. Für Ungarn und für die ungarische katholische Kirche war und blieb der westliche Nachbar wichtig und achtenswert.

Zwei ungarische Diözesen liegen an der westlichen Staatsgrenze, die unter der kommunistischen atheistischen Herrschaft auch Beziehungen mit den nachbarlichen Diözesen hatten. Nach dem Machtwechsel sind diese Kontakte lebendiger und freier geworden - informieren in der Diözese Györ der Leiter des bischöflichen Büros, Gyula Nemeth, und in der Diözese Szombathely der Bischof, Istvän Konkoly.

Gyula Nemeth sagt: „Unser westlicher Nachbat, die Diözese Eisenstadt, ist nach dem Ersten Weltkrieg entstanden. Der größte Teil ihres Gebietes gehörte vorher zur Diözese Györ. Es gibt viele hier und drüben, die auf der anderen Seite der Staatsgrenze Verwandte haben. Österreichische, ungarische und kroatische Familien sind von der Grenze getrennt worden, sie haben versucht, durch und gegen den Eisernen Vorhang ihre Beziehungen zu pflegen."

Diese Leute, die vom Leiter des bischöflichen Büros erwähnt werden, sind überwiegend Katholiken, ihre spontanen Kontakte gehören zu den kirchlichen Beziehungen.

Seit langem ist die Verbindung zwischen den nachbarlichen Bischöfen freundlich. Bischof Stefan Läszlö wird zu jeder größeren kirchlichen Feier eingeladen, und der Oberhirte von Györ besucht auch oft Eisenstadt. Außer diesen Gesten kommt oft auch große Hilfe von dem „reicheren Bruder". In den sechziger Jahren hat Györ für die Restaurierung der Kathedrale von der Diözese Eisenstadt bedeutsame finanzielle Unterstützung bekommen. In jüngster Zeit erhielt die ungarische Diözese für zwei neue katholische Schulen in Sopron in großer Menge Schulausstattungen und Heizungsapparate.

Aus zahlreichen Pfarren fuhren voriges Jahr Gläubige nach Sankt Margarethen, um den Passionsspielen zuzuschauen. Die von den ungarischen Gästen stammenden Einkünfte haben die Organisatoren zurückgegeben, für den Aufbau der Krankenhauskapelle in Sopron.

Es gibt gute Kontakte zwischen mehreren Pfarren, zum Beispiel Deutschkreutz und Nagycenk. Auf der Oster-Prozession in Nagycenk musiziert die Bläserkapelle von Deutschkreutz, und die ungarischen Gläubigen beteiligen sich bei feierlichen Anlässen in Deutschkreutz. Im Jahre 1990 organisierten österreichische Dörfer an den Fertö-See eine Wallfahrt, nach Fertöszeplak. Ein Jahr später pilgerten die Ungarn auf die andere Seite der Grenze.

Auch die Diözese Szombathely hat lebendige Kontakte mit den nachbarlichen Diözesen, mit Eisenstadt und Graz.

„Wir beteiligen uns immer an feierlichen Gelegenheiten", sagt Bischof Konkoly. „Die wichtigsten waren selbstverständlich die päpstlichen Messen in Trausdorf und bei uns in Szombathely. Die verschiedenen Veranstaltungen der österreichischen Frauen- und Männerbewegung und der Arbeitnehmerbewegung bedeuten für unsere Leute gute Möglichkeiten, zu lernen. Die jüngeren Generationen in Ungarn haben gar keine Erfahrungen in diesem Bereich."

Der Bischof von Szombathely spricht über eine Zusammenarbeit im Interesse derhoffentlichen Heiligsprechungen von Batthyany-Strattmann und der Renovierung der Szent-Imre-Kirche direkt an der Grenze.

„Es war eine große Hilfe» daß die Diözese Eisenstadt den päpstlichen Altar aus Trausdorf verl iehen hat. Was die finanzielle Unterstützung betrifft: Viele von unseren Pfarren erhalten Geldhilfe - meistens für die Renovierung der Kirche. Seit mehreren Jahren wird von Eisenstadt das Katholische Bildungshaus in Szombathely unterstützt. Auch aus Graz bekommt die Diözese finanzielle Unterstützung: vom Bistum, vom Styria-Verlag und von verschiedenen Pfarren."

Bischof Konkoly spricht über viele direkte Kontakte zwischen österreichischen und ungarischen Pfarren, Priestern, katholischen Gruppen und Gläubigen. Der Zweck ist: einander besser kennenzulernen und aus den Erfahrungen und Ergebnissen der anderen zu lernen.

Die Hilfe, die bisher die ungarische Kirche und diese zwei Diözesen vom westlichen Nachbarn erhalten haben, war lebenswichtig. Und in der näheren Zukunft ist sie auch nicht entbehrlich. Aber auch in der Gegenwart sollen wir die Möglichkeiten suchen, in welchem Bereich wir für die Nachbarn hilfreich sein könnten. Denn gute Nachbarschaft kann langfristig nur auf Wechselseitigkeit begründet werden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung