Her mit den Millionen!

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Der Auftritt der neuen ÖAAB-Chefin Johanna Mikl-Leitner hat symbolische Bedeutung. Die Frage ist, wer sich - auch auf europäischer Ebene - letztlich durchsetzen wird: jene, die nach den Millionen rufen, oder die auf Stabilität pochen?

Mit der Eurozone ist es wie mit der ÖVP - bei beiden stellt sich zunehmend drängender die Frage: Sind die noch zu retten? Und bei beiden ist man mehr und mehr geneigt, diese Frage mit "Nein“ zu beantworten. Je nach persönlichem Standort mag man das bedauern oder begrüßen; wobei es so sein dürfte, dass in beiden Fällen gerade die einstigen Anhänger und Sympathisanten heute in besonderer Weise enttäuscht oder irritiert sind und darauf entweder mit scharfer Kritik oder stiller Resignation reagieren.

Beide haben ihren inneren Kompass verloren und agieren dementsprechend orientierungslos. Beide haben ein Problem mit ihrer Substruktur: Wirtschaftsbund und ÖAAB passen ungefähr so gut zusammen wie Deutschland und Griechenland. Zumindest wenn man die Performance der neuen Bundesobfrau des Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerbundes (AAB) als Maßstab nimmt.

Im falschen Film

Nun hat ja die ÖVP generell ein Problem mit der Rekrutierung ihres weiblichen Spitzenpersonals. Die zeitgemäße Entsprechung zu einstigen Grandes Dames wie Marilies Flemming oder Marga Hubinek ist noch nicht gefunden, die heutigen Protagonistinnen versuchen sich eher in den Fächern "Schreckschraube“ oder "Ulknudel“. Aber das ist eine andere - wenngleich wahltechnisch nicht unwesentliche - Geschichte …

Wenn aber eine Spitzenpolitikerin einer Partei, die angeblich für Leistung, Wettbewerb und ökonomische Vernunft steht, sich einer Terminologie bedient, die einem Eisenbahnergewerkschafter alle Ehre machen würde, dann meint man, im falschen Film zu sitzen. "Aussi mit’m Gel aus die Haar’“, polterte vor ein paar Jahren der steirische Landeshauptmann Franz Voves in Richtung Klassenfeind. "Her mit den Millionen, her mit dem Zaster, her mit der Marie!“, rief jetzt Johanna Mikl-Leitner in Richtung … äh … "Es geht immer tiefer“, kommentierte das der scheidende Management-Club-Präsident und frühere steirische Wirtschaftslandesrat Herbert Paierl; was ein wenig an das berühmte Zitat des steirischen Schriftstellers Werner Schwab erinnert: "Sagen Sie es ruhig noch peinlicher.“

"Peanuts“, sagt ÖVP-Chef Michael Spindelegger zu den Ausritten seiner Nachfolgerin an der ÖAAB-Spitze; entscheidend sei jetzt die Schuldenbremse. Gut - aber man sollte nicht vergessen, dass wohl nicht wenige, die Mikl-Leitner beim Bundestag in Linz applaudiert haben, auch der Schuldenbremse "ablehnend bis skeptisch“ (so eine mit VP-Stimmen beschlossene AK-Resolution) gegenüberstehen. Sie sind Brüder und Schwestern im Geiste von Leuten wie dem ÖGB-Präsidenten Foglar oder dem oö. SP-Chef Ackerl, deren Überzeugung dieser Tage zu einem Cover der Umsonst-Zeitung Heute gerann: Drei Top-Manager, daneben die Schlagzeile: "Diesen Bossen geht’s bestens“ - also her mit der Marie!

Da ist man dann sehr schnell auf der europäischen Ebene, denn im Prinzip dreht es sich dort um dieselben Fragen. Wobei tendenziell jene, die fröhlich "Her mit den Millionen!“ rufen, als die guten Europäer gelten, während die anderen vorgeblich das europäische Projekt leichfertig aufs Spiel setzen; wenn es um Deutschland geht - was ja vorkommt -, garniert man das gerne auch mit ein paar einschlägigen historischen Anspielungen …

An der Wiege des Euro

Nicht dass Angela Merkel die Heldin im europäischen Poker wäre. Aber sie ist doch die Galionsfigur jener, die wenigstens ansatzweise etwas von Stabilitätskultur und fiskalpolitischer Disziplin, die an der Wiege der gemeinsamen Währung standen, zu retten versuchen; jener, die sich dem in wohltönende und wohlfeile Phrasen verpackten angestrebten Umbau der EU zur "Transferunion“ widersetzen. Das, was als Gebot der Solidarität propagiert wird, würde langfristig alle zu Verlierern machen, am Ende stünden alle ohne Triple-A da.

Hier steht die Europäische Union vor einer Weichenstellung, aber auch - weniger wichtig - Österreich und - eigentlich fast schon "Peanuts“ - die ÖVP.

rudolf.mitloehner@furche.at

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