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750 Jahre Stadt Feldkirch

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Eine an Kulturschätzen und Naturschönhei- tpn reiche Stadt, geliebter Ort aller Vorarlberger und Wahlheimat vieler Innerösterreicher, lohnendes Ziel für den Gast gleich welchen Herkunftslandes, einer der anziehendsten Punkte südlich des Bodensees am Alpentor gelegen: so hat die Stadt Feldkirch sich als Bild aus dem Mittelalter in die Härte und Hetze des modernen Wirtschaftsalltags hereingelebt.

Wie im Herbst des Jahres 1968 das Bundesland Vorarlberg den 50jährigen Bestand als autonome, selbstverwaltete Ganzheit, gelöst von der Statthalterei Innsbruck Ende 1918, feiert; wie die Vorarlberger Bevölkerung sich dessen erinnert, daß vor 150 Jahren unter Papst Pius VII. in territorialer Trennung von den Bistümern C’hur, Konstanz und Augsburg das Generalvikariat für Vorarlberg mit Sitz in Feldkirch geschaffen wurde: so gedenkt die Stadt Feldkirch vom 28. September bis zum 13. Oktober in festlicher Weise der geschichtlichen Tatsache, daß im Jahre 1218 — vor 750 Jahren — erstmals urkundlich die „Stadt Feldkirch“ („in civitate sua“) erwähnt wurde.

Diese urkundliche Erwähnung weist Feldkirch als Gründung der aus süddeutschem Raum (Tübingen) stammenden Montforter Grafen aus, dessen erster Regent in Feldkirch mit der Johannitei’niederlassung in Feldkirch auch ein Hospiz an der Westroute des Arlbergs errichten ließ. Feldkirchs Lage im Verkehrskreuz Bodenseeraum — Oberitalien und Innerschweiz — Innerösterreich bildete schon im Mittelalter einen Handelsschiwerpunkt und den politischen Kern des Landes vor dem Arlberg heraus. Mit dem Freiheitsbrief von 1376 durch den letzten Montforter Grafen erhielt Feldkirch Freiheiten gleich einer Stadtrepublik. Die Herrschaft Feldkirch, die einen Großteil des heutigen Bundeslandes umfaßte, ging 1390 an die Habsburger über, die ihre Besitzungen von der Feldkircher Schattenburg durch Vögte verwalten ließeh.

Das mittelalterliche Stadtbild Feldkirchs spiegelt heute noch das geistige Selbstbewußtsein eines Bürgertums, das Gewerbefleiß, Gelehrsamkeit und Gottesfurcht kannte. Aus den Feldkircher kunstverständigen Werkstätten wuchs der Großmeister der Donauschule Wolf Huber und entstand die schmiedeeiserne Kanzel als eine der wertvollsten Arbeiten ihrer Art in Österreich. Diese wie zwei Gemälde Hubers aus dem Annen- Altar von 1521 schmücken die Bischofskirche des Landes, die wiederum als bedeutendster gotischer Hallenbau ringsum gilt und in Hanns Sturn einen Einheimischen zum Baumeister hat. Die Gelehrsamkeit zeigte sich in der geistesgeschichtlichen Strömling des Humanismus mit den Namen Georg Joachim Rhetikus, Künder des kopernikanischen Weltbildes, und Hieronymus Münzer, geistiger Mitentdecker Amerikas, aber auch mit 300 Studenten meist an deutschen Universitäten, die allein zu Beginn des 16. Jahrhunderts aus dem Raume Feldkirch von der ältesten Lateinschule des Landes hervorgingen. Vom 1649 begründeten Jesuitengymnasium führen Entwicklungslinien sowohl Zum Bundesgymnasium mit zwei katholischen Konvikten, als auch zum 1856 errichteten Jesuitenkolleg „Stella Matu- tina“, an dem Persönlichkeiten von internationalem Rang ihre Universitätsvorbildung erhielten. In der Fortsetzung des katholischen Lehrerseminars der Christlichen Schulbrüder (1888 bis 1938) und der staatlichen Lehrerbildungsanstalten bringt das Jubiläumsjahr 1968

der Stadt Feldkirch auch im Baufortschritt die neue Pädagogische Akademie des Bundes für Vorarlberg. Dieser Schulkleinstadt im Reichenfeld gegenüber liegt am Ardetzenberg das Institut St. Josef der Kreuzschwestern mit Bildungsanstalten für Frauenberufe. Feldkirch ist Scbulstadt und als Sitz wichtiger Behörden und Institutionen für Vorarlberg auch Beam- tehstadt. Der eingewurzelte Föderalismus in Vorarlberg hat den einzelnen Städten besondere Aufgaben zugewiesen, so daß die Landeshauptstadt Bregenz nicht die ausgeprägte Zentrale ist. In Feldkirch ist der Sitz des Landesgerichtes und der Finanzlandesdirek- tion, der Vorarlberger Handelskammer und der Arbeiterkammer, des Landeshochbau- und des Landesstraßenbauamtes. Die kirchliche Verselbständigung des Bundeslandes Vorarlberg im dreifachen Vorarlberger Jubiläumsjahr 1968 erfolgt in der Erhebung des Generalvikariates Feldkirch zur Diözese Feldkirch.

