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„Amtstod“ statt Köpferollen

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Gar greuliche Dinge werden aus der benachbarten Bundesrepublik Deutschland gemeldet: Die junge rotblaue Koalition hate, so vernahmen es die entrüsteten österreichischen Beamten, 13 Staatssekretäre (leitende Beamte, unseren Sektionschefs vergleichbar), 11 Ministerialdirektoren und eine ganze Anzahl Referenten der einzelnen Ministerien „ausgemustert“. Der sozialdemokratische Bundesfinanzminister Axel Möller äußerte, daß „man ganze Sonderzüge brauchen werde, um die davongejagten Beamten aus Bonn abzutransportieren“. Eine Zeitung wiederum wußte von einem Vortrag eines jungen sozialdemokratischen Soziologen namens Lompe in den Räumen der Wiener Arbeiterkammer zu berichten, der — im Auftrag von SPD- Kanzler Willi Brandt — die „Neugestaltung von Regierung und Verwaltung“ in Deutschland durchführen soll. Die Umbesetzungen und Pensionierungen im Beamtenkorps der BRD sollen dazu nur den äußeren „Prunk“ abgeben, die tatsächlichen Ziele laufen auf die „Verpoli- tisierung des Beamtentums im Sinne der sozialistischen Gesellschaftsord- rung“ hinaus.

Die von solchen rüden Tönen sichtlich aufgeschreckten österreichischen Beamten legten jedoch alsbald ihre Beklemmung wieder ab, erinnerten sie sich doch der Dienstrechtenovelle 1969, die derartige Umtriebe, wie sie auch seinerzeit unter dem sozialistischen Innenminister Olah an der Tagesordnung waren, so gut wie unmöglich macht Vielleicht erinnerten sie sich auch noch der seinerzeitigen Prophezeiung des SPÖ-Vorsitzenden, der nach dem 6. März eine Welle der politischen Verfolgung vor- aussah, die dann freilich ' ausblieb. Der „politische Tod“ eines Beamten ist in Österreich einfach nicht möglich, wohl aber der „Amtstod“. Und diesen „Amtstod“, der in der Regel mit der Erreichung des 65. Lebensjahres eintritt — Hochschulprofessoren haben noch ihre Emeritierungen als „Schonzeit“ — werden aller Voraussicht nach rund 100 hohe und höchste Beamte der öffentlichen Verwaltung am 31. Dezember erleiden: 8 Sektionschefs, 3 Botschafter, 1 Legationsrat, 15 Ministerialräte, 20 Hofräte, 3 Präsidenten, 4 Senatepräsidenten, 10 ordentliche und außerordentliche Hochschulprofessoren, 5 Schuldirektoren, 6 Regierungsräte.

Neue Präsidialchefs

Wenig Schwierigkeiten dürfte es bei der Nachfolge für den einzigen aus dem Bundeskanzleramt ausscheidenden Sektionschef Dr. Hackl geben. Wie verlautet, soll Ministerialrat Markovics an seine Stelle treten. Große Aufregung dagegen herrscht im Unterrichtsministerium: Ministerialrat Dr. Hiessmannseder, der sich bereits als neuer Präsidialchef statt des in Pension gehenden Dr. Thiel sah, wurde in letzter Minute ein Opfer der Ambitionen seines Chefs. Wie man tuschelt, soll Minister Mode als Morgengabe für seinen Nationalratssessel den Direktor des niederösterreichischen Landesschulrates, Dr. Haider, in das Haus am Minoriitenplatz eingebracht haben.

Im Gegensatz zu dieser schwierigen Rochade dürfte die Nachfolge für Sektionschef Dr. Wohlgemuth bereits gelaufen sein. Das Rennen machte — erfreulich unbürokratisch! — Sektionsrat Dr. Leitner.

Das Außenamt, das für die Botschafter in London, Bogotä und Lima neue Leute sucht, hat sich noch nicht festgelegt; wie man hört, dürfte es vor allem für den Botschafterposten in London eine stattliche Anzahl von Aspiranten geben.

Während im Sozialministerium um die Nachfolge für Sektiomschef Doktor Willas, der bisher die bedeutende Sektion „Sozialversicherung“ leitete, ein heftiges „Rangeln“ entstanden ist, steht bereits ziemlich sicher fest, daß der neue „Präsidialist“ im La-nd- wirtschaftemiinisterium Ministerialrat Dr. Pawlik heißen wird — Doktor Ferdinand Ott geht mit Jahresende in Pension. Für die heiß umstrittene Nachfolge im Sozialministerium bewerben sich Präsidialchef Dr. Krenn, der von seinen

Beamten stark forciert wird. und Ministerialrat Ör. Fürböck. Der aus dem Sozialministeriium scheidende Sektionschef Dr. Lozizky, Leiter der Sektion „Kriegsopferfürsorge“, dürfte in der Person von Ministerialrat Dr. Birti seinen Nachfolger finden.

Besondere Schwierigkeiten, vor allem hinsichtlich der Verhandlungen mit der Präsirientschaftskanzlei, erwartet man sich im Justizministerium, aus dem ein Sektionschef (Dr. Templer), vier Senatspräsidenten sowie der Präsident des Jugendgerichtehofes und des Obeiiandes- gerichts Graz ausscheiden werden.

Unter den „Pensionisten“ befindet sich auch der bekannte Leiter des Statistischen Zentraiamtes, Doktor Maximilian Pammer. Seine Nachfolge dürfte jedoch kaum auf Schwierigkeiten stoßen, besitzt er doch in Vizepräsident Dr. Bosse einen kongenialen Vertreter.

Dem staatlichen und auch sozialistischen Altersparagraphen zum Opfer gefallen ist die sozialistische Nationalratsabgeordnete Frau Doktor Stella Klein-Löw, die vor kurzem im Parlament bei der Unterrichtsdebatte ihre Abschiedsrede hielt. Auch ihr „bürgerlicher“ Beruf, die Direktorsteile an einem Mädchen- bundesgyiminasium im 21. Wiener Gemeindebezirk, findet mit Jahresende seinen Abschluß. In der Promi- nentenliste der Pensionsreifen findet sich schtoeßliich noch der der SPÖ zugerechnete Polizeigenenal Doktor Donner, Abteilungsleiter der Sicherheitswache der Polizeidirektion Wien.

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