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Vorarlberg wünscht eine Diözese

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Die über das Konkordat vom

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Die über das Konkordat vom

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3. - Juni 1933 hinausgehende kanonische Errichtung der Diözese Burgenland und der Antrag der österreichischen Bischofskonferenz an die Bundesregierung auf Schaffung einer Diözese mit dem Sitz in Innsbruck haben in Vorarlberg den mehr als hundert Jahre alten Wunsch nach einer Diözese für Vorarlberg allein (mit dem Sitz in Feldkirch) neuerlich zum Ausdruck kommen lassen, zumal mit der Errichtung der Diözese Burgenland Vorarlberg das einzige österreichische Bundesland ist, das kein Bis’tum innerhalb seiner Landesgrenzen besitzt.

Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit war Vorarlberg keine kirchliche Einheit. Dasselbe gilt von Tirol, an dem bis zum Jahre 1785 nicht weniger als elf Bistümer Anteil hatten. Mitte und Süden Vorarlbergs gehörten zu dem seit der Römerzeit bestehenden Bistum Chur. Der Norden des Landes war seit dem 7. Jahrhundert ein Teil des Bistums Konstanz, dessen heiliger Bischof Gebhard der Sohn eines Grafen von Bregenz war. Einige Pfarren im Norden und Nordosten des Landes waren der Diözese Augsburg eingegliedert. Dazu kommen die bis zum Reichsdeputationshauptschluß 1802 bis 1803) auch weltlich den außerhalb der Landesgrenzen liegenden Stiften Weingarten und Einsiedeln zugehörenden Gemeinden; diese Erinnerung lebt in der Inkorporation mehrerer Pfarren in das Stift Einsiedeln bis zur Gegenwart fort. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß die Stella Matutina in Feldkirch der Schweizer Jesuitenprovinz angegliedert und daß die Zisterzienserabtei Mehrerau die einzige gefreite Abtei Österreichs ist.

Nur „ad interim”

Im Zuge seiner Reformen plante Kaiser Joseph II. ein Bistum Bregenz, dem Teile Nordtirols und Vorderöster- gelchs untergeordnet yrerden . šolltefr Das Bestreben die kirchlichen Beziehungen zur Schweiz zu lösen, und zugleich der Zusammenbruch des Bistums Konstanz ließen Vorarlberg zur kirchlichen Einheit werden. Kardinal Consalvi stritt mit der österreichischen Regierung ein Jahr lang um eine eigene Diözese Vorarlberg, welche in der päpstlichen Bulle „Ex imposito Nobis divinitus pastoralis sollicitudinis officio” vom 2. Mai 1818 ausdrücklich in Aussicht gestellt wurde. Ledig lich die von staatlicher Seite behaupteten Dotationsschwierigkeiten verhinderten die Errichtung einer Diözese Feldkirch bereits vor 143 Jahren. Damals wurde Vorarlberg „ad interim” Brixen unterstellt und in Feldkirch ein Generalvikariat gegründet. Es lag also niemals eine definitive Zugehörigkeit Vorarlbergs zu Brixen vor, weshalb von einer „Losreißung” aus einem bestehenden Verband nicht gesprochen werden kann.

Der Vorarlberger Landtag beschäftigte sich im Jahre 1887 mit der Bistumsfrage, wobei Geeeralvikar Doktor Zobel unter Berufung auf den Fürstbischof von Brixen bestätigte, daß das Versprechen der Bulle „Ex imposito” noch gültig sei. Die Grenzziehung am Brenner durch den Vertrag von St. Germain machte die kirchliche Verwaltung Nordtirols durch Brixen praktisch unmöglich. Während deT ersten Jahre nach dem ersten Weltkrieg wurde Nordtirol provisorisch von Feldkirch aus kirchlich verwaltet. Das von Österreich mit dem Heiligen Stuhl am 5. Juni 1933 abgeschlossene Konkordat sieht in § 2 des Art. III eine Diözese Innsbruck mit einem eigenen C meralvikąriat für Vorarlberg mit dem Sitz in Feldkirch vor, gleichzeitig die Errichtung einer Prae- latura nullius für das Burgenland.

Nun sind mit der Gründung einer vollen Diözese für das Burgenland sowohl der Vatikan wie die Republik Österreich, welche die Diözese Eisenstadt dotiert hat, über die Bestimmungen des Konkordats weit hinausgegangen. Es darf sich also Vorarlberg mit seinem Wunsch, nicht bei dem im Konkordat vorgesehenen Generalvikariat stehenzubleiben, sondern gleich dem Burgenland zu einer Diözese zu gelangen, auf einen Präzedenzfall aus dem Jahre 1960, also aus jüngster Zeit, berufen. Vorarlberg zählt nicht ganz so viele Katholiken wie das Burgenland, ist aber zum Unterschied vom Burgenland geschlossen katholisch und vor allem wirtschaftlich zum Tragen eines kirchlichen Verwaltungskörpers kräftiger. Das Land Vorarlberg hat für den Bischof in Feldkirch eine Villa erworben. Auf der anderen Seite wies bei der Beschlußfassung über eine Landessubvention an das Priesterseminar Innsbruck der Landeshauptmann darauf hin, daß auch nach Verwirklichung einer Diözese für Vorarlberg die Theologiestudenten weiter in Innsbruck ausgebildet würden. Die Errichtung einer Diözese in Feldkirch gefährdet also die kirchlichen Bildungsstätten in der Tiroler Landeshauptstadt keineswegs.

