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Präludium der Macht

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Das natürlichere, ungehemmtere Verhältnis zur Macht, das die Sozialisten auf Grund ihrer ideologischen, insbesondere historischen Auffassungen besitzen, findet seinen wohl augenfälligsten Ausdruck in personalpolitischen Entscheidungen. Hat die Volkspartei in den vier Jahren ihrer Alleinregierung alles treiben lassen, ohne künftige Entwicklungen vorzuprogrammieren, so zeigt sich die SPÖ auf diesem Gebiet weit weniger zimT perlich. Auf dem Personalsektor werden derzeit zum Teil irreversible Tatsachen gesetzt, die durchaus geeignet sind, diverse Begierungswechsel zu überdauern.

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Das natürlichere, ungehemmtere Verhältnis zur Macht, das die Sozialisten auf Grund ihrer ideologischen, insbesondere historischen Auffassungen besitzen, findet seinen wohl augenfälligsten Ausdruck in personalpolitischen Entscheidungen. Hat die Volkspartei in den vier Jahren ihrer Alleinregierung alles treiben lassen, ohne künftige Entwicklungen vorzuprogrammieren, so zeigt sich die SPÖ auf diesem Gebiet weit weniger zimT perlich. Auf dem Personalsektor werden derzeit zum Teil irreversible Tatsachen gesetzt, die durchaus geeignet sind, diverse Begierungswechsel zu überdauern.

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Die ÖVP hat — unter den kritischen Augen des Bundespräsidenten — ängstlich darauf geachtet, bestehende Personalstrukturen nicht einseitig zu verändern, um der damaligen Opposition nicht Munition für parlamentarische Attacken frei Haus zu liefern. Hatte doch Dr. Bruno Kreisky — zu diesem Zeitpunkt nicht einmal noch SP-Chef — schon wenige Tage nach Bildung der ersten monokolo-ren Regierung Im „Spiegel“ vom 25. April 1966 gedroht, die Namen aller politisch Geschädigten aufzuzählen, auch wenn die Sozialisten im

Parlament „Stunden um Stunden nur Listen verlesen“ müßten. Was der ÖVP noch bevorsteht, kann sie dem Präludium entnehmen, das sich im Zwillingsministerium Firn-berg-Gratz zur Zeit abspielt. Jeder der beiden Halbunterrichtsminister setzte in der kurzen Zeit seit seinem Amtsantritt bereits einen pronon-ciert sozialistischen Sektionsleiter ein, ohne sich viel um Rangordnungen zu kümmern. Minister Gratz ließ seinen Parteifreund Dr. Adolf März avancieren, der nunmehr das Arbeitsgebiet des bisherigen Sektionsleiters Dr. Leitner einschränken soll. Dr. Firnberg tut sich bei ihren Personalmaßnahmen etwas leichter, weil sie zum Teil neue Dienstposten besetzen muß. So konnte ungehindert der bisherige Ministerialrat im Bundeskanzleramt Dr. Wilhelm (von) Grimburg, ein Forschungsspezialist der ÖIG, mit der Leitung der neuen Forschungssektion des Firnberg-Ressorts betraut werden. Grimburg übernimmt auch selbst die von Fachleuten als Angelpunkt bezeichnete Abteilung „Elektronische Datenverarbeitung, Dokumentation und Information“. Sein Mitarbeiter Doktor Norbert Roszenich kommt aus dem linksradikalen sozialistischen Studentenverband VSStö., den Roszenich in der Hochschulreformkommission vertrat Auch der neue Leiter der Abteilung „Zukunftsforschung und Forschungsmanagement“, Ministerialrat Dr. Frank aus dem Bautenministerium, bringt neben den unbestrittenen fachlichen Qualitäten ungetrübte linke Gesinnung mit.

Auch im Bundeskanzleramt stehen Veränderungen bevor. Die früheren „Paradesozialisten“ am Ballhausplatz, Dr. Zeleny, Dr. Fischer und Dr. Grasmuck, die es unter ÖVP-Kanzlern sehr frühzeitig zu Mini-sterialratsanträgen gebracht hatten, warten auf höhere Aufgaben. Einer von ihnen dürfte Nachfolger des Klaus'schen Präsidialchefs Doktor Jiresch werden, der in das Wiener Rathaus „refundiert“ werden soll. Alles das dürfte aber gegenüber den erwarteten rigorosen Ablösen zu Jahresende in den Hintergrund treten. Im Unterrichtsministerium tritt Volkserziehungssektionschef Dr. Heinz Bruckner in den Ruhestand, im Handelsministerium Sektionschef Dr. Walther Habel. Ebenfalls das Pensionsalter haben der

Gouverneur der Postsparkasse, Dr. Emanuel Loukota, der Präsident der Wiener Finanzlandesdirektion, Dr. Friedrich Schönsteiner, und Parlamentsdirektor Dr. Roman Rosiczky. Dazu kommt selbstverständlich eine ganze Reihe von Abteilungsleiterposten, die durch Pensionierungen frei werden und von der Minderheitsregierung besetzt werden müssen. Lediglich der oberste Budgetbeamte, Finanzminister außer Dienst Heilingsetzer, wird sein eigener Nachfolger: er gilt als derzeit unersetzlich. Wie weit die Sozialisten bei Neubesetzungen gehen können, hängt von drei Faktoren ab: vom Bundespräsidenten, von der Beamten-gewerkscbaft und der parlamentarischen Mehrheitsopposition. Es ist fraglich, wie weit sich der Bundespräsident — wenige Monate vor seiner Kandidatur zur Wiederwahl — auf Personalentscheidungen einläßt Die Beamtengewerkschaft, die einzige ÖAAB-geführte von 16 Gewerkschaften, wird sich auf die Dauer nicht zum Schweigen verurteilen lassen. Und die ÖVP könnte bis Jahresende vielleicht auch handlungsfähig genug sein, um parlamentarisch aktiv zu werden. Sie muß nur einsehen, daß es nicht genügt, etwa einmal ein paar Zeilen über ministerielle Pressereferenten der SP-Regierung zu schreiben — in der Hoffnung, die Regierungspartei damit tödlich getroffen zu haben. Wie man's macht, haben die Sozialisten demonstriert: die Pressereferenten der ÖVP-Minister wurden vier Jahre lang fast täglich angegriffen.

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