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Krise in Ungarns Bischofskonferenz

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Mit der Ablösung des kommunistischen Systems sind in Ungarn die Beschränkungen für das Wirken der Kirche und der Religionsgemeinschaften gefallen. Da auch die bisherigen gesellschaftlichen Strukturen zerschlagen wurden, setzte man alle Hoffnungen auf die Kirche, die in den Augen vieler Ungarn noch eine intakte innere Struktur besitzt.

Religiös zu sein wurde zu einer Modeerscheinung, so daß sich jetzt an die 70 Prozent der Ungarn als religiös bezeichnen. Auch im politischen Leben beginnt die religiöse Zugehörigkeit eine Rolle zu spielen. Die Nicht-Religiösen werden als Kommunisten abgestempelt und als Bürger zweiter Klasse betrachtet. Doch wie ist die Religiosität in Wirklichkeit? Die Jugend interessiert sich für die katholische Kirche kaum. So nehmen zum Beispiel an dem jetzt erlaubten Religionsunterricht in den Schulen nur etwa zehn Prozent aller Kinder teil.

„In der Kirche zu sein", erklärte in einem Gespräch mit der FURCHE Marian Kanai von der katholischen Jugend in Budapest, „bedeutet gewisse Regeln einzuhalten, besonders was die Moral anbelangt." Um die kirchlichen Regeln einzuhalten, müßte die Jugend auf einiges verzichten. Sie ist aber in der heutigen konsumorientierten Gesellschaft dazu nicht bereit. Den tieferen christlichen Glauben entwickeln nur diejenigen, die das Christentum von ihren Eltern und Großeltern überliefert bekommen haben. In der Großstadt Budapest gruppieren sie sich in acht Pfarren, die von jungen Priestern betreut werden. Doch auch bei diesen Gruppen enden die Kenntnisse von der kirchlichen Hierarchie mit dem jeweiligen Priester. Wie Marian Kanai feststellte; „Wir kennen vielleicht noch den Namen von Kardinal Paskai, aber die ganze Hierarchie ist sehr weit von uns. Bischöfe und Kardinäle gehören nicht zur lebendigen Kirche!"

Die Hierarchie ist nicht nur von ihren Gläubigen entfernt, sondern auch innerlich zerstritten. Die Folgen der kommunistischen Ära hat der Klerus immer noch nicht bewältigt, und es herrscht großes Mißtrauen in der ungarischen Hierarchie. Das war auch der Grund, warum der Benediktinerabt Bischof Asztrik Varszegi als Sekretär der Ungarischen Bischofskonferenz zurückgetreten ist. Seinen Rücktritt begründete er damit, daß er nicht mehr imstande war, unparteilich als Sekretär einerOrganisation zu fungieren, die innerlich uneinig sei.

„Unter diesen Umständen will man", erklärte gegenüber der FURCHE der Religionssoziologe Miklos Tomka, „einen jungen, derzeit in Rom lebenden Priester, Ternyak Csoba, zum Bischof weihen und ihn zugleich zum Sekretär der Ungarischen Bischofskonferenz bestellen." Doch trotz dieser Umstände kann man von Resignation in der Kirche Ungarns nicht sprechen. Wie Professor Tomka betont, „wollen die engagierten Laien, ohne auf die Entscheidungen der Hierarchie zu warten, selbst die Initiative ergreifen."

Zum Beispiel will man in den Diözesen Szeged-Csonad und Esztergom Diözesansynoden durchführen. In Esztergom, wo die Synode für den nächsten Sommer geplant ist, haben sich bereits siebzehn thematische Kommissionen konstituiert

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