Dechanten und Dekane

Kaum zwei andere aneinander grenzende österreichische Bundesländer sind strukturell so verschieden wie Vorarlberg und Tirol. Der Vorarlberger ist Alemanne, der Tiroler Baju- ware. Vorarlberg ist weit stärker industrialisiert als Tirol, hat aber zum Unterschied von Tirol keine Großstadt. Die Lebensform des Vorarlbergers und des Tirolers unterscheiden sich weitestgehend voneinander. Es geht wahrlich nicht nur darum, daß man in Tirol „Dechant” und in Vorarlberg ..Dekan” sagt. ., Auch unter der gegenwärtig bestehenden kirchenrechtlichen Verbindung werden Versetzungen von Priestern zwischen Tirol und Vorarlberg nur in den seltensten Ausnahmefällen geübt, weil eben die seelsorgliche Betreuung der Vorarlberger und der Tiroler andere Persönlichkeiten erfordert. Zwischen den beiden Landeshauptstädten liegen vier Schnellzugstunden innerhalb derselben Diözese, ein in Österreich einzig dastehender Fall! Eine im „Orbis Catho-

licus” veröffentlichte, ausführliche Studie bezeichnete Diözesen zwischen 200.000 und 400 000 Seelen als optimale Lösung für die westeuropäischen Verhältnisse, womit eine Diözese Vorarlberg ebenfalls gestützt erscheint.

Der Vorarlberger Landtag hat in einer einstimmig angenommenen Entschließung vom 20. April 1953 die

Bitte nach Errichtung einer Diözese Feldkirch zum Ausdruck gebracht. Dieser Wunsch ist seither im Vorarlberger Landtag wiederholt vorgebracht worden, und zwar von Sprechern aller Parteien. In der Sitzung des Vorarlberger Landtages vom 21. Dezember 1960 kam der Bürgermeister von Bregenz auf das Problem zu sprechen; nach einem ausführlichen geschichtlichen Rückblick appellierte der Redner namens des Landtages an Landeshauptmann und Landesregierung, den Antrag der österreichischen Bischofskonferenz nach Errichtung einer Diö zese Innsbruck zu unterstützen, aber gleichzeitig auf die Errichtung einer eigenen Diözese Feldkirch hinzuwirken.

Es ist nicht recht verständlich, daß von Tiroler Seite gegen eine Diözese Feldkirch Stellung genommen und dabei auf das schmerzliche Kapitel Südtirol verwiesen wird. In Wirklichkeit zieht die Errichtung einer Diözese Innsbruck heuer nur noch eine kirchliche Grenze am Brenner nach, die faktisch schon seit mehr als vierzig Jahren besteht, während es für das Bistum Brixen und für Südtirol ganz gleichgültig ist, ob die nächste Diözesangrenze am Arlberg oder am Rhein verläuft. Mit Südtirol hat vielleicht eine Diözese Innsbruck, eine Diözese Feldkirch aber so gut wie gar nichts zu tun. Dasselbe gilt von der Grenze des Innsbrucker und des Salzburger Kirchengebietes. Die Westgrenze des Erzbistums Salzburg am Ziller geht auf die Zeit des heiligen Bonifatius zurück und hat mit einem Generalvikariat oder Bistum Feldkirch nicht den mindesten Zusammenhang.

Mit landesüblicher Sparsamkeit

Seit neuestem wird auf die Kostenfrage verwiesen. In Vorarlberg besteht eine Bischofskirche und seit dem Vorjahr ein Knabenseminar, während ein Priesterseminar, wie schon erwähnt, zunächst gar nicht angestrebt wird. Die Bereitstellung von Wohnungen für Mitglieder des bischöflichen Ratskollegiums ist kein Problem. Einem bischöflichen Pfründenvermögen kommt in der Zeit der Kirchenbeiträge und der pauschalen Staatsleistung lange nicht mehr die Bedeutung zu wie im Jahre 1818. Überdies würde sich eine kirchliche Diözesanverwaltung Vorarlbergs an die bekannten Vorarlberger Sparsamkeitsgrundsätze halten. Letzten Endes hätte der Bund, so wie er es im Burgenland getan hat, die Möglichkeit, seine Pflicht zur Ausstattung einer Diözese Vorarlberg dadurch zu erfüllen, daß er die in Vorarlberg liegenden Bundesforste heranzieht. Wenn durch eine Diözesanerrichtung finanzielle Probleme entstehen, dann gilt dies in Innsbruck, nicht aber in Feldkirch-

So sprechen für eine Diözese Vorarlberg mit dem Sitz in Feldkirch wohl viele Gründe, doch ist kein einziges stichhaltiges Gegenargument vorzubringen. Es ist darum Sache der österreichischen Bundesregierung, den historisch und seelsorglich wohlbegründeten Vorarlberger Wunsch in ihre künftigen Verhandlungen mit dem Vatikan über die Durchführung des Konkordats einzuschließen.

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