Vorarlberg vom Lkw-Transit weiterhin verschont

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Der Umwegtransit über den Brenner macht Tirol zur Lkw-Hölle. Vorarlberg kann das nur recht sein - und das wird im Ländle auch in erstaunlicher Offenheit gesagt.

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Der Umwegtransit über den Brenner macht Tirol zur Lkw-Hölle. Vorarlberg kann das nur recht sein - und das wird im Ländle auch in erstaunlicher Offenheit gesagt.

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Wenn man Kantönligeist walten ließe, müßte man froh sein, daß das Transitabkommen zwischen der Schweiz und der EU gescheitert ist", meint der Vorarlberger Verkehrs-Landesrat Manfred Rein (ÖVP) im Gespräch mit der Furche. Daß dieser "Kantönligeist" auch tatsächlich herrscht, gesteht er wenig später ein: "Wenn sich die Schweizer und die EU nicht einig werden, freuen sich die Vorarlberger. In der derzeitigen Situation haben wir aufgrund der geographischen Lage einen gewissen Vorteil."

Reins Wunsch, die Schweiz möge für den Lkw-Verkehr noch lange unpassierbar bleiben, ist aus Vorarlberger Sicht verständlich: Derzeit bleibt Vorarlberg vom Alpentransit praktisch völlig verschont. Liberalisieren die Schweizer aber den Lkw-Verkehr, so liegt Vorarlberg auf der Zulaufstrecke zum San Bernardino-Paß. Und der ist die kürzeste Verbindung zum Beispiel zwischen Stuttgart und Mailand.

Die Rechnung ist simpel: Eine Fahrt über den Brenner kostet durchschnittlich 1.150 Schilling, die Schweiz möchte rund 2.800 Schilling pro Lkw verlangen. Die Fahrt über den San Bernardino ist 200 bis 300 Kilometer kürzer - da sind die um 1.650 Schilling höheren Gebühren durchaus verkraftbar.

Auch der für Verkehrsplanung zuständige Beamte im Bregenzer Landhaus, Karl-Heinz Rüdisser, sieht negative Folgen auf Vorarlberg zukommen: "Tendenziell ist sicher mit einem gewissen Verlagerungseffekt zu rechnen. Den zu quantifizieren, ist im Moment aber äußerst schwierig."

Die Unsicherheitsfaktoren für eine Berechnung sind derzeit einfach zu groß: Die künftige Höhe der Maut am Brenner ist nicht ganz klar. Unklar ist auch, wieviel Verkehr die geplante Schweizer Eisenbahn-Alpentransversale NEAT von den Straßen abziehen wird. Zudem ist ja auch ein gewisser Entlastungseffekt zu berücksichtigen: Denn die Schweiz würde ja als Gegenleistung für die Transitgebühr das höchstzulässige Gewicht für Lkw von bisher 28 auf 40 Tonnen erhöhen.

Düstere Szenarien Rüdisser als Verkehrsplaner des Landes wagt jedenfalls keine Prognose, ebensowenig der Präsident der sozialistischen Bodensee-Internationale, der ehemalige Vorarlberger SPÖ-Chef und SPÖ-Verkehrssprecher Karl Falschlunger.

Der Sprecher der Vorarlberger Frächter, Gerhard Berkmann, sieht allenfalls eine Zunahme des Lkw-Verkehrs "in einem geringen Prozentbereich": "Der Bernardino ist keine besonders bequeme Strecke. Da gibt es zu große Steigungen und längere Abschnitte sind noch keine Autobahn." Daß die Bernardino-Route "auf ganz speziellen Verkehrsbeziehungen" dennoch genützt werden könnte, gesteht aber sogar der Transportunternehmer ein.

Gänzlich anders schätzen natürlich die Transitgegner die Lage ein. Deren Sprecher Andreas Postner befürchtet 150.000 Lkw pro Jahr zusätzlich auf der Route über den San Bernardino. Er beruft sich dabei auf eine Infras-Studie, die von den Ostschweizer Kantonen in Auftrag gegeben worden sei.

Landesrat Rein liegt mit seiner "groben Schätzung" in der Mitte: 200 bis 250 Lkw pro Tag zusätzlich würden durch Vorarlberg Richtung Bernardino fahren. Das wären bis zu 90.000 Lkw pro Jahr. Selbst innerhalb der Regierung gibt es unterschiedliche Meinungen. Der für Straßenbau zuständige Landesrat Hubert Gorbach malt ein düsteres Bild: "Es wird einiges auf uns zukommen - und wenn es nur so ist, daß das hochrangige Straßennetz von Autobahnen und Schnellstraßen mit Transitverkehr voll sein wird."

Postner hält die Aussagen Reins, Vorarlberg könne sich über das vorläufige Scheitern des Verkehrsvertrags zwischen Schweiz und EU freuen, für "völlig verantwortungslos": "Die Vorarlberger Regierung hätte die Aufgabe gehabt, Tirol und die Schweiz zu einer gemeinsamen Verkehrspolitik zusammen zu führen", meint Postner.

Der Autor ist freier Journalist in Vorarlberg.

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