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Land der Amateure

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In Vorarlberg wurde schon von alters her Theater gespielt, meist von Kolpings- und Arbeitervereinen, Jugendgruppen, in Schulen und gelegentlich auch bei verschiedenen Vereinsveranstaltungen anderer Art, die einen „Eintakter“ zur Füllung ihres Programmes brauchten oder mißbrauchten. Hier muß erwähnt werden, daß die Marktgemeinde Götzis Sitz eines sehr fleißig spielenden Theatervereines war, der Jahr für Jahr volkstümliche und klassische Schauspiele aufführte und durch seine „Passionsspiele“ im ganzen Land berühmt wurde.

Nach dem Zweiten Weltkrieg erkannte man, daß das darstellende Spiel als Persönlichkeitsbildung und positive Freizeitbewältigung eine ganz besondere Pflege verdient Damals wurde der Begriff „Laienspiel“ geprägt, der aber späterhin in „Amateurtheater“ umgewandelt wurde, da diese Bezeichnung einen größeren Spielraum umfaßt.

Theater-Idealisten taten sich zusammen, um dem Amateurtheater in Vorarlberg Hilfen, Vertiefung und Aufwertung zu geben. In Feldkirch, später auch noch in Lauterach, wurden Spielbüchereien und Spielberatungen in jeder Hinsicht eingerichtet Es wurde eine „Theaterklasse“ ins Leben gerufen (1947-1949 in Dorn-birn, 1948-1972 in Feldkirch), die je-weüs der örtlichen Städtischen Musikschule angegliedert war, um Spieler aus den verschiedenen Spielgruppen des Landes und auch Spielleiter in allen Sparten des Amateurtheaters auszubilden.

Dieser Kurs dauerte ein Jahr, mit einer zweistündigen Ausbildungszeit wöchentlich. Jedes Theaterklassenjahr wurde mit einer Schlußaufführung abgeschlossen. Diese Einrichtung wurde von den Städten Dorn-birn und Feldkirch finanziell unterstützt. Eine besondere Aufgabe der Theaterklassen war es, auf gute Bühnenstücke hinzuweisen und die Güte eines einst überall gespielten „Nullerl“ auf eine Eins, Zwei, Drei, Vier und Fünf zu erhöhen, um das Niveau der Spielliteratur für die Spielerschaft wie auch für die Zuschauer wertvoller gestalten zu können. Auch die darstellerischen Mög-

lichkeiten wurden besprochen und geübt, die zwar variabel sind, aber doch erkannt werden müssen. Rudolf Mirbt, der schon lange verstorbene deutsche „Laienspielpapst“, sagte einmal ganz richtig: „Das Spiel hat keine Grenze, es ist ein Raum.“

Eine weitere Hilfe für das Vorarlberger Amateurtheater war die Gründung des „Feldkircher Studio“ (1950-1972), einer Amateurbühne, für die die geeignetsten Spieler des Landes ausgewählt wurden. Dadurch war es möglich, Bühnenwerke und Aufführungen mit gesteigerten Ansprüchen zu bewältigen. Vor allem hat es sich zur Aufgabe gemacht, zeitgenössische Dramatiker aus ver-

schiedenen Ländern aufzuführen. Es wurde in Feldkirch geprobt, dabei viel über Werk und Dramatiker diskutiert und somit den Spielern der Blick für die Gegenwartsdramatik erweitert.

Auch wurden bei Aufführungen die Dramatiker persönlich vorgestellt, etwa Martin Walser, Felix Braun, Rudolf Henz u. a. Das „Feldkircher Studio“ gastierte nicht nur in verschiedenen Orten Vorarlbergs, es gelang auch, mit ausländischen internationalen Spielwochen Kontakte aufzunehmen und Aufführungen zu bieten, so in Korbach, Scheersberg bei Flensburg, Hamburg, Berlin, Aachen, Göppingen, Monte-Carlo,

Pesaro (Italien) und anderen Städten.

