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„Verhindern, daß die ÖVP-Krise zur Krise der Regierung wird”

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FURCHE: Die ÖVP, der Bauernbund, wirft Ihnen vor, einen „grünen Klassenkampf” zu betreiben, weil Sie versuchen, die Kleinbauern gegen die Großbauern und beide Gruppen gegen den Bauernbund und die Volkspartei auszuspielen. Beabsichtigen Sie eine Spaltung der großen Oppositionspartei in ihre Einzelbünde?

KREISKY: Ich führe keinen „grünen Klassenkampf” und beabsichtige absolut nicht, die kleinen Bauern gegen die größeren auszuspielen. Ich bin mir nämlich vollkommen im klaren, daß grö- ßere Betriebseinheiten den strukturellen Vorstellungen unserer und der internationalen Agrarpolitik besser entsprechen und auch über die besseren marktwirtschaftlichen Voraussetzungen verfügen. Ich habe aber nie verhehlt, daß die österreichischen Bauern durch den ÖVP-Bauembund interessenmäßig nicht optimal vertreten sind. Ich glaube, ein parteiunabhängiger Berufsverband wäre besser, weil die Lösung des Agrarproblems keine parteipolitische Frage ist, sondern einen wirtschaftspolitischen

Interessenausgleich darstellt. Ich schreibe den Bauern nicht vor, wer sie vertreten soll, glaube aber, daß mit der Regierung geredet und verhandelt werden sollte, denn mit Kampfaktionen wird nichts erreicht. Wir sind immer zu Gesprächen bereit. FURCHE: Sie haben sich mehrmals gegen eine Regierungskoalition mit der ÖVP ausgesprochen, aber den Bauernbund zur parlamentarischen Mitarbeit eingeladen.

KREISKY: Ich bin gegen eine große Kaolition, weil ich verhindern möchte, daß die Krise der Volkspartei zu einer Krise der Regierung wird. Ich gehörte 13 Jahre lang als Regierungsmitglied einer großen Koalition an und habe miterlebt, wie in den letzten Jahren, also zwischen 1963 und 1966, nichts mehr weitergebracht wurde. Mir ist die Auseinandersetzung der Parteien im Parlament viel lieber als innerhalb der Regierung. Ich bin aber ein Anhänger der Zusammenarbeit zwischen der Sozialdemokratie und der Bauernschaft. Ich glaube, daß auch die Bauern dazu bereit sind, weil sie auch an einer vernünftigen Politik Interesse haben. Ich merke jedenfalls keine Gehässigkeit der Landwirte gegenüber der Regierung. Aus diesem Grunde halte ich mein

Karikatur: „Oö. Nachrichten”

Angebot an den Bauernbund, mit der Regierung zusammenzuarbeiten, aufrecht.

FURCHE: Haben Sie dabei das Budget 1972 im Auge, zumal in wenigen Wochen die Verhandlungen auf Beamtenebene beginnen werden?

KREISKY: Die ÖVP hat das Budget 1971 abgelehnt, ohne es zu kennen. Ich weiß nicht, ob sie das beim Budget 1972 wieder tun ward, aber ich glaube, für die Bauern wäre das nicht gut. Wir sind bereit, ihren Anliegen entgegenzukommen, wenn der Bundesregierung bei der Verwirklichung verschiedener Programme auch geholfen wird. Die SPÖ hat bisher immer noch mit den Bauern, wenn es um den Interessenausgleich ging, reden können. Warum soll das in Budgetfragen nicht auch möglich sein? FURCHE: Herr Bundeskanzler, verschiedentlich vertritt man die Auffassung, daß Ihre Regierüfig an der Agrarpolitik scheitern könnte. Wann rechnen Sie mit Neuwahlen?

KREISKY: Die Regierung wird sicher nicht an der Agrarpolitik scheitern, weil uns die Probleme der Bauernschaft, wie Sie diesem Gespräch entnehmen können, ein echtes Anliegen sind. Zu Neuwahlen wird es kommen, wenn die Regierung an der Verwirklichung ihr wichtig erscheinender Maßnahmen, wie sie im Regierungsprogramm enthalten sind, gehindert wird; darüber wird aber letztlich das Parlament zu entscheiden haben.

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