Feldkirch ist sich seiner Aufgabe als traditionelle Kulturstätte ebenso bewußt wie seiner EntwicklungsmöglichJkeiten am verkehrsgeographischen Treffpunkt mit Baulandreserven im weiten Rheintal. Die mittelalterliche Wehranlage hat mit Burg, Türmen und Toren, gotischen Kirchen, Plätzen und Gassen ein einzigartiges Stadtbild geprägt, das Einheimische und Gäste immer wieder begeistert. Die Kammermusikabende der Bregenzer Festspiele im Feldkircher Schattenburghof sind das Stelldichein eines internationalen Publikums. Feldkirch ist mit Erholungs- und Sportstätten und mit hundert Spaziergängen voller Überraschungen eine Stadt des Fremdenverkehrs. Von Feldkirch aus bieten sich Halbtags- und Ganztagsausflüge in die unmittelbare Umgebung wie in alle Teile Vorarlbergs, des Bodenseeraumes und Graubün- dens an.

Die Entwicklungsmöglichikeiten Feldkirchs liegen nicht zuletzt in der Nutzbarmachung der kulturellen und landschaftlichen Schönheiten für den Fremdenverkehr und vor allem in der Auswertung der V’erkehrsfcnotenfunk- tion der Grenzstadt für viele Bereiche der Wirtschaft. Handel, Verkehr, eine Industrie des Straßen- und Wohnungsbaues, der Textilien und Chemikalien sowie der Maschinen sind hier so angesiedelt, daß weder das Landschaftsbild noch der klimatische Gesundbrunnen darunter leiden. Im Aufblühen einer Reihe junger Unternehmen und mit teilweiser Rückgewinnung österreichischer Grenzgänger pulsiert in Feldkirch ein Wirtschaftsleben so dynamisch wie kaum je zuvor.. Folge dieses regen Wirtschaftstreibens und der Grenzlage zu Liechtenstein und der Schweiz

Ist die Tatsache, daß Feldkirch bei 22.500 Einwohnern (1968) mit 700 bis 900 Persone’n jährlich das stärkste Bevölkerungswachstum in Vorarlberg seit einigen Jahren aufweist. Sosehr die Innenstadt in einem Talkessel malerisch zusammengedrängt ist, so bieten die Räume um die äußeren Stadtteile mit weiten Baugrundreserven ungeahnte Ausdehnungsmöglichkeiten. Feldkirch ist auch eine junge Stadt und kann getrost in die Zukunft schauen. Bei Ausschöpfung des Gemeindeareals von 34 Quadratkilometern kann die kleine Mittelstadt nach den Leitlinien weitsichtiger Raumplanung zum großen Gemeinwesen mit neuen Siedlungsschwerpunkten im Rheintal heranwachsen. Darauf nehmen die geplanten Verkehrswege bereits Bedacht: Die Führung der Rheintalautobahn in Stadtnähe mit Felstunnel in den Walgau und mit einem Zubringer an die liechtensteinische Staatsgrenze, die Planung einer Verbindungsstraße über diese Neusiedlu’ngsgebiete im Rheintal zur Schweizer Nationalstraße jenseits des Rheinufers. Die Raumplanung weiß aber auch den Wald- und Wiesengürtel um Feldkirch als Erholungslandschaften für das Gemeinwesen zu sichern. An einem der schönsten Punkte, am Sonnenbalkon des Blasenbergs mit weitem Gebirgspanorama, entsteht ein neues Vorarlberger medizinisches Zentrum mit dem Landesunfallkranikenhaus in funktioneller Zuordnung zum Stadtspital Feldkirch. Das Jahr 1968 bringt hier eiben entscheidenden Fortschritt, wie anderseits der neue Feldkircher Bahnhof noch im Jubiläumsjahr der Stadt fertiggestellt sein soll und die Funktion Feldkirchs als Kreuizungspunkt internationaler Verkehrslinien bekräftigt. Infolge zahlreicher Großbauprojekte befindet sich Feldkirch in einem Umbruch, in dem vom medizinischen, pädagogischen, wirtschaftlichen, verkehrstechniischen und siedlungsorganisatorischen Bereichen her entscheidende Entwicklungslinien auf Jahrzehnte hinaus gezogen werden. Die traditionsbewußte bildschöne Stadt aus dem Mittelalter weiß sich gerade in der Zeit der 750-Jähr-Feier sehr in Entwicklungsprobleme von brennender Aktualität gestellt. Die Stadt Feldkirch, die biemit die Einladung zur Teilnahme an ihrer Bestandsfeier ausspricht, ist sich aber auch dessen bewußt, daß in Bewältigung dieser Gegenwartsfragen sich eine Entwicklung für die Zukunft anbahnt, die ihren Rang als eine der ersten Städte im Westen Österreichs bestätigen, wenn nicht sogar heben wird.

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