Die Begegnungen mit Vielen ausländischen Spielgruppen und ihren Spielarten war für die eigene Theaterarbeit und damit auch für die Gesamtarbeit in Vorarlberg von größtem Vorteil. Auch andere Vorarlberger Spielgruppen konnten an diesen ausländischen „Festivals“ teilnehmen. Es knüpften sich ersprießliche Freundschaften an, Gastspiele ausländischer Spielgruppen in Vorarlberg wurden vermittelt. Auch Theaterexperten und Freunde kamen oft mit ihren Familien zu einem Ferienaufenthalt nach Vorarlberg, der dann immer mit interessanten, spielaufmunternden und fröhlichen Stunden verbunden war.

Einige Vorarlberger Spielgruppen führten auch literarische Abende (Lesungen) durch, ebenso Adventfeiern, die bei der Bevölkerung großen Anklang fanden.

Oft wurden Vorarlberger Spielgruppen von der „Arbeitsgemeinschaft Vorarlberger Amateurtheater“ und von Mitgliedern des „Feldkircher Studio“ besucht. Schon vor den Aufführungen wurden in Beratungen und durch Ausleihen von Bühnenerfordernissen Hilfen angeboten.

Ein weiterer Aufbau des Spielwesens in Vorarlberg geschah durch Amateurtheaterwochen, Wochenendseminare und Kurse verschiedener Art im Lande selbst. Die erste dieser Spielwochen, die zur weiteren

Ausbildung, zur Orientierung allenthalben, auch für Kontakte zwischen den Spielgruppen dienten, fand 1950 in Bregenz statt Bei diesen Treffen wurde wenig theoretisiert, sondern durch praktisches Anproben von Bühnenwerken der Aufbauarbeit gedient. Auch Werke heimischer Autoren wurden nicht vergessen.

Von großem Vorteil war auch die Gründung der „Bundesarbeitsgemeinschaft für das österreichische Laienspielwesen“. Später verlagerte sich diese Arbeitsgemeinschaft nach Graz und besteht nun als „österreichischer Bundesverband für Schulspiel, Jugendspiel und Amateurtheater“. Der Grazer Ingo Wampera, schon seit mehreren Jahrzehnten auf dem weiten Gebiet des Amateurtheaters tätig, Dozent für Spiel und Fest, bekleidet die wichtige Stelle eines Bundesspielberaters. Dieser Bundesverband führt jährlich Spielveranstaltungen für ganz Österreich durch, die auch von Vorarlberger Spielgruppen fleißig besucht werden.

Nicht vergessen sei das Landesstudio des österreichischen Rundfunks in Dornbirn, das sich sehr für Amateuraufführungen einsetzt, Sendungen von Hörspielen mit Amateuren und Sendungen mit Szenenausschnitten Vorarlberger Spielgruppen ausstrahlt Auch die Vorarlberger Presse unterstützt die Bestrebungen des heimischen Amateurtheaters.

So ist es doch in den letzten Jahrzehnten gelungen, das Amateurtheater in Vorarlberg in jeder Hinsicht zu erweitern und wertvoller und leistungsfähiger zu gestalten. Es bestehen heute 22 Theatervereine mit angemeldeten Statuten, die jährlich mindestens ein Bühnenstück einstudieren, das dann 3-8 Aufführungen erreicht.

Das Kabarett der „Wühlmäuse“ bringt es im Kellertheater in Feldkirch (170 Sitzplätze) auf 25 Aufführungen. Manche Spielgruppen spielen im Jahr zweimal. Dazu kommen noch die Aufführungen in Schulen, die gegenwärtig hinsichtlich des Aufbaus ganz besonders betreut werden, weiter die vielen Aufführungen in Heimen, Instituten und Jugendorganisationen.

Die Kulturabteilung des Amtes der Vorarlberger Landesregierung verfolgt die Arbeit des Amateurtheaters sehr wohlwollend und unterstützt die Bestrebungen der „Arbeitsgemeinschaft Vorarlberger Amateurtheater“ mit einer jährlichen Subvention von 70.000 Schilling, was dankend anerkannt werden muß. Dazu kommen noch 6000 Schilling von den „Vereinigten Bildungswerken Vorarlbergs“. .

Abschließend darf gesagt werden, daß Vorarlberg als Land des Amateurtheaters gewertet werden kann und im prozentuellen Vergleich mit den anderen Bundesländern Österreichs als spielfreudigstes Land einzureihen ist

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