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Was der „Transitvertrag" ändern wird

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Seit Mitte der achtziger Jahre ist die Diskussion um die schier unlösbare Verkehrsproblematik immer heftiger geworden. Der Anlaß für die zuletzt aufflammende Kontroverse ist das „Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Österreich über den Güterverkehr im Transit auf der Schiene und der Straße", kurz „Transitvertrag" genannt. Dieser fügt sich in ein bestehendes Netz von Abkommen ein und zeigt deutlich eine ökologische Richtung an. Anhand eines Ökopunk-tesystems soll die Begrenzung des LKW-Verkehrs garantiert und gleichzeitig eine schrittweise Reduzierung der Schadstoffe erreicht werden.

Das Ökopunktesystem nimmt das Jahr 1991 mit 100 Prozent, 1992 mit 96,1 Prozent, 1993 mit 87,9 Prozent an und endet 2003 mit 40 Prozent, wobei das Abkommen ausdrücklich festhält: „Die Kalkulation der Reduktion fürdie Jahre 2002 und 2003 basiert auf der Annahme, daß ab dem Jahr 2002 LKW mit einer NOx-Emission (Stickoxide) von 5,0 g NOx-/kWh am Markt verfügbar sind."

An diesem Punkt setzt Kritik ein. Das Transitforum Tirol hält eine Verwirklichung solcher LKW für „fromme Wünsche". Karl-Johann Hartig vom Verkehrsministerium verweist hingegen auf die Bestimmungen in den USA, wo bereits 1998 LKW zwingend diese Norm zu erfüllen haben.

Der Ausgangswert der Punktezahl ergibt sich durch Multiplikation des für das Jahr 1991 bestimmten NOx-Ausstoßes (g NOx/kWh) der durchfahrenden LKW mit der Zahl der Transitfahrten im Jahr 1991, „wobei von einer Schätzung der Gesamtzahl der Fahrten der in jeder der Vertragsparteien zugelassenen LKW ausgegangenen wird, die im Transitverkehr, im gewerblichen Verkehr, im Werkverkehr oder leer durch Österreich fahren."

Die heute gesetzlich zugelassenen LKW werden mit 15,8 g NOx/kWh normiert. Dieser Wert ist zu hoch und die Schätzung den Fahrten zu ungenau, meinen Kritiker. In Österreich stehen bereits LKW mit 9 g NOx/ kWh zur Verfügung. Daher muß die Zahl der Fahrten steigen. Dem wird von Seiten des zuständigen Ministeriums entgegnet, daß sich der jetzt zugrunde gelegte Wert als Ergebnis von Stichproben von im Verkehr befindlichen LKW ergeben habe.

Effektive Schadstoffreduktion

Das Transitabkommen beinhaltet jedoch bei diesem Punkt einen besonders interessanten Passus: „Sollte in einem der Jahre zwischen 1992 und 2003 die Zahl der Fahrten den für das Jahr 1991 ...ermittelten Wert um mehr als acht Prozent übersteigen, so ist die Zahl der für das nächste Jahr kalkulierten Öko-Punkte... zu vermindern." Das bedeutet, selbst bei rascherer technischer Entwicklung kann die Begrenzung gehalten werden.

Berücksichtigt man die Verwendungsdauer der LKW im Fernverkehr (Österreich 27 Monate, Italien 29, Deutschland 39), dann läßt sich erkennen, in welch relativ kurzer Zeit eine Erneuerung des Fuhrparks stattfindet und damit der höchste Stand der Technik zur Anwendung kommt. Verringerte Umweltbelastung ist vorprogrammiert. Selbst die schärfsten Kritiker wie das Transitforum Tirol räumen eine Schadstoffreduktion von 51,5 Prozent bis 2003 ein.

Umstritten ist die Annahme des NOx-Werts als Paramenter für Umweltbelastung, beeinträchtigen doch Kohlenmonoxid, Kohlendioxid, Kohlenwasserstoffe, Partikel und Lärm sowohl Bevölkerung als auch Umwelt. Da meint Hartig, daß die Reduktion der NOx-Werte das technisch am schwierigsten zu lösende Problem sei und die anderen Belastungen durch eine Vielzahl von Zulassungsbestimmungen sowohl in der EG als auch in Österreich geregelt wären. Außerdem beinhaltet der Annex VII des Transitabkommens die Harmonisierung der zulässigen Höchstgrenzen für CO (4,9 g/kWh), HC (1,23 g/kWh) NOx (9g/kWH). Die Werte gelten für Neuzulassungen von LKW in Österreich ab 1. Oktober 1991 und in der EG ab 1. Juli 1992. Der EG-Ministerrat hat für 1. Oktober 1996 eine weitere Reduktion der Abgaswerte beschlossen, ähnliche Regelungen sind auch für die Lärmbelastung vorgesehen, die ab 1. Oktober 1995 gelten sollen.

Das Transitabkommen betrifft alle Fahrten von LKW aus der EG, die durch Österreich müssen, auch jene, die ihre Fracht in die östlichen Nachbarstaaten bringen. Das Abkommen betrifft natürlich nicht ungarische, bulgarische, tschecho-slowakische Brummer, die auf der Fahrt von ihrem Heimatland in die EG die Alpenrepublik queren. Fürdie östlichen Staaten gelten die bilateralen Kontingentregelungen. Das Verhältnis Schiene und Straße in der Güterbewältigung ist mit 80 zu 20 Prozent anzugeben, und verkehrspolitische Maßnahmen sind nötig, dieses Verhältnis nicht zu Ungunsten der Bahn zu verändern.

Heftig kritisiert wurde der Umstand, daß der Transitvertrag nicht als primäres EG-Recht beschlossen werden soll. Aus formalen Gründen ist das nicht möglich: Primäres EG-Recht können nur EG-Staaten schaffen.

Der Vertrag ist auf zwölf Jahre geschlossen. Sollte Österreich vordem Jahr 2003 Mitglied der EG werden, gäbe es keinen Transitverkehr mehr, sondern nur den des Binnenmarkts. Um die Beschränkungen weiterhin aufrecht erhalten zu können, muß Österreich eine Selbstbindung durch Regierung und Parlament vornehmen, um klarzustellen: Ohne besondere Verkehrsregelung gibt es keine Teilnahme Österreichs am Binnenmarkt. Solches kann nicht im Transitabkommen stehen, das nach dreieinhalb Jahren Verhandlungen zur Unterzeichnung ansteht.

Frage des Beitrittsvertrages

Wie das Problem gelöst wird, wenn Österreich beim Binnemarkt ist, ist eine Frage des Beitrittsvertrages.

Ärgerlich ist freilich, daß im vorliegenden Entwurf vom 21. Oktober 1991 der Annex IV, der die Auflistung der Infrastrukturmaßnahmen der Gemeinschaft beinhalten soll, nur eine leere Seite aufweist. Nach Aussagen im Ministerium ist die inhaltliche Ausverhandlung aber erfolgt, zur Zeit werde die Niederschrift vorbereitet.

Heftig umstritten ist die Ausnahmeregelung für Griechenland. Dieses hat 2000 LKW-Fahrten extra zugestanden bekommen, die an 4000 Bahnfahrten gebunden sind, was die Gefahr eines zusätzlichen Straßenverkehrs erheblich mindert.

Der vorliegende Vertrag ist bei allen Einwendungen als Schritt in die richtige Richtung zu sehen, wenn er auch nicht so radikal ist, wie von manchen Umweltschützern angesichts der rasch wachsenden Schäden gefordert wurde.

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