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Statt CV jetzt BSA

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Am Mitgliederkreis gemessen, wäre zwar der „Akademikerbund“ das Gegenstück zum „Bund Sozialistischer Akademiker“, in der Personalpolitik unserer Alpenrepublik ist jedoch der BSA ein CV-Pendant. Anders könnte man sagen: Was der ÖVP der CV, ist der SPÖ ihr BSA.

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Am Mitgliederkreis gemessen, wäre zwar der „Akademikerbund“ das Gegenstück zum „Bund Sozialistischer Akademiker“, in der Personalpolitik unserer Alpenrepublik ist jedoch der BSA ein CV-Pendant. Anders könnte man sagen: Was der ÖVP der CV, ist der SPÖ ihr BSA.

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Kein gutes Haar Heß und läßt die nunmehrige Regierungspartei am Cartell verband: Der letzte große Angriff wurde vom Chefredakteur der „Arbeiter-Zeitung“, Paul Blau, höchstselbst am 21. Mai 1970 gestartet: „Die Hochbürokratie wird vom CV beherrscht, und der CV ist seinerseits eine Domäne der ÖVP“, schrieb er damals in seinem Leitartikel, stellvertretend für die Haltung, die innerhalb der SPÖ tonangebend ist, und Blau versuchte auch, diese Haltung zu motivieren: „Denn das Netz der CV-Freundschaften umspannt die ganze staatliche Verwaltung und bringt es mit sich, daß die Förderung des Bundesbruders zur Benachteiligung des Außenstehenden führt, selbst wenn er noch nicht so tüchtig ist. .Ministerialräte könnt ihr werden, Sektianschefs ndcht', sagte ein hoher ÖVP-Funktio-när zu einem sozialistischen Beamten zu Beginn der ÖVP-Ära 1966.“

Jetzt, nach dem 1. März, bläst die ÖVP ins Kampfhorn: Der Pressedienst der ehemaligen Regierungspartei kündigte in der ersten Augusthälfte an, daß „Abgeordnete der Österreichischen Volkspartei das tun werden, wozu Dr. Kreisky in den vergangenen vier Jahren nie Anlaß oder Gelegenheit fand“. So erließ mit Wirkung vom 1. August Unterrichitsminister Gratz eine neue Geschäfts- und Personaleinteilung. Unter anderem ernannte Gratz das BSA-Mitglied Sektionsrat Dr. Erwin Bandion zum Abteilungsleiter der Sektion V (Sport, außerschulische Jugenderziehung, Erwachsenenbildung) im Unterrichtsministerium. Zwölfeinhälb Jahre nahm Sektionsrat Dr. Josef Finder die Führung dieser Abteilung wahr, Dr. Bandion war ihm unterstellt. Gegen diese Entscheidung protestierte die Personalvertretung des Unterrichtsministeriums, worauf Gratz mitteilte, „seine Entscheidung sei aus politischen Gründen erfolgt“. Dr. Bandion wurde mit der Abteilung 4 (Internationale Jugendfragen und Wien-Aktion) und der Vorrevision der Abteilungen 3 und 4 betraut. Die Abteilung 3 ist jene Dr. Finders, die mit außerschulischer Jugenderziehung, Juigenidschrifitenkommission und dem „Dritten Milieu“ befaßt ist. Durch die Trennung in Unterrichts-unid Forschungsministerium wurde die Sektion für kulturelle Auslands-angelegenlheiten aufgelöst und der Sektion 4 (Kunstangelegenheiten) des

Unterrichtsministeriums eingegliedert. Der interimistische Leiter der nunmehr aufgelösten Sektion, Ministerialrat Dr. Grösel, wurde dabei zum einfachen Abteilungsleiter degradiert, der der SPÖ angehörende, bisher in der Abteilung für Bildungsplanung und Bildungsstatistik beschäftigte Ministerialrat Dr. Hans Nowotny zum Leiter der Gruppe für kulturelle Auslandsangelegenheiten ernannt.

Unterrichtsminister Gratz scheint nun tatsächlich bei seinen Entscheidungen kaum andere als politische Motive gehabt zu haben; denn sonst wäre es nicht denkbar, daß er innerhalb eines Monats seine Geschäftseinteilung wdeder abändert — und wiederum ohne Begründung: Doktor Bandion wird nun die Vorrevision der Abteilung seines ehemaligen Vorgesetzten Dr. Finder entzogen, womit dieser rehabilitiert ist. Ein ledtenider Beamter des Unterrichtsministeriums dazu: „Wenn jedes Wort unseres Ministers so genommen werden muß, dann kommen wir vor lauter .Wieder-Richten' nicht zum Arbeiten!“ Ähnliche Verhältnisse herrschen auch im neugeschaffenen Firnberg-Ministerium, wenngleich dort noch keine Änderung rückgängig gemacht werden mußte: Ein bisher in der Abteilung Volksbildung des Unterrichtsministeriums tätiger Referent, Ministerialrat Leopold Obermann, SPÖ-Bezirksrat in Wien-Margareten, wurde von Frau Minister Firnberg zum Leiter der Gruppe 3 ernannt, die Dr. Firnberg direkt unterstellt ist.

Trotz allem ist es verfrüht, von einem „Beamtensterben“ zu sprechen, auch wenn Entscheidungen bisher in eine eindeutige Richtung gezielt haben. Dr. Kreiskys Versprechen, keinem Beamten auch nur ein Haar zu krümmen, wurde von Gratz zwar mit dem „Unwahrheitsbeweis“ bedroht, doch hat dieser, wahrscheinlich auf höhere Weisung, die „Sache wieder gerichtet“. Die Revolution, die gerade beginnen wollte, ist vorzeitig abgebrochen worden. Man munkelt aber, daß sie um so kräftiger, wenn auch stiller wieder kommen wird: Mit dem 31. Dezember dieses Jahres gehen zahlreiche Beamte aus den Ministerien in Pension, und dann wird die Personalpolitik der sozialistischen Mono-colore zum Tragen kommen, ohne daß auch nur einem Beamten ein Haar gekrümmt wird. Aus fast allen Ministerien sind jedenfalls Befürchtungen der bisher etabliertem CV-Hierairchie zu hören. Was somit bislang nur angedeutet wurde, kann sich also um die Jahreswende bewahrheiten: Um jetzt auf der öffentlichen Erfolgsleiter eine Stufe höher zu kommen, muß man auch in ehemaligen ÖVP-Mini-sterien beim BSA sein. Wie in der Mathematik also: eine Personalpolitik mit umgekehrten Vorzeichen